Archiv für den Monat: Juni 2016

Links gegen das Schweigen XIX

Heute gibt es eine kurze, aber dafür wichtige Ausgabe der Links gegen das Schweigen, in der sich alles um Integration dreht.

Schild vor einem Café in Köln: Heute empfehlen wir Dialoge!

Wie geht das eigentlich konkret, das mit dem Einleben? Geht das überhaupt? Und was können wir dazu beitragen? Vanessa Giese hat da ein kleines, aber eindrückliches Beispiel aufgeschrieben.

Auch bei Mennory gibt es einen Einblick in den Integrationsalltag – hier einmal von Menschen, die schon länger bei uns leben.

Der britisch-kanadische Autor Doug Saunders beschäftigt sich schon lange mit Migration und Integration. Im Deutschlandfunk hat er am vergangenen Wochenende viele interessante und in der aktuellen Abwehrdebatte durchaus ermutigende Dinge gesagt. Zum Nachlesen.

Über eine Studie zum Thema Integration in den USA und Frankreich kommen die Autoren zu dem Schluss: „Das Ergebnis ist eindeutig: Die Muslime erfahren mehr Ausgrenzung, verstärken diese aber auch eher als die christlichen Migranten. Neben interessanten Einzelerkenntnissen bringt die Studie vor allem eine überzeugende Hauptthese: In Frankreich herrsche ein „Gleichgewicht der Diskriminierung“. Die Mehrheitsgesellschaft lehnt muslimische Einwanderer ab, worauf diese mit Verhaltensweisen antwortet, welche die Ablehnung steigern – ein sich selbst verstärkender Kreislauf.“ Die Süddeutsche Zeitung schildert die Ergebnisse der Studie ausführlich und angenehm unaufgeregt.

Dass es auch andere, komplexere Integrationshemmnisse gibt als die Religion, beschreibt Irene Amina Rayan bei den Krautreportern.

Im Migazin beleuchtet Sevim Dagdelen eine andere Seite der Medaille und zeigt auf, dass es die große Zahl der oft benannten „Integrationsverweigerer“ gar nicht in der Form gibt, die die öffentliche Meinung dominiert.

Oft wird bestritten, dass Integration überhaupt gelingen kann. Dass das auch mit der Enge unserer Filterblasen zu tun hat, beschreibt Christine von Mama arbeitet an verschiedenen Beispielen, unter anderem auch am Beispiel Rassismus.

Dass solche Vorurteile sich im Integrationsalltag manchmal schneller in Luft auflösen, als sich mancher das anfangs gedacht hatte, zeigt das Beispiel Sumte, wo man heute fast schon die Flüchtlinge vermisst.

Und noch ein Vorurteil, das sich bei näherer Betrachtung auflöst – oder gar ins Gegenteil umkehrt. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat herausgefunden, dass es keinesfalls so ist, dass Deutschland sich die Integration der Geflüchteten nicht leisten kann. Vielmehr würde es Millionen kosten, wenn wir die Integration nicht angehen. Wenn uns diese Aufgabe jedoch gelingt, können die Staatskassen sich über deutlich höhere Einnahmen in der Zukunft freuen. Auch das könnt ihr im Migazin einleuchtend dargestellt nachlesen.

Zum Schluss noch ein Link zum Thema Ramadan. Doch, ja, da kann man auch über Integration sprechen. Es ist eben wirklich kompliziert. Aber in den Begegnungen von Mensch zu Mensch ist es dann doch manchmal wiederum ganz einfach.

Lieblingsinsel: Ile de Sein

Blick auf die gesamte Breite der Ile de Sein vom Boot ausKann es wirklich sein, dass ich noch keinen  eigenen Beitrag zur Île de Sein hier geschrieben habe? Dabei müssten hier eigentlich dutzende stehen. Denn diese Insel habe ich ganz besonders in mein Herz geschlossen. Fragt mich nicht, warum, aber irgendwie war das von Anfang an die ganz große Liebe. Obwohl unsere Beziehung ja nicht sooo gut anfing…

Den ersten Blick auf die Insel hat das Wetter mir verwehrt. Da war ich endlich einmal an der Pointe du Raz und was ist? Regen. Dichter, fies-stacheliger Regen (aber was für ein wundervoller Tag).

ile-de-sein-von-pointe-du-van-aus-gesehen

Beim zweiten Mal habe ich es dann direkt gewagt, auf die Insel meiner Träume zu fahren. Doch auch hier: Kein netter Empfang. Orkanböen mit Windstärke 9. Nach einer Nacht im TGV, einer abenteuerlichen Busfahrt (der Fahrer war nicht viel wacher als seine verschlafenen Fahrgäste) und einer guten Stunde Wartezeit im Wind kam eine winzige Fähre, auf der man natürlich nicht draußen sitzen durfte (Mademoiselle, c’est trop dangereux). Drinnen fand mein Magen das aber nur so mittelspaßig. Und nach dem fünften oder so Wellenkamm mit anschließender Talfahrt war es dann mit dem Spaß komplett vorbei. Zumindest bei mir. Meine Mitfahrer – alles gestandene Insulaner – waren dafür umso amüsierter. Und ich konnte gleich eine neue Redewendung lernen: Elle n’a pas le pied marin.

ile-de-sein-bojen

Und trotzdem habe ich alles an der Reise und der Insel geliebt. Ich bleib eine Woche, mitten im Herbst und als einzige Touristin, die so lange blieb und die Einheimischen fanden mich wohl noch spannender als ich sie. Nach drei Tagen kannte ich zumindest eine ganze Menge Leute und wurde sogar vom Bürgermeister empfangen. Der hatte Henri Queffélec persönlich gekannt und erzählte mir die eine oder andere Erinnerung und Anekdote.

ile-de-sein-vom-boot-aus

ile-de-sein-kirche

Beim Thema (wahre) Anekdoten darf natürlich die Geschichte nicht fehlen, die Sein berühmt gemacht hat: Als Charles de Gaulle am 18. Juni 1940 seinen berühmten Aufruf zum Widerstand über die Äther der BBC verbreiten ließ, fiel seine Rede auf der kleinen Insel, deren Bewohner man gemeinhin für üble Strandräuber und ansonsten für hinterwäldlerisch und bettelarm hielt – auf dieser Insel am Ende der Welt stieß der Appell de Gaules auf jeden Fall auf besonders fruchtbaren Boden. Alle „wehrfähigen“ Männer der Insel – die meisten von ihnen Fischer – setzten nach England über und schlossen sich den Forces Françaises Libres an. Anfangs machten sie bis zu einem Viertel der Seestreitkräfte aus. De Gaulle soll bei einem Begrüßungsrundgang alle Neuankömmlinge gefragt haben, woher sie denn stammten. Als die Männer von Sein ankamen, soll er gesagt haben, er wisse ja, dass die Insel größer sei als ihr Ruf. Aber er habe nicht gewusst, dass sie ein Viertel Frankreichs umfasse. Ein Denkmal erinnert an den Mut der Sénans.

ile-de-sein-kriegerdenkmal

Zwischendurch spazierte ich über die Insel, saß am Strand und zwischen den Felsen mit Büchern und tauchte ein in das Thema meiner Magisterarbeit. Vor allem aber entdeckte ich meinen Lieblingsort am Leuchtturm Nebelhorn, das dieser Seite ihren Namen gegeben hat: Ar Gueveur.  <3 <3 <3

Ich habe ihn im tosenden Sturm gesehen, während die Wellen sich meterhoch daran brachen. Und bei strahlendem Sonnenschein und einer „mer d’huile“, einem ganz ruhigen Meer. Dann kann man um ihn herum klettern und auf der Meerseite sitzen, aufs Wasser schauen, lesen, arbeiten oder einfach nur glücklich sein.

Ja, ja, ist ja schon gut, ihr bekommt Ar Gueveur hier und jetzt in ausufernder Größe zu sehen 🙂

Nebelhorn Ar Gueveur auf der Ile de Sein

Vor einiger Zeit habe ich den Lieblingsmenschen auch nach Sein geschleppt. Bei ruhigem Wasser und praller Sonne übrigens. Er konnte gar nicht glauben, dass man bei der Überfahrt seekrank werden könnte. Pfff.

ile-se-sein-ueberfahrt-segelboote

ile-se-sein-ueberfahrt-historisches-segelboot

Obwohl eine heftige Algenplage mit dem entsprechenden Geruch Gestank alles versuchte, um uns von unserer Liebe zu dem kleinen Eiland abzubringen, haben wir den Tag auf dem Inselchen sehr genossen. Und herausgefunden, dass man in der Mulde hinter Ar Gueveur auch wunderbar zu zweit sitzen, den Wellen lauschen und rundum glücklich sein kann.

ile-de-sein-ausblick-aus-lieblingsmulde

In der Raz de Sein, die man durchquert, um auf die Insel zu kommen, soll es eine Delfinschule geben. Bilder zeugen davon, dass die fröhlichen Tümmler gerne mal die eine oder andere Fähre begleiten oder am Hafen von Sein die Bewohner und Touristen erfreuen. Auch andernorts in der Bretagne gibt es immer wieder Delfinbesuch. Nur wir haben noch keinen gesehen. Scheint so, als müssten wir einfach noch öfter nach Sein hinüberschippern. Man kann sich durchaus schlimmere Schicksale denken. Hach.

ile-de-sein-kapelle

(Don’t go to Belgium) – Teil 3

Wo wir neulich schonmal an der belgischen Küste waren, haben wir auf dem Rückweg noch einen kurzen Abstecher nach Brügge gemacht.

Wasserweg in Brügge am Sint-Jans-Hospital

Eigentlich wollten wir ja nach Antwerpen, aber da war immer noch Stau rundherum, und so gönnten wir uns einen Abstecher ins Bilderbuch-Mittelalter. Wenn ihr es schön haben wollt und euch weder vor Kitsch noch vor Touristenmassen fürchtet, ist das euer Ort. Egal, um welche Ecke man biegt, es wird immer nur noch schöner.

Straßenzug in der Altstadt von Brügge

Platz mit historischen Häusern und Bäumen in Brügge

Reie in Brügge

Ein flämischer Giebel reiht sich an den nächsten, Kirchen, Villen, prunkvolle Gebäude, ein beeindruckender Belfried, Mühlen und, und, und machen die Stadt zu einem Schmuckstück. Die vielen Grachten – in Brügge heißen sie allerdings Reien – tun ihr Übriges dazu, um aus dem Städtchen eine Perle zu machen. Dazu Sonne ohne Ende und wir hatten einen wundervollen Nachmittag.

mehrere prunkvolle flämische Backsteingiebel nebeneinander

ein weißes und ein backsteinfarbenes Haus in Brügge

prachtvolles altes Backsteingebäude mit schmalem Turm in Brügge

Man kann in Brügge natürlich belgische Schokolade kaufen und sich freuen, wie der Lieblingsmensch von der Verkäuferin für seine guten Sprachkenntnisse gelobt wird. Nebenan können Biertrinker man aus hunderten ausgefallenen Sorten Bier und den passenden Gläsern wählen. Und je nachdem, durch welche Straßen man bummelt, riecht es verführerisch nach Muscheln oder nach Waffeln.

Schild mit der handgeschriebenen Aufschrift: A balanced diet is chocolate in both hands.

Man kann aber auch gemütlich in einer wunderbaren Teestube sitzen und Kaffee bestellen, zu dem man ganz ungefragt ein leckeres Stückchen Kuchen und ein wenig hausgemachte Schokolade bekommt.

Kaffeegedeck mit Cappucino und einem kleinen Stück Kuchen sowie einer kleinen blumenförmigen Schokolade

Wenn man vom dem Lärm, der Betriebsamkeit und der Hektik der unzähligen Menschen auf den Straßen genug hat, biegt man einfach in einen der kleinen Innenhöfe ab und beneidet kurz die Menschen, die dort mitten in der Stadt und trotzdem wunderbar friedlich und still wohnen. Wir haben zwischen den Blumen und Sträuchern des Hofs eine kleine Rast eingelegt und fühlten uns ganz verwunschen paradiesich.

Begrünter Innenhof mitten in Brügge

Fahrt also durchaus mal nach Flandern. Das kann man sehr gut machen.