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Sommerregen und Erinnerungen

Und dann regnet es plötzlich wirklich. Es fängt gerade an, als ich aus dem Zug steige. Die meisten Menschen eilen Richtung Bahnhofsvordach, aber einige – so wie ich – stellen sich mitten in den Regen und fangen an zu strahlen. Langsam gehe ich über die Straße, auf der die dicken Tropfen platzen und in kleineren Tröpfchen um meine Füße herumtanzen.

Ich atme tief ein und da ist er. Dieser ganz spezielle Geruch nach nassem, heißen Asphalt. Dieser wunderbare Sommergeruch nach Straße und Staub und Teer und Kindheit. Dieser Geruch ist eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen. In der Sackgasse spielten wir Fangen oder Verstecken oder Schnitzeljagd oder lieferten uns Wettkämpfe in Hüpfgummihüpfen oder Langsam-Fahrradfahren. Und dann regnete es plötzlich diese langsamen, schweren, großen Landregentropfen. Und in der Luft liegt in Sekundenbruchteilen dieser ganz besondere, spezielle, wunderbare Geruch einer staubigen, wenig befahrenen Straße im Sommer. Kein Gedanke daran, mit dem Spielen aufzuhören und ins Haus zu laufen. Der Regen kühlt die Luft nicht ab, wenigstens nicht sofort. Und meistens hört er genauso schnell wieder auf, wie er gekommen ist.  Vorher drehen wir uns im Kreis und versuchen, einen Regenbogen zu entdecken, weit kann die Sonne schließlich noch nicht sein.

So ist es noch heute. Ich gehe langsam, mit erhobenem Kopf durch den prasselnden Regen, ich lächle vor mich hin und atme besonders tief ein und aus und genieße das, was mein Sommergeruch ist, mehr noch als sonnengecremte Haut oder windgetrocknete Bettwäsche.

Nach dem Duft nach Staub, Teer und nassem Asphalt kommt der nach nassem Gras. Durch die lange Trockenheit riecht es mehr wie feuchtes, staubiges Heu. Auch einer meiner Sommer-Lieblinge.

Von irgendwoher treibt der Wind schweren, süßen Blütenduft herbei und ich überlege, ob ich einen Umweg mache. Ich spüre die Tropfen auf den bloßen Armen, die ersten Tropfen laufen mir aus den zu langen Ponyfransen ins Gesicht. Die näher kommenden Blitz und Donner bringen mich von der Idee ab, den Spaziergangs durch das kleine Waldstück um die Ecke zu verlängern.

Als ich ein paar Minuten später die Haustür aufschließe, lässt der Regen schon wieder nach. Noch einmal atme ich tief ein, schon ist er wieder weg, der Sommer-Erinnerungs-Lieblings-Duft und von irgendwoher höre ich die erste Hummel, die sich unter einer großen Blüte verborgen hatte und nun wieder Richtung Lavendelbusch brummelt.

Mit dem Rollator und viel Liebe

In den vergangenen Tagen war ich offline und habe Exerzitien gemacht. In dem Kovent, zu dem das Exerzitienhaus gehört, leben vor allem alte – gar betagte – Schwestern. Es gibt dort auch einen Pflegebereich. Wer nun denkt, die Stimmung dort sei traurig oder gedrückt, der irrt. Sehr.

Wann immer man durch das Haus geht, trifft man auf eine der zahlreichen noch immer durchaus aktiven Schwestern. Viele von ihnen sind mit dem Rollator durchaus schneller unterwegs, als mancher Mensch ohne Gehhilfe. Andere schieben langsam, aber stetig ihr Wägelchen vor sich her und jede kommt dorthin, wo sie hinmöchte.

So weit, so normal. Besonders angerührt hat mich die „Rollator-Parade“ am ersten Morgen. Nichtsahnend bleibe ich nach dem Gottesdienst noch etwas sitzen, genieße das abschließende Orgelspiel und das Licht, das sich in den Zweigen vor dem Fenster fängt und wunderschöne Schatten in die Kirche wirft. Die Gäste, die noch gut zu Fuß sind, sind längst aufgestanden und Richtung Frühstück gegangen. Doch ich sitze noch da und sehe, wie liebevoll die alten Damen miteinander umgehen.

In der ersten Bankreihe sitzen die Schwestern, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Hinter der letzten Bankreihe und am Ausgang der Kirche parken ihre Rollatoren. Diejenigen Schwestern, die während der Messe in der zweiten Reihe des Halbrunds saßen, sausen nun fast lautlos Richtung „Parkplatz“ und holen die fahrbaren Gehhilfen. Dabei sortieren sie sich direkt so, dass die Schwestern, die am weitesten außen sitzen, ihren Rollator zuerst bekommen und loslaufen können. Die anderen rutschen derweil nach und bekommen ebenfalls ihren Rollator in die Hand gedrückt.

Wer sich nicht mehr gut alleine von der Bank aufrichten kann, dem greift eine Mitschwester behutsam unter die Arme. Beherzt zieht die eine sich an der Bank hoch, vorsichtig zieht die andere an Arm und Schulter, bis die Hände umgreifen können auf die Griffe des Gefährts. Verschmitzt und fast verschwörerisch lächeln die beiden sich zu, nicken kurz und schon sind sie unterwegs in Richtung Kaffeeduft.

Das alles erfolgt mit einer so heiteren Selbstverständlichkeit – das Helfen und das Hilfe annehmen, das Rücksichtnehmen und das Geduldigsein – dass ich mir wünsche, auf diese Art alt werden zu dürfen.

Schnee und Sonne <3

Eisig kalt ist es hier im Vorgebirge ja schon seit ein paar Tagen. Aber Schnee hatten wir nur für einen halben Tag. Für den kleinen Jungen, neben dem ich an der Ampel stand, genug, um ihn ausgiebig zu testen. „Pap, gibt es morgen wieder Schnee?“ fragte der kleine Mann seinen Vater. „Wahrscheinlich nicht, warumm denn?“ fragte der zurück. „Weil der Schnee so lecker schmeckt, vor allem der da vorne an dem kleinen Brunnen. Und am allerleckersten schmeckt er auf Butterkeks.“

Wie gesagt, testen konnte ich das leider nicht mehr. In Köln und im Vorgebirge gibt es nur Minustemperaturen und gefrorene Schönheiten.vereiste Efeublätter

Keinen Schnee. Dafür gibt es in der Eifel umso mehr davon. Zusammen mit Sonnenschein die perfekte Mischung für einen ausgiebigen Sonntagsspaziergang.Schnee, Sonne, entlaubte Bäume in der Eifel

Zuerst sind wir in der Nähe von Blankenheim durch die Felder und durch knöchelhohen, an manchen Stellen auch höheren, Schnee spaziert. Kurz nachdem wir aufgebrochen waren, wurden wir von einer türkischen Großfamilie überholt. Die einen zogen Kinder auf Schliten, andere große Rucksäcke und zwei junge Männer eine riesige Pappe über das verschneite Feld den Hügel hinauf.Familie beim Picknick im Schnee

Oben angekommen, packten die Familienmitglieder warme Decken aus den Rucksäcken, Thermoskannen, Gläser. Dann wurde die Pappe ausgelegt, die Decken darauf und drumherum drapiert. Alle nahmen Platz richteten sich gemütlich ein – mit Blick auf den Rodelhang, den die Kinder mit den Schlitten eroberten – und picknickten. Großartig!

Da wir aber weder Decken noch warme Getränke dabei hatten und auf Dauer vermutlich mit den Rodelhelden kollidiert wären, sind wir zunächst nach Blankenheim (schon um zwei fast ganz im Schatten – huch) Blankenheim in der Eifel im winterlichen Schattenhalb zugefrorener See in Blankenheim in der Eifel

Burg Blankenheim und der zugefrorene See im Talund dann zum sonnendurchfluteten, zugefrorenen und zugeschneiten Freilinger See weitergefahren. Um den wir dann im goldenen Nachmittagslicht ein gutes Stück herumgelaufen sind. Soooooo schön. Schnee und Sonne. Große Liebe.Verschneiter Freilinger See im Sonnenschein

am Freilinger See im SchneeEiszapfenSchneekristalleSchnee, Sonne und Eis am Freilinger See in der Eifel

 

Backsteingotik: Da muss ich wieder hin

Neulich war ich ja in Stralsund und schon auf dem Hinweg im wahrsten Sinne des Wortes hin und weg. Und dann bin ich abends völlig unbeleckt in Richtung Altstadt gebummelt und wollte eigentlich nur aufs Meer schauen, weil Meer und ich, das ist ja einfach immer große Glückseligkeit. Und  was soll man sagen, schon die Straßenschilder sind dort ziemlich großartig.

Straßenschilder in Stralsund mit der Aufschrift: Seebad, Hafen, Ozeaneum

Stralsund: Statue mit Fisch und Fischerboote auf dem Strelasund im Abendrot

Aber dann habe ich einen Blick durch ein Stadttor geworfen und bin immer meiner Nase nach gelaufen. Und in den nächsten anderthalb Stunden deutlich häufiger mit dem Rücken zum Strelasund gestanden als umgekehrt. Was soll ich euch sagen: Hammer.

Stadttor zur Altstadt in Stralsund

Dabei habe ich wohl die schönste Ecke der Altstadt in der untergehenden Sonne gar nicht entdeckt. Aber was ich gesehen habe, hat mich total verzaubert. Sooo schön sind die Fassaden der alten Hanse-Kaufmannshäuser. Backsteingotik, an mein Herz.

Zwei Hanse-Kaufmannshäuser in Backsteingotik-Optik in Stralsund

Liebevoll restaurierte Fassade in Stralsund

Blick in die Altstadt von Stralsund

Historische Fassade in Stralsund

Historische Fassaden vom Stralsunder Hafen aus gesehen

Und natürlich auch die Fachwerkhäuser.

Fachwerkhäuser in der Altstadt von Stralsund

Alte Fachwerkhäuser in Stralsund

Fachwerkhaus neben dem Johanniskloster in Stralsund

Und Klosterruinen.

Chor des Johannisklosters in Stralsund

Die Abendstimmung mit den verwaschenen Farben und den warmen blau-rosa-goldenen Tönen tat das ihre dazu.

Stadtsilhouette von Stralsund im Abendlicht

Und dann gab es da jede Menge Schiffe. Also eigentlich vor allem eins. Denn OMG, ohne danach zu suchen, stand ich plötzlich vor der Gorch Fock I. Da brach das kleine Fangirl in mir durch und ich stand ziemlich lange einfach nur da und freute mich. Sehr.

Das Segelboot Gorch Fock I im Hafen von Stralsund

Die Gorch Fock in einer unscharfen Nahaufnahme

Wo ich schonmal da war, habe ich am Ende  des Abends dann aber auch noch ausgiebig aufs Meer geschaut. Hach. <3

Blick auf die Stadtmauer von Stralsund und den Strelasund

Zwei Segelboote mit den Namen Schwerelos und sorglos am Hafen von Stralsund

Segelyacht im Yachthafen von Stralsund

Bemerknisse* in der Vorsaison

Der Lieblingsmensch und ich waren im Urlaub. Yeah. Und mittlerweile ist es ja fast schon Tradition, daher dürft ihr in den nächsten Wochen immer mal wieder daran teilhaben. Ich habe nämlich festgestellt, dass das Aufschreiben der Erinnerungen und das Aussuchen der Fotos mir jedes Mal einen kleinen Urlaubsflash verschafft und somit die Erholung in den Alltag hinein verlängert.Reiher in der Digue von Kerlouan im Abendlicht Ätsch 🙂

Falls ihr davon unwiderstehliche Lust bekommt, auch mal an dieses wunderschöne Fleckchen Erde zu fahren, seid ihr jetzt jedenfalls schonmal vorgewarnt. Strandnelken bei Ebbe an der mit Felsen übersähten Côte des légendes im Finistère

Zum Einstieg in die Erinnerungen (und Aussteig aus dem Urlaub – wie wunderbar, wenn das so großartig zusammenpasst), schreibe ich euch ein paar Bemerknisse* auf. Denn auch wenn wir nun schon zum dritten Mal am selben Fleck waren, entdecken wir immer noch neue Dinge. Es ist ganz erstaunlich.

  • Ende Mai ist es im Finistère um Mitternacht noch nicht dunkel genug, um in Ruhe die Millionen von Sternen zu bewundern, die man in einer Ecke ohne Straßenbeleuchtung im Herbst so wunderbar sehen kann. Sonnenuntergang kurz vor halb elf: großartig!Sonnenuntergang an der Küste bei Kerlouan im Nordfinistère
  • Außerhalb der Saison ist nichts los? Von wegen. Wenn man Glück hat, sitzt an einem ganz gewöhnlichen Samstagnachmittag ein älterer Herr mit Drehleiher unter den Gästen der Auberge de Meneham und schon findet sich eine Gruppe junger, mittelalter und durchaus auch alter Menschen zusammen, die auf dem „Dorfplatz“ zusammen tanzt. Mit den kleinen Fingern eingehakt. Hach.
  • Blühender Ginster ist zwar kein Ersatz für prachtvolle Hortensienblüten, schleicht sich aber ganz unbemerkt mit den Tagen ins Herz und belegt dort vordere Plätze. So schöööön.

Gelb blühender Ginster und Heidekraut an den Hänger der Pointe du Van

  • Die Zeiten von Ebbe und Flut reichen im Finistère nicht aus, um Wattwanderungen richtig zu planen. Fast noch wichtiger ist der Koeffizient, denn seine Höhe gibt vor, wie weit man sich ins Meer hinauswagen kann und wie schnell man wieder umkehren muss. Daher diesmal: Kein Spaziergang zum Phare de l’Île-Vierge.
  • Durchsagen, die man bei der französischen Bahn durchaus hören kann: „Bitte beachten Sie, dass wir unseren Zielort einige Minuten vor der geplanten Ankunftszeit erreichen.“ Sncf, you rock!
  • Moderne Chauffeure von Limousinenservices halten nicht mehr Schilder mit den Namen ihrer Fahrgäste vor sich, sondern Tablets. Bevor man sich dran erinnert, dass man ja zu Fuß weiter will, wünscht man sich ganz kurz, dafür aber inständig, dass der „Comic sans“-Liebhaber nicht uns meint 🙂

Wellen brechen sich an Felsen bei Kerlouan

Wellen brechen sich bei Flut an einem Felsen und spritzen vor dem vom Sonnenuntergang rosa gefärbten Himmel meterhoch

* Das Wort „Bemerknisse“ habe ich sozusagen von Frau Gminggmang adoptiert. Dass man das darf, habe ich unter anderem von Frau Nessy und Herrn Buddenbohm gelernt. Blogsafaris – auch so ein wundervolles Urlaubsvergnügen.