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Märchenhafte Verpflegung: Kouign amann

Herbst ist Lesezeit. Und da es in den letzten Tagen doch eher grau in grau geworden ist, habe ich gleich doppelt für Soulfood gesorgt. Zum einen habe ich die Erinnerungen von Pierre-Jakez Hélias wieder rausgekramt und abendelang im Cheval d’orgueil geschmökert. Es ist faszinierend, mit dem Autor, der selbst ein begnadeter Geschichtenerzähler ist, in die Zeit einzutauchen, in der in der Bretagne noch überwiegend bretonisch gesprochen und abends am Feuer Märchen und Legenden erzählt wurden. Wie sich das anfühlt, habe ich diesen Sommer ja live erlebt.

Der Kouign amann in der Backform beim AuskühlenUnd da ich ein paar Tage frei hatte, habe ich mich auch an ein Rezept gewagt, das mir bisher immer Respekt eingeflößt hat. Ich habe wirklich und wahrhaftig einen Kouign amann gebacken. Kouign ist bretonisch und heißt Kuchen, amann ist bretonisch für Butter. Klingt einfach, ist aber hmmmmmm. Beim Lesen (in diesem Internet) habe ich dann noch entdeckt, dass da bei Little Red Temptation gerade ein Wettbewerb rund um „Märchenzeit! Backen, (vor)Lesen und Glücklichsein“ läuft, und da dachte ich: Wenn das nicht zu mir passt, was dann.

Aber zurück zum Kouign amann. Probiert habe ich diese süße Sünde zum ersten Mal in Vannes, nachdem ich mit einem Freund durch die Brocéliande, den bretonischen Zauberwald, gefahren war. Frisch auf dem Markt gekauft und noch lauwarm, haben wir die ersten Stückchen probiert. Ich bin ganz stumm geworden (wer mich kennt, weiß, was das heißt) und hatte ein glückliches Dauergrinsen im Gesicht. Wir saßen auf der Kaimauer in der Sonne und ich stelle fest, dass das mit dem Erinnerungen sammeln an diesem Tag gut geklappt hat. 🙂

Goldgefärbte Baumstämme in der bretonischen BrocéliandeBlick auf eine sonnige LichtungWasserschloss in der BrocéliandeTemplerkapelle St. Jean"Merlins Grab", ein Granitstein und ein kleiner Busch in der BrocéliandeDen Rest des Wunderkuchens haben wir eingepackt für einen langen Tag auf dem Golfe de Morbihan, dem „kleinen Meer“, in dem die Tränen der Feen, die von den Menschen aus dem Zauberwald vertrieben worden waren, sich in Inseln verwandelt haben. Und schon sind wir beim Backen mitten drin im Märchenzauber.

Botte in einer Bucht des Golfe de MorbihanWährend der Hefeteig ging, habe ich meine Ausgabe vom Barzaz Breiz und mein bretonisches Märchenbuch aus dem Regal geholt und die Legenden rund um König Arthus und die Ritter der Tafelrunde, Merlin und Viviane, Morgane und ihre im Tal ohne Wiederkehr verschollenen Liebhaber nachgelesen. Ich muss sagen, die Kombi von Kuchen mit salziger Butter und salzgeschwängerten Geschichten ist ziemlich perfekt. Danke Christine und Steffi für die Anregung.

Der Kouign amann auf einer TortenplatteIhr wollt auch schwelgen? Hier das von Aurélie von französischkochen.de inspirierte und vor allem um etwas Zucker und Butter reduzierte Rezept (ja doch, die Mengen sind schon geringer, auch wenn das für euch vielleicht nicht so aussieht) für den Kouign amann.

Zutaten für den Hefeteig:
500 g Mehl
1/2 TL Salz
1/2 Würfel frische Hefe
1 Prise Zucker
250 ml lauwarmes Wasser

Für die „Füllung“:
210 g salzige Butter
150 g Zucker

Für die Glasur:
1 Eigelb
etwas Milch

Das Mehl mit dem Salz gut mischen, eine kleine Kuhle formen, die Hefe hineinbröseln, eine Prise Zucker darüberstreuen und mit etwas lauwarmem Wasser übergießen. Das Ganze etwa 15 Minuten gehen lassen. Dann den Rest des Wasser hinzufügen und zu einem homogenen Teig verkneten. Den Teig zugedeckt etwa 1 Stunde gehen lassen.

Dann zu einem Quadrat ausrollen und etwa 80 g zimmerwarme, salzige Butter auf dem Teig verteilen und mit 60 g Zucker bestreuen. Die vier Ecken des Teigquadrats in die Mitte einschlagen und den Teig nochmal etwa 30 Minuten im Kühlschrank stehen lassen. Dann wieder ausrollen – ich habe es mal rechteckig gemacht – und wieder mit Butter bestreichen und mit Zucker bestreuen. Den rechteckigen Teig habe ich in drei Teile geteilt und die beiden äußeren nach innen umgeklappt. Wieder kalt stellen und die Prozedur ein drittes Mal wiederholen. Dann nochmal so ausrollen, dass das Teigquadrat ein bisschen größer ist als die Backform. Wieder die Ecken nach innen einschlagen und von diesem auf dem Kopf stehenden Quadrat wieder die Ecken einschlagen. Das Ganze legt ihr jetzt umgekehrt (also mit den eingeschlagenen Ecken nach unten) in die Backform, pinselt den Kuchen mit der Ei-Milch-Mischung großzügig ein und streut den restlichen Zucker darüber.

Ein Kuchenstück aus dem Kouign amann herausgeschnittenBei 210°C etwa 30 bis 35 Minuten backen. Achtung, der Kuchen wird dunkel, sollte aber nicht verbrennen.

Lauwarm schmeckt er am besten. Aber wie gesagt taugt er auch formidabel als Picknick für einen langen Ausflugstag im Land der Feen und Kobolde.

Die Legenden von Andor

In unserer Spielerunde bin ich nicht der einzige Märchenfreund. Irgendwie war es daher vermutlich unausweichlich, dass wir irgendwann bei den Legenden von Andor landen würden. Nun ist es soweit und wir versuchen in unregelmäßigen Abständen, das Reich von König Brandur gegen Gore, Skrale, Wardraks und Trolle zu verteidigen.

Spielplan und Figuren der Legenden von Andor, aufgebaut für die zweite Legende "Die Heilung des Königs".Die erste Legende ließ sich noch relativ schnell bewältigen. Doch schon bei der zweiten Legende wurden wir relativ bald von den Monstern überwältigt, weil wir suchten und suchten und den dringend benötigten Zaubertrank erst unter dem allereltzten Nebelplättchen gefunden hatten.

Beim zweiten Versuch hatten wir deutlich mehr Glück und konnten die Vorteile dieses kooperativen Spiels voll auskosten. Wir haben lange und ausgiebig über die richtige Taktik diskutiert, uns gegenseitig beim Würfeln angefeuert und Schutzschilde, Heilkräuter und Runensteine getauscht. Wir haben die Bedeutung von Helmen und die rettenden Kräfte des Falken kennengelernt und uns über den übereifrigen nutzlosen (weil mit den falschen Würfelzahlen viel zu spät zum Einsatz gebrachten) Ritter Thorald lustig gemacht.

Bei der dritten Legende haben wir beim ersten Versuch keine drei Tage überlebt – und hatten trotzdem so viel Spaß, dass wir es weiterprobieren, bis wir alle Abenteuer erlebt und unsere kleine Heldengruppe unversehrt nach Hause gebracht haben.

Was wir schon festgestellt haben, ist, dass es sinnvoll ist, immer den gleichen Charakter zu spielen. Das hilft dabei, die Zusatzfähigkeiten der Helden von Andor besser auszunutzen. Ich bin seither immer Mairen, die Kriegerin. Besonders gefällt mir, dass die Charaktere sowohl männlich als auch weiblich sein können und dabei in keinem Fall irgendwelche Fähigkeiten einbüßen. Auch schön: Keine der Geschlechtervarianten spielt mit den üblichen rosa-hellbalu-Klischees. Es geht bei der Dasretllung wirklich um den Charakter und seine Stärken als um Anbiederung. Super!

Der Lieblingsmitspieler ist in der Regel der Bogenschütze. Und bildet meistens ein besonders gutes Paar mit dem Zauberer. Ganz wie im wirklich-wahren Leben (wobei Spiele natürlich auch genau das sind: wirklich-wahres Leben; aber das ist eine andere Geschichte).

Die Legenden von Andor bekommt nicht die absolute Topwertung (dafür sind die „Stimmungsgeschichten“ einfach zu schlecht erzählt und die Randfiguren wie Bauern und andere Bewohner Andors zu lieblos dargestellt), aber 3,5 von 4 Sternen hat es verdient.

Conteurs de la nuit: An der Küste der Legenden

Hatte ich erwähnt, dass ich Märchen mag? Okay, das ist wohl eher eine rethorische Frage. Auch der Lieblingsmensch ist fantastischen Geschichten nicht abgeneigt und so klingt es irgendwie nur folgerichtig, dass wir uns ausgerechnet in die Côte des légendes, die Küste der Legenden, verliebt haben.

Hinweisschild für Wanderer mit der Aufschrift Pays de Lesneven, Côte des légendesHier gibt es quasi zu jedem Stein und jeder Kapelle, zu allen Brunnen und Wegkreuzen, zu Gebäuden, Brücken und Feldern, also quasi zu allem und noch viel mehr, mindestens eine Legende. Hier leben Korrigans (eigentlich bevorzugen sie die Wälder, aber in den vergangenen Jahren sollen sie immer öfter auch an der Küste gesehen worden sein), Feen und Meerjungfrauen. Hier treiben der Teufel und Ankou, der Tod, der mit der Kutsche fährt, ihr Unwesen. Hier haben sowohl mehr oder weniger anerkannte Heilige als auch verrückte Außenseiter die erstaunlichsten Wunder gewirkt und natürlich helfen sie auch weiterhin gegen alle möglichen und unmöglichen Krankheiten. Wenn man denn weiß, was man tun muss, um ihre Gunst zu gewinnen.

In einer kleinen Kapelle können zum Beispiel Kinder von Ohrenentzündungen geheilt werden, wenn ihre Eltern ein T-Shirt im Brunnen vor der Kapelle tränken und vor dem Altar ablegen. Natürlich wird nicht vergessen zu erwähnen, dass eine Heilung umso wahrscheinlicher wird, je größer die Münze ist, die die besorgten Eltern in das nasse Hemdchen wickeln.

Um Geschichten eines anderen Kalibers, nämlich um „echte“ Legenden, geht es, wenn die Conteurs de la nuit unterwegs sind. Marie-Pierre und Joël sind zwei Ehrenamtliche, die die jahrhundertealte Tradition der Erzähler wach halten. Und wie.

Joel und Marie-Pierre auf den Klippen vor Kerlouan, beide tragen dunkelblaue Mäntel und schwarze Hüte, die Kleidung der ConteursJeden Sommermontag-Abend spazieren sie mit begeistert lauschenden großen und kleinen Geschichtenfreunden über Dünen und Strand und erzählen Geschichten, die sich dort, und zwar genau dort, zugetragen haben. Mit dem Rauschen des Meers als musikalischer Untermalung und unschlagbarer Kulisse lassen sie alte Zeiten wieder lebendig werden. Allein mit ihren Stimmen, Händen und Augen versetzen sie ihr staunendes Publikum zurück in die Zeit, als die Feen noch in der Bucht von Kerlouan baden gingen und präsentieren bisher unbekannte, aber völlig überzeugende Erklärungen dafür, warum das einst so süße Wasser des Meeres irgendwann salzig geworden ist. Auch mutige Fischer und Meerjungfrauen dürfen nicht fehlen.

Die beiden Erzähler machen große Gesten, während sie die Geschichte eines Korrigans erzählenIch empfand eine kindliche Freude an den Erzählungen. Und ganz besonders an der alten Kunst des Erzählens. Es war, als schwängen rauchgetränkte Winterabende an bretonischen Feuern bei jeder Legende mit. Als würden mit jedem Satz Erinnerungen an Geschichten erzählende Großväter in Lehnstühlen und märchen-weise Großmütter in der guten Stube wieder lebendig. Als lockten die Worte Fabelwesen aus ihren alten Verstecken, damit sie uns ihre Geheimnisse verraten.

Marie-Pierre erzählt ein MärchenSo erzählt, bestehen die Geschichten aus viel mehr als nur den dazugehörigen Wörtern. Sie bringen Gerüche mit und Klänge und eine Ahnung von Honigwein und verbrannten Algen. So erzählt, sind Legenden mehr als Zeitvertreib; sie werden zum Hauch der Geschichte, vermitteln eine Ahnung des Lebens der Menschen an dieser Küste, geben Anteil an jahrhundertealten Träumen, Ängsten und Sehnsüchten.

Joel erzählt eine LegendeNatürlich beginnt der Abend mit einer Vorwarnung, denn wer sich ins Land der Abenteuer begibt, kommt nicht ohne Risiko aus. Aber mit solchen Führern an der Seite braucht man den Besuch bei den Fabelwesen nicht zu fürchten. Und auch nicht die Zeitreise in die Geschichte. Denn zum Abschluss des Abends führen die Conteurs ihre legendenhungrige Truppe im Schein der Laternen in eine alte, romantische Granitkapelle und erzählen – immer im Wechsel aus der Perspektive der Seeleute und aus der Sicht der halbverhungerten Strandräuber an der Küste – die Geschichte des Untergangs eines Lastkahns voll beladen mit Calvadosfässern. Nicht nur, wenn man sich vorher das Museum zum Untergang der „Indian“ im benachbarten Meneham angesehen hat, geht man mit einer dicken Gänsehaut nach Hause.

Il était une fois…cont