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Links gegen das Schweigen VI

Schild vor einem Café in Köln: Heute empfehlen wir Dialoge!Schon wieder Flüchtlinge? – werden einige von euch mich fragen. Ja, schon wieder. Und immer noch. Das geht auch so schnell nicht weg. Und auch, wenn die Stimmen derer lauter und hörbarer und die Hilfsbereitschaft von vielen immer sichtbarer wird, ist Einsatz gegen Vorurteile, Ängste und Hass noch immer nötig.

Denn kaum gibt es Menschen, die sich dazu bekennen, dass sie die Neuankömmlinge ohne Wenn und Aber willkommen heißen, fantasieren andere eine „Flüchtlingseuphorie“ herbei. Noch schlimmer sind Verschwörungstheorien von der „Flüchtlingswaffe“, sind Bilder von existentiell notleidenden Menschen, zu denen ein zynischer Kommentator behauptet, denen, die alles verloren haben, gehe es noch viel zu gut. Nein, das verlinke ich hier nicht. Auch keine Beispiele für die noch immer zahlreichen „Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber“-Sager, keine Hinweise zu den „wir haben doch selbst genug Probleme, denen können wir nicht auch noch helfen“-Phrasen, keine Links zu den „die nehmen mit alles weg und kriegen Geschenke noch und nöcher“-Angstschürern. Aber seid versichert: Es gibt sie.

Zum Glück gibt es in der Debatte aber auch differenzierte Töne und wissenschaftlich fundierte Meinungen wie dieses Interview mit Migrationsforscher François Gemenne im Stern. Gefunden habe ich das bei Max Buddenbohms Herzdamengeschichten, da gibt es auch weitere lesenwerte Links. Das wird wohl auch eine Serie, da könnt ihr immer mal wieder vorbeischauen.

In der Zeit hat Marian Lau schon vor einigen Wochen eine Widerrede formuliert:

„Man muss sagen dürfen, dass es Probleme gibt – auch wenn niemand die Probleme „Abschaum“ nennen darf.“

Auch Sascha Lobo ist differenziert, wenn er die Problematik der Smartphone-Vorurteile auf einer anderen, größeren Ebene diskutiert:

„Ein Flüchtling aus Afrika wird in einem deutschen Geschäft versuchen zu bezahlen, wie er es gewohnt ist: mit dem Smartphone. Er wird scheitern. Bezahlung per Handy hat hier einen Exotikfaktor irgendwo zwischen Einrad und Einhorn. In weiten Teilen Afrikas, der USA, des Baltikums ist es selbstverständlich. […] Wenn also heute Leute behaupten, Smartphones seien Luxus, ist das zwar falsch, aber historisch durchaus nachvollziehbar. Und zugleich sagt es wenig Gutes über die digitale Ausgangslage eines Landes, dessen Reichtum weitgehend von Hochtechnologien abhängt, die von der mobilen Revolution so radikal verändert werden wie die Musikindustrie durch das Internet.“

Leider gibt es aber auch das genaue Gegenteil von differenziert. Leider gibt es auch Manipulationen. Eine zeigt Stefan Niggemeier, indem er aufdeckt, dass Pegida eine gefälschte „Spiegel“-Überschrift veröffentlicht hatte.

Und auch der Bayerische Rundfunk berichtet von solchen „False Flag-Operationen“:

„Hetzer stehlen aus echten Meldungen Fotos, schreiben einen neuen Text und erfinden ein passendes Medium dazu, um dann den positiven Artikel in Frage zu stellen.“

Deutschlandradio Kultur macht sich Gedanken über die neue (?) Kultur der Hasskommentare im Netz:

„Eine Zunahme der Hetze im Internet – vor allem bei Debatten um Flüchtlinge und Asyl – bestätigt auch der Würzburger Medienpsychologe Frank Schwab. Er beobachte „eine Diskussionskultur, die mit Diskussion nicht mehr viel zu tun hat“. An die Stelle eines Austauschs von Argumenten trete häufig der bloße Austausch von Beleidigungen, sagte Schwab im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.“

Zum Schluss jedoch wieder ein Link, der Hoffnunng macht. Eine Bloggerin, die nicht schweigt. Und den Brief eines Freundes veröffentlicht, den man sich durchaus als Vorbild gegen dummes Gerede nehmen kann.

„Im Jahre 2008 gab es demnach in Syrien knapp 17 Millionen Einwohner. […] Etwa 11 Millionen Syrern standen dann 6 Millionen nichtsyrische Flüchtlinge auf einem Küstenstreifen von Wismar nach Rügen, dem Thüringer Wald und dem Werratal gegenüber. Die Reaktion Syriens: Häuser bauen, um die Immobilienpreise nicht noch weiter steigen zu lassen. Vereinfachte Integrationsverfahren für schnellere Staatsbürgerschaft, neue Stadtviertel bauen. Und: Der Strom an Flüchtlingen nach Europa wurde gestoppt, denn in Syrien fanden die Flüchtlinge Heimat, vielleicht mehr schlecht als recht, vielleicht in einer Diktatur, aber immer noch besser, als im kriegszerstörten Herkunftsland. Zum Vergleich: Wir sprechen im wasserreichen Deutschland bei derzeit 80.000 Flüchtlingen in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern von „Engpässen“.

Links gegen das Schweigen IV

Endlich sprechen zwei Bundesminister Klartext und erklären deutlich, dass man Gewalt gegen Flüchtlinge mit der ganzen Härte des Rechtsstaates begegnen werde. Doch wie beim ZDF-Sommerinterview der Kanzlerin sagt auch Innenminister de Maizière wieder „nur“, solche Attacken seien unseres Landes nicht würdig. Das stimmt. Aber es reicht nicht. Schon letzte Woche – vor den Straßenkämpfen in Heidenau – stellte SPON fest:

„Jeder Abgeordnete des Bundestags könnte diese Sätze wohl unterschreiben. Weil sie weit weg sind von Festlegungen in der konkreten Debatte.“

Dabei wäre gerade das jetzt gefragt: Eine konkrete Debatte. Darüber, wie wir den Hass beenden können. Wie es gelingen kann, unbegründete Angst, Hass und Gewalt als das zu entlarven, was sie sind, um zurückzufinden zu einem menschlichen Miteinander. Wie Zeichen der Menschlichkeit gesetzt werden und der Einsatz für eine friedliche, bunte, lebendige Gesellschaft unterstützt werden kann, damit immer mehr Menschen nicht schweigen, sondern aktiv zu genau solch einer Gesellschaft beitragen. Denn es hilft, dem Hass (im Netz und andernorts) etwas entgegenzusetzen, sich zu äußern, Haltung zu zeigen. Wie das gehen kann, hat Sascha Lobo in dieser Woche klar aufgezeigt. (Lest den Text und folgt auch den dort angegebenen Links, es lohnt sich). Lobo zitiert die Forschungsarbeit von Susan Benesch, die in Harvard Human Rights leert, zu „dangerous speech“:

„Susan Benesch hat aber auch untersucht, wie sich die Wirkung von Hassrede gesellschaftlich bremsen lässt, weil rein gesetzliche Maßnahmen häufig in Zensur münden – und hier wird es spannend: Benesch nennt die sinnvollen Gegenmaßnahmen „Counter Speech“, also Gegenrede. Dabei kommt es darauf an, Hass gerade nicht mit gleicher Münze zu beantworten, so emotional naheliegend das auch sein mag. […] Als konkretes Beispiel erklärt sie, wie der Amsterdamer Bürgermeister nach dem islamistischen Mord an Theo van Gogh sich deutlich gegen anti-muslimische Racheakte aussprach und sagte: „Ein Amsterdamer wurde ermordet. Kämpft mit dem Stift und wenn notwendig, vor Gericht. Aber nehmt niemals die Justiz in die eigenen Hände.“ In den Tagen nach dem Mord geschahen im ganzen Land Racheakte gegen Muslime – außer in Amsterdam.“

Doch viel zu oft passiert genau das Gegenteil. Nicht nur in der Bildzeitung.  Auch Politiker tragen durch das, was sie sagen und wie sie es sagen, dazu bei, Vorurteile zu stärken. Zum Beispiel, wenn Bayerns Innenminister Herrmann allen Ernstes fordert, dass die EU Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und Griechenland einleitet, weil diese der Menge von Flüchtlingen im Angesicht ihrer eigenen Lage nicht ganz alleine Herr werden und die anderen EU-Länder mit in die Pflicht nehmen wollen.

Parallel fordert Innenminister de Maizière (ja, genau der, der gerade so unangenehm unpräzise von „für unser Land unwürdig und unanständig“ redet, wenn es um Gewalt gegen Ausländer und Polizisten geht), er fordert also „unattraktivere Leistungen“ für Flüchtlinge, weniger Taschengeld, mehr Sachleistungen. Als wäre das der Grund für Menschen, alles hinter sich zu lassen und sich auf eine lebensgefährliche Flucht zu machen, weil alles besser ist als das, wovor sie weglaufen. Und als stimmten all die hasserfüllten Parolen vom Boot, das voll sei und den Kosten, die wir uns nicht leisten können. Und Angela Merkel? Schweigt. Immerhin erhebt Familienministerin Manuela Schwesig die Stimme. Es ist schade, dass sie wie eine einsame Ruferin in der Wüste erscheint, wenn sie ihren Kabinettskollegen de Maizière hart für seine Äußerungen zum Thema Taschengeld für Flüchtlinge kritisiert.

Andere Politiker sagen gar nichts. Das macht aber nichts besser. Ganz im Gegenteil.

Dabei geht es gar nicht um Schwarz-Weiß-Malerei. Es geht darum, komplexe Zusammenhänge zu beleuchten, Hintergründe zu verstehen. Der Kölner Kardinal Woelki hat den Balkan bereist, sich eine eigenes Bild gemacht und versucht, eine differenzierte Haltung nicht nur einzunehmen, sondern auch zu kommunizieren. Doch auch hier frage ich mich: Wenn er das Wort „Armutsflüchtlinge“ so schrecklich findet, wie er (durchaus glaubwürdig) sagt: Warum benutzt er es dann?

Sprache kann helfen, komplexe Zusammenhönge besser zu verstehen. Wörter, die falsche Bilder hervorrufen, die aus Vorurteilen Vorverurteilungen machen, wirken aber oft wie Nebelkerzen, die die Sicht verstellen. Daher ist es wichtig, immer wieder Fakten zu lesen und sich zu merken. Das kann helfen, wenn man die oben bereits genannte „Gegenrede“ ernstnehmen und umsetzen will. SPON vermittelt zum Beispiel Hintergründe zum Thema Balkanflüchtlinge:

„Kein Wunder also, dass neben Kriegsflüchtlingen auch Tausende Sinti und Roma nach Mitteleuropa kommen wollen. Nach Angaben des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma verlassen viele von ihnen ihre Heimat notgedrungen und gegen ihren Willen. Würden sie nicht diskriminiert, würden sie wohl bleiben. Wie sie schließlich aufgenommen werden, hängt dabei vom Land ab, in dem ihre Flucht endet: Frankreich etwa erkennt laut „Süddeutscher Zeitung“ Sinti und Roma als „gruppenspezifisch Verfolgte“ an – Deutschland nicht.“

Und auch das hilft, mir zumindest: Satire (wie hier im Migazin):

Auf die stark zunehmenden Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland haben mehrere Balkan-Länder nun mit einer Gesetzesänderung reagiert. In Serbien, Mazedonien sowie in Bosnien und Herzegowina gilt Deutschland ab sofort nicht mehr als sogenannter „sicherer Staat“.

Zum Glück gibt es auch die kleinen Schritte, die Beispiele dafür, wie einfach es sein kann, aktiv zu werden, zu helfen. Diese ganz besonders fröhliche Aktion verdanken einige Flüchtlingskinder der Feuerwehr Osnabrück. Klasse Sache.

Links gegen das Schweigen III

Die Stimmen, die laut sagen, dass Flüchtlinge willkommen sind. Dass diejenigen, die das genauso sehen, sichtbarer werden müssen. Dass es an uns liegt, aktiv zu werden gegen Hass und Rassismus. Diese Stimmen werden mehr. Anja Reschkes Tagesschau-Kommentar habt ihr vermutlich alle schon in euren Timelines gesehen. Es lohnt sich aber, ihn nochmal anzusehen und danach zu handeln:

„Die Hassschreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht toleriert. Wenn man also nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Schmarotzer sind, die verjagt, verbrannt oder vergast werden sollten, dann sollte man das ganz deutlich kundtun. Dagegen halten, Mund aufmachen. Haltung zeigen, öffentlich an den Pranger stellen.“

Und ihr Aufruf bleibt nicht ungehört, immer mehr Menschen schreiben an gegen den Hass. Katja von Mehrsprachig handeln schreibt:

„Es ist Zeit, gegen Fremdenhass, Missgunst und Neid und verbale wie reale Angriffe auf Flüchtlinge den Mund aufzumachen. Längst.“

… und beteiligt sich damit an Texterellas Aktion „Blogger gegen Flüchtlingshass„. Dort sammelt sie informative Links und schreibt:

„Hier geboren zu sein ist keine „Leistung“, die es nun zu verteidigen gilt. Es ist unser Glück, ein großes Glück. Ich bin sehr dankbar dafür, jeden Tag. Und besonders, wenn ich die Zeitung aufschlage. Menschen, die in Afrika, Syrien oder Albanien geboren wurden, haben dieses Glück nicht gehabt. Das Recht auf Glück haben sie aber genauso – wie wir.“

Auch Frau Novemberregen macht sich Gedanken. Über das „Wir“ und wer alles dazugehört:

„Sich mit Fremdem, Fremden, neuen Eindrücken auseinanderzusetzen, bedeutet immer eine gewisse Mühe, da das eigene eingerastete Weltbild etwas angeschubst wird – sieh da, es gibt Menschen, die sehen etwas anders, die feiern andere Feste, die machen Salz statt Zucker an ihre Haferflocken! Aus eigener Erfahrung verstehe ich, dass das verunsichern kann. Ich habe aber kein Verständnis für die, bissig werden, weil sie diese Verunsicherung nicht aushalten können. Wir sind alle nicht mehr die kleinen Babys, die weinen müssen, wenn Mama aufs Klo geht.“

Frau Herzbruch wird konkret und startet eine kleine, aber beglückende Hilfsaktion mit Schultüten:

„also ließ ich mir den geschäftsführer holen, fragte, was mit den übriggebliebenen tüten passierte, er sagte, er wisse es noch nicht, ich beichtete, dass jonathan sie nicht behält sondern ich sie den flüchtlingskindern spenden werde, er sagte, ich solle nicht weiterreden und montag um 7 uhr vorbeikommen und alle verbliebenen tüten abholen. quittung der stadt wolle er gar nicht, mache er auch gerne so.“

Béa erzählt ihre eigene Flucht-Geschichte:

 „Ich war ein Kind, das eine bessere und sichere Zukunft suchte.  Ich habe sie gefunden. Ich habe die Sprache gelernt, Abitur gemacht, studiert, geheiratet, ein Kind bekommen, gearbeitet, Schulen gegründet. Was damals ein Traum schien ist jetzt meine Gegenwart. Wie viele Kinder, deren Eltern für sie eine bessere Zukunft suchen, sind da draußen in den Flüchtlingslagern?“

Meike Lobo beschreibt, dass sie sich schämt, warum und wofür:

„Ich schäme mich für die Nazihetze im Netz, ich schäme mich für eine Politik, die verzweifelte Menschen allenfalls duldet, aber niemals willkommen heißt, ich schäme mich aber auch für alle, die immer noch glauben, das alles habe nichts mit ihnen zu tun. Die glauben, es sei ausreichend, bei der Hetze nicht mitzumachen und die Idioten zu ignorieren. Denn das ist es nicht.“

Und zum Schluss lege ich euch noch diesen Text von von „Kurt Saar-Schnitt“ ans Herz. Wenn ihr neben Anja Reschkes Kommentar nur eine Geschichte lesen wollt, dann diese, in der ihr seine Oma kennenlernt. Und seine Meinung. [Kein Zitat, den Text müsst ihr einfach ganz lesen.]

 

Links gegen das Schweigen II

Teil zwei dieser Linksammlung.

Nicht mehr schweigen bei Hass und Gewalt. Position beziehen, meine Haltung offen sagen. Aber oft fehlen mir im Moment die Worte. Kann ich gar nicht so schnell analysieren, einordnen, deutlich machen, wie rassistische Äußerungen und Taten mich sprachlos zurücklassen. Anderen gelingt das besser. Daher werde ich euch nun immer wieder Links gegen das Schweigen weitergeben. Wenn ihr auch welche habt: gerne in den Kommentaren.

Wie ausländerfeindliche Äußerungen einzelne Projekte und in der Folge ganze Gemeinschaften und unsere Gesellschaft verändern, erzählt, am Beispiel eines Kaufhauses in Görlitz, dieser lange Text der Krautreporter.

Und in der Zeit geht es noch einmal (fast bin ich versucht zu sagen: endlich) um den Umgang mit Begriffen wie „Asylkritiker“ und „besorgter Bürger“.

Die Maskerade des „Asylkritikers“ ist der Versuch, Ausländerfeindlichkeit zur legitimen Diskursposition zu erheben, eine Position in die Öffentlichkeit einzuführen und ihre Ideologie zu camouflieren. […] Wenn man bei den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ im Zweifelsfall nicht immer bestimmen konnte, wo ihre Mitglieder politisch einzeln stehen mochten, so lässt sich das bei „Asylkritikern“ besser markieren: auf der Seite des Ressentiments und dem Gutheißen von Gewalt, sofern sie nicht selbst welche ausüben.

In der taz gab es bereits im Frühjahr ein bewegendes Multimediadossier zum Thema Flucht. Den Link habe ich damals bei den Herzdamengeschichten gefunden. Und nein, das ist keinesfalls veraltet, das könnt ihr (leider) alles immer noch lesen.

Pro Asyl hat gängige Vorurteile gegen Flüchtlinge in Deutschland zusammengetragen und liefert die passenden Antworten (und die richtigen Informationen) direkt mit. Ein Beispiel:

„Egoisten sagen: »Wir können doch nicht alle Probleme dieser Welt lösen.«
Richtig ist: Wir sind mitverantwortlich für die Bedingungen, die Menschen in die Flucht treiben.“

Mit einem oft bemühten Vorurteil („So schlecht kann es denen ja gar nicht gehen, die haben ja Handys“) und dem, was es bedeutet, nicht mehr zu haben als dieses Handy, mit dem man in Kontakt bleiben kann mit denen, die zurückbleiben mussten, hat sich das Migazin bereits im Juni beschäftigt.

Und einen Überblick über die Lage in Frankfurt und darüber, wie die Kritische Theorie der Frankfurter Schule auf Pegida-Äußerungen angewandt werden kann, gibt dieser Text in der Frankfurter Neuen Presse:

„Ebenfalls an „negative Dialektik“ gemahnt es, wenn auch diejenigen unter den Pegida-Anhängern, die sich selbst als gute Christen darstellen, also der Nächstenliebe verpflichtet sein sollten, von „Wirtschaftsflüchtlingen“ sprechen in einem abfälligem Ton, als handele es sich formaljuristisch um kriminelle Subjekte und nicht um Menschen, die aus armen Gegenden der Welt hierher fliehen. Weil sie auch gerne leben möchten mit all den alltäglichen materiellen und immateriellen Annehmlichkeiten der demokratischen Industrieländer, die so manche kaum noch bewusst wahrnehmen, geschweige denn zu würdigen wissen, sie aber dennoch offenbar nicht mit anderen teilen wollen.“

Um auch dieses Mal mit etwas Hoffnungsvollem zu enden: Zwei Willkommenaktionen zum Mitmachen.

Nicht nur „Gegner“

Zurzeit stehe ich oft völlig verständnislos da. Ich kann es nicht fassen, wie schnell Vorurteile und Vorverurteilungen, Rassismus und Hass salonfähig geworden sind. Wie normal es erscheint, dass Flüchtlinge hier in Deutschland nicht willkommen geheißen, sondern abgelehnt und angegriffen werden. Und mindestens genausowenig kann ich begreifen, warum genau diese um sich greifende Gewalt nicht zu einem Aufschrei in unserer Gesellschaft führt.

„Die Zahl der Flüchtlinge schürt natürlich auch Ressentiments“ höre ich da in der Aktuellen Stunde. Natürlich? Wieso ist das natürlich? Ich finde das absolut unnatürlich, dass das Leid von Menschen Ressentiments hervorruft. Und bin konsterniert, dass Journalisten gerade in einer solchen Situation nicht bewusster mit Sprache umgehen.

Ich will nicht mehr schweigen. Ich will klar sagen, dass ich den Hass unerträglich finde. Und daher verlinke ich euch heute hier einige Texte, die ich in den vergangenen Tagen und Wochen zum Thema gelesen und geschätzt habe.

Stefan Niggemeier veröffentlicht auf seinem Blog einen Text von Ulrich Wolf, der zuerst in Communicatio Socialis erschien und der von der Situation bei Pegida-Demonstrationen in Dresden und der Veränderung des gesellschaftlichen Klimas berichtet. Häkelmütze im Pegida-Land:

„Dabei scheuen sich immer weniger Menschen, unter Klarnamen ihre Ressentiments kundzutun: „Hauptsache, der Dreck verschwindet von unseren Straßen. Wie, ist mir mittlerweile egal.“ – „Können wir nicht mal einen Lkw voll mit solchen Fach-Sexkräften im Regierungsviertel abladen?“ „Ich würde dem die Eier so zerschmettern, dass er nie wieder eine Frau anschaut.“ „Schmeißt die Arschlöcher raus aus Deutschland!“ Offenbar gilt nun: Durfte in der DDR kaum jemand sagen, was er denkt, so darf seit Pegida jeder alles sagen, ohne dabei zu denken.“

Nachrichtenmeldungen, in denen von Anschlägen auf Flüchtlinge und Flüchtlingseinrichtungen berichtet wird, verlinke ich euch nicht. Aber diese Karte zeigt eindrücklich, dass es dabei nicht mehr um einzelne Vorkommnisse geht. Wie erschreckend nicht nur jeder einzelne Angriff ist, sondern auch die Dimension.

Und was sagt die Politik? Zum Beispiel unser Innenminister? Nichts. Rein gar nichts:

„Nichts zu sagen spricht Bände. Es bedeutet, dass er sich als Innenminister nicht zuständig fühlt für die Sicherheit von Flüchtlingen. Obwohl es sich bei ihnen um Menschen handelt. Er, der nicht müde wird, vor dem islamistischen Terror zu warnen und sich in einer Tour solidarisch zeigt mit Tunesien, Frankreich oder anderen Orten, an denen Islamisten Attentate verüben. Wenn aber bei ihm zu Hause die in Deutschland lebenden Menschen akut bedroht werden, schweigt er.“

Andere versuchen, Worte zu finden. Den Menschen, die Angst haben, mit Argumenten zu antworten. Caroline Mohr zum Beispiel. Ihr Antwort an eine „besorgte Bürgerin“ ist lesenwert bis zum Schluss.

Auch und gerade weil ich voll unterschreibe, was Raul Krathausen über „besorgte Bürger“ sagt:

Es gibt nur drei Sachen, die schlimmer sind, als Nazis vor Flüchtlingsheimen: Verantwortliche, Medien und Politiker, die Verständnis für die sog. „besorgten Bürger“ haben. Alleine das Wort „besorgte Bürger“ ist eine furchtbare Verharmlosung. Wir sollten wegen der Nazis besorgte Bürger sein, nicht wegen der Hilfesuchenden!!!11elf!

Und nicht nur dieser Begroff ist verharmlosend. Sascha Lobo hat das in den vergangenen Worten mehrfach deutlich aufgezeigt. Hier zum Beispiel:

Diese neo-nationalistische Anbiederung wird begleitet von einem medialen Appeasement. In vielen redaktionellen Medien ist bezogen auf Freital von „Asylgegnern“ die Rede. „Asylgegner“ aber ist hier ein gefährlicher Euphemismus, eine Verharmlosung rassistischer Gewalt.

Und hier nocheinmal: Attacken auf Flüchtlingsheime: Nennt sie endlich Terroristen!

Auch Maximilian Popp benennt die Attacken (auch auf SPON) als das, was sie sind: Terrorismus.

Und plötzlich kann sogar eine bekennende Til-Schweiger-Ignorantin wie ich diesen Text unterschreiben. Lest übrigens auch unbedingt die dort verlinkten klugen Texte rund um Reem und #merkelstreichelt.

Um dem allem zum Schluss noch eine andere Perspektive entgegenzusetzen, empfehle ich euch dieses Tumblr von Martin Gommel. Er portraitiert dort Flüchtlinge. In Deutschland. Im Kosovo. Schaut euch die Fotos an. Lasst sie auf euch wirken. Und überlegt dabei, ob die Worte „nur ein Wirtschaftsflüchtling“ für euch eine andere Bedeutung bekommen.