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Bemerknisse in Amiens

Von Grünpflanzen und Blumen überwachsener Kanal im Parc Saint-Pierre in AmiensAmiens liegt ja quasi auf dem Weg, wenn wir in die Bretagne fahren. Trotzdem haben wir bisher nur einmal eine kurze Nacht dort verbracht und nicht viel von der Stadt gesehen. Zeit, das zu ändern. Also haben der Lieblingsmensch und ich ein Wochenende dort verbracht und was soll ich euch sagen: In der Picardie ist es auch schön.

Hier unsere Top 10-Bemerknisse:

  1. Flüsse in Städten sind ja grundsätzlich großartig. Durch Amiens fließt die Somme inklusive mehrerer Nebenarme. Ganz besonders im alten Weber- und Färber-Viertel Saint-Leu kann man stundenlang bummeln, ohne sich länger als drei Minuten vom Wasser zu entfernen. Abends an der Somme zu sitzen und einen Crozes-Hermitage zu trinken, in den Sonnenuntergang zu blinzeln und den kulturbegeisterten Briten am Nachbartisch sowie den über sie lästernden Bedienungen zuzuhören – großartig.
  2. Ganz besonders wundervoll in Amiens sind die Hortillonages, eine Sumpflandschaft direkt angrenzend an die Altstadt. Früher nutzten Gemüsebauern die besonders fruchtbare Landschaft, heute sind nur noch sieben Profis übrig, die restlichen Grundstücke werden von Privatleuten genutzt und mal mehr, mal weniger  prächtig gepflegt. Alle Grunstücke sind nur übers Wasser erreichbar und es ist erstaunlich, was Menschen  alles übers Wasser auf ihre Grundstücke bringen, um es dort schön zu haben. Man kann sich in kleinen, elektrisch betriebenen, nicht-wasser-verschmutzenden, keine-Wellen-produzierenden-und-dadurch-die-Grundstücke-schonenden kleinen Booten durch das Kanalsystem schippern lassen und erfährt vom Bootsführer sowie den fröhlich hinüberrufenden Anwohnern viel über Land und Leute.
    Hortillonages in Amiens - eine Landschaft aus kleinen Kanälen, Flussarmen der Somme, Sumpflandschaften, Inseln und Brücken
    Brücke über einen Seitenarm der Somme in den Hortillonages in Amiens
    amiens-hortillonages-blumen-am-kanal amiens-hortillonages-garten-blumenpracht
  3. In Frankreich sind nicht nur die Märkte großartig. Auch im Hotel ist es ganz selbstverständlich, dass fair gehandleter Kaffee und Tee ausgeschenkt werden, dass die Frühstückseier von freilaufenden Hühnern stammen, dass Obst saisonal angeboten wird und sowohl die Käse- und Wurstplatte als auch die süßen Gebäckstücke sowie ein großer Teil der Marmaladen aus der direkten Nachbarschaft stammen. Das wird nur im Kleingedruckten erwähnt und nicht groß als Werbe-Thema genutzt. <3 <3 <3
  4. Im Pub, in dem wir 2010 die Zusammenfassung des Argentinienspiels, das wir vorher im Autoradio mit französischem Kommentar gehört hatten, angesehen haben, also in diesem Pub direkt hinter der Kathedrale prangt noch immer ein Fußballhut auf der Zapfanlage. Highlights aus aktuellen Bundesligaspielen werden da auch übertragen. Allerdings hat außer uns niemand auf den Bildschirm gesehen. Und wir auch nicht besonders lange (der Ausblick aus dem Fenster ist einfach zu großartig 🙂 )
  5. Auch in Amiens gibt es einen Belfried. Und großartige Uhren. Und andere nette Bauwerke. Da die Innenstadt klein ist, findet man sie quasi alle, wenn man sich ein Wochenende lang zu Fuß durch die Stadt treiben lässt. Wehe Füße kann man wunderbar bei einem Bierchen ausruhen lassen…
  6. … oder im Sommer an einem „Stadtstrand“, an dem es zwar keinen Strand gibt, dafür aber eine Wiese, Springbrunnen, Liegestühle und Sonnenschirmchen, die schon von weitem zum Ausruhen einladen.
    Bunte Sonnenschirme hängen in der Luft und werben für den Stadtstrand von Amiens
  7. Wer in der wirklich wundervollen Kathedrale von Amiens zum Fotografieren die Stufen der Altarinsel erklimmt, wird von einer resoluten ehrenamtlichen Aufpasserin am Ohrläppchen (AM OHRLÄPPCHEN !!!einself!!) heruntergezogen und in mehreren Sprachen darüber belehrt, dass das nicht erwünscht ist. Keine Angst, das haben wir nicht selbst getestet, der ältere asiatische Herr hatte aber für den Rest der Besichtigung ein ziemlich rotes Ohr.
  8. Wir haben in der Kathedrale nicht nur die Maßregelung eines Touristen sehen müssen, sondern auch zwei Typen beim Vögeln erwischt. Genauer gesagt zwei Tauben, die sich auf dem Kopf der ziemlich furchtbaren Barockstatue über der ebenso furchtbar-barocken Kanzel fröhlich der Zeugung neuer Täubchen hingaben. Das Foto zeigt die Triebtäter einige Sekunden später beim Harmlos-Tun.
    Tauben auf der barocken Kanzel in der Kathedrale von Amiens
  9. Wer beim Gehen des Labyrinths in der Kathedrale mogelt, kommt einem einige Schritte später in die falsche Richtung laufend entgegen. Brettspieler wissen: Mogeln lohnt sich eben nicht. 🙂Labyrinth auf dem Boden der Kathedrale in Amiens
  10. Die Kathedrale ist der Hammer. Und das aktuelle „son et lumières“ auch. Aber dazu ein andermal mehr. Hach.
    Das Portal der Kathedrale von Amiens am Abend

Links gegen das Schweigen III

Die Stimmen, die laut sagen, dass Flüchtlinge willkommen sind. Dass diejenigen, die das genauso sehen, sichtbarer werden müssen. Dass es an uns liegt, aktiv zu werden gegen Hass und Rassismus. Diese Stimmen werden mehr. Anja Reschkes Tagesschau-Kommentar habt ihr vermutlich alle schon in euren Timelines gesehen. Es lohnt sich aber, ihn nochmal anzusehen und danach zu handeln:

„Die Hassschreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht toleriert. Wenn man also nicht der Meinung ist, dass alle Flüchtlinge Schmarotzer sind, die verjagt, verbrannt oder vergast werden sollten, dann sollte man das ganz deutlich kundtun. Dagegen halten, Mund aufmachen. Haltung zeigen, öffentlich an den Pranger stellen.“

Und ihr Aufruf bleibt nicht ungehört, immer mehr Menschen schreiben an gegen den Hass. Katja von Mehrsprachig handeln schreibt:

„Es ist Zeit, gegen Fremdenhass, Missgunst und Neid und verbale wie reale Angriffe auf Flüchtlinge den Mund aufzumachen. Längst.“

… und beteiligt sich damit an Texterellas Aktion „Blogger gegen Flüchtlingshass„. Dort sammelt sie informative Links und schreibt:

„Hier geboren zu sein ist keine „Leistung“, die es nun zu verteidigen gilt. Es ist unser Glück, ein großes Glück. Ich bin sehr dankbar dafür, jeden Tag. Und besonders, wenn ich die Zeitung aufschlage. Menschen, die in Afrika, Syrien oder Albanien geboren wurden, haben dieses Glück nicht gehabt. Das Recht auf Glück haben sie aber genauso – wie wir.“

Auch Frau Novemberregen macht sich Gedanken. Über das „Wir“ und wer alles dazugehört:

„Sich mit Fremdem, Fremden, neuen Eindrücken auseinanderzusetzen, bedeutet immer eine gewisse Mühe, da das eigene eingerastete Weltbild etwas angeschubst wird – sieh da, es gibt Menschen, die sehen etwas anders, die feiern andere Feste, die machen Salz statt Zucker an ihre Haferflocken! Aus eigener Erfahrung verstehe ich, dass das verunsichern kann. Ich habe aber kein Verständnis für die, bissig werden, weil sie diese Verunsicherung nicht aushalten können. Wir sind alle nicht mehr die kleinen Babys, die weinen müssen, wenn Mama aufs Klo geht.“

Frau Herzbruch wird konkret und startet eine kleine, aber beglückende Hilfsaktion mit Schultüten:

„also ließ ich mir den geschäftsführer holen, fragte, was mit den übriggebliebenen tüten passierte, er sagte, er wisse es noch nicht, ich beichtete, dass jonathan sie nicht behält sondern ich sie den flüchtlingskindern spenden werde, er sagte, ich solle nicht weiterreden und montag um 7 uhr vorbeikommen und alle verbliebenen tüten abholen. quittung der stadt wolle er gar nicht, mache er auch gerne so.“

Béa erzählt ihre eigene Flucht-Geschichte:

 „Ich war ein Kind, das eine bessere und sichere Zukunft suchte.  Ich habe sie gefunden. Ich habe die Sprache gelernt, Abitur gemacht, studiert, geheiratet, ein Kind bekommen, gearbeitet, Schulen gegründet. Was damals ein Traum schien ist jetzt meine Gegenwart. Wie viele Kinder, deren Eltern für sie eine bessere Zukunft suchen, sind da draußen in den Flüchtlingslagern?“

Meike Lobo beschreibt, dass sie sich schämt, warum und wofür:

„Ich schäme mich für die Nazihetze im Netz, ich schäme mich für eine Politik, die verzweifelte Menschen allenfalls duldet, aber niemals willkommen heißt, ich schäme mich aber auch für alle, die immer noch glauben, das alles habe nichts mit ihnen zu tun. Die glauben, es sei ausreichend, bei der Hetze nicht mitzumachen und die Idioten zu ignorieren. Denn das ist es nicht.“

Und zum Schluss lege ich euch noch diesen Text von von „Kurt Saar-Schnitt“ ans Herz. Wenn ihr neben Anja Reschkes Kommentar nur eine Geschichte lesen wollt, dann diese, in der ihr seine Oma kennenlernt. Und seine Meinung. [Kein Zitat, den Text müsst ihr einfach ganz lesen.]

 

Himbeer-Joghurt-Crème

Der Sommer ist bei mir eher backofenfrei. Vor allem, wenn es so oft so heiß ist wie in diesem Jahr. Mitbringen zu diversen Grilleinladungen will ich aber trotzdem was. Und da alle bei mir immer Desserts bestellen, gab es diesmal eine Himbeer-Crème. Und weil sie so gut ankam und ich nicht jedem das Rezept mailen wollte, schreibe ich es einfach für euch (und für mich zum Wiederfinden 🙂 ) auf.

Himbeer-Joghurt-Crème in einer Glasschale geschichtet

Für die Crème:
500 g Mascarpone
350 g Naturjoghurt
200 g Sahne
100 g Zucker
1 Päckchen Vanillezucker

Für die Himbeer-Schicht:
500 g Himbeeren
50 g Zucker

Mascarpone mit Joghurt und Zucker gut verrühren, Sahne schlagen und unterheben. Himbeeren pürieren, wer will kann sie auch durch ein Sieb passieren, dann mit Zucker verrühren.

Das Ganze schichtweise in kleine Gläser oder eine große Schale füllen, nach Wunsch dekorieren. Guten Appetit!

Links gegen das Schweigen II

Teil zwei dieser Linksammlung.

Nicht mehr schweigen bei Hass und Gewalt. Position beziehen, meine Haltung offen sagen. Aber oft fehlen mir im Moment die Worte. Kann ich gar nicht so schnell analysieren, einordnen, deutlich machen, wie rassistische Äußerungen und Taten mich sprachlos zurücklassen. Anderen gelingt das besser. Daher werde ich euch nun immer wieder Links gegen das Schweigen weitergeben. Wenn ihr auch welche habt: gerne in den Kommentaren.

Wie ausländerfeindliche Äußerungen einzelne Projekte und in der Folge ganze Gemeinschaften und unsere Gesellschaft verändern, erzählt, am Beispiel eines Kaufhauses in Görlitz, dieser lange Text der Krautreporter.

Und in der Zeit geht es noch einmal (fast bin ich versucht zu sagen: endlich) um den Umgang mit Begriffen wie „Asylkritiker“ und „besorgter Bürger“.

Die Maskerade des „Asylkritikers“ ist der Versuch, Ausländerfeindlichkeit zur legitimen Diskursposition zu erheben, eine Position in die Öffentlichkeit einzuführen und ihre Ideologie zu camouflieren. […] Wenn man bei den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ im Zweifelsfall nicht immer bestimmen konnte, wo ihre Mitglieder politisch einzeln stehen mochten, so lässt sich das bei „Asylkritikern“ besser markieren: auf der Seite des Ressentiments und dem Gutheißen von Gewalt, sofern sie nicht selbst welche ausüben.

In der taz gab es bereits im Frühjahr ein bewegendes Multimediadossier zum Thema Flucht. Den Link habe ich damals bei den Herzdamengeschichten gefunden. Und nein, das ist keinesfalls veraltet, das könnt ihr (leider) alles immer noch lesen.

Pro Asyl hat gängige Vorurteile gegen Flüchtlinge in Deutschland zusammengetragen und liefert die passenden Antworten (und die richtigen Informationen) direkt mit. Ein Beispiel:

„Egoisten sagen: »Wir können doch nicht alle Probleme dieser Welt lösen.«
Richtig ist: Wir sind mitverantwortlich für die Bedingungen, die Menschen in die Flucht treiben.“

Mit einem oft bemühten Vorurteil („So schlecht kann es denen ja gar nicht gehen, die haben ja Handys“) und dem, was es bedeutet, nicht mehr zu haben als dieses Handy, mit dem man in Kontakt bleiben kann mit denen, die zurückbleiben mussten, hat sich das Migazin bereits im Juni beschäftigt.

Und einen Überblick über die Lage in Frankfurt und darüber, wie die Kritische Theorie der Frankfurter Schule auf Pegida-Äußerungen angewandt werden kann, gibt dieser Text in der Frankfurter Neuen Presse:

„Ebenfalls an „negative Dialektik“ gemahnt es, wenn auch diejenigen unter den Pegida-Anhängern, die sich selbst als gute Christen darstellen, also der Nächstenliebe verpflichtet sein sollten, von „Wirtschaftsflüchtlingen“ sprechen in einem abfälligem Ton, als handele es sich formaljuristisch um kriminelle Subjekte und nicht um Menschen, die aus armen Gegenden der Welt hierher fliehen. Weil sie auch gerne leben möchten mit all den alltäglichen materiellen und immateriellen Annehmlichkeiten der demokratischen Industrieländer, die so manche kaum noch bewusst wahrnehmen, geschweige denn zu würdigen wissen, sie aber dennoch offenbar nicht mit anderen teilen wollen.“

Um auch dieses Mal mit etwas Hoffnungsvollem zu enden: Zwei Willkommenaktionen zum Mitmachen.

Baguette à la Plötzblog

Da verlinke ich neulich das Plötzblog und moppere rum, dass es hier nirgendwo gutes Baguette gibt. Und was macht der Lieblingsmensch? Backt wundervolles Baguette. Ich habe immer noch lauter kleine Herzchen in den Pupillen. Soooooo großartig.Baguette auf dem Esstisch

Baguette, das wirklich wie welches schmeckt. Mit einer knusprigen Kruste, innen aber trotzdem fluffig und nicht trocken. Das wie Bagutte riecht und genau den richtigen Sound macht, wenn man ein Stück abbricht. Das pur am besten schmeckt, aber auch mit etwas salziger Butter oder Ziegenkäse zum Salat brilliert.Aufgeschnittenes Baguette

Und weil wir kein 1050-er Mehl da hatten und weil der Göttergatte das Spätzlemehl in das Glas mit der Aufschrift Weizenmehl 550 gefüllt hatte aus irgendeinem unbekannten Grund daher ein Teil Instant-Mehl seinen Weg in das Brot gefunden hat, steht die zweite Fuhre – dieses Mal mit korrekter Mehlmischung – bereits zum Gehen im Kühlschrank.

Und so werden wir diese Woche gleich zweimal großartiges, leckeres, echtes Baguette genießen. Hach. <3 <3 <3

Nicht nur „Gegner“

Zurzeit stehe ich oft völlig verständnislos da. Ich kann es nicht fassen, wie schnell Vorurteile und Vorverurteilungen, Rassismus und Hass salonfähig geworden sind. Wie normal es erscheint, dass Flüchtlinge hier in Deutschland nicht willkommen geheißen, sondern abgelehnt und angegriffen werden. Und mindestens genausowenig kann ich begreifen, warum genau diese um sich greifende Gewalt nicht zu einem Aufschrei in unserer Gesellschaft führt.

„Die Zahl der Flüchtlinge schürt natürlich auch Ressentiments“ höre ich da in der Aktuellen Stunde. Natürlich? Wieso ist das natürlich? Ich finde das absolut unnatürlich, dass das Leid von Menschen Ressentiments hervorruft. Und bin konsterniert, dass Journalisten gerade in einer solchen Situation nicht bewusster mit Sprache umgehen.

Ich will nicht mehr schweigen. Ich will klar sagen, dass ich den Hass unerträglich finde. Und daher verlinke ich euch heute hier einige Texte, die ich in den vergangenen Tagen und Wochen zum Thema gelesen und geschätzt habe.

Stefan Niggemeier veröffentlicht auf seinem Blog einen Text von Ulrich Wolf, der zuerst in Communicatio Socialis erschien und der von der Situation bei Pegida-Demonstrationen in Dresden und der Veränderung des gesellschaftlichen Klimas berichtet. Häkelmütze im Pegida-Land:

„Dabei scheuen sich immer weniger Menschen, unter Klarnamen ihre Ressentiments kundzutun: „Hauptsache, der Dreck verschwindet von unseren Straßen. Wie, ist mir mittlerweile egal.“ – „Können wir nicht mal einen Lkw voll mit solchen Fach-Sexkräften im Regierungsviertel abladen?“ „Ich würde dem die Eier so zerschmettern, dass er nie wieder eine Frau anschaut.“ „Schmeißt die Arschlöcher raus aus Deutschland!“ Offenbar gilt nun: Durfte in der DDR kaum jemand sagen, was er denkt, so darf seit Pegida jeder alles sagen, ohne dabei zu denken.“

Nachrichtenmeldungen, in denen von Anschlägen auf Flüchtlinge und Flüchtlingseinrichtungen berichtet wird, verlinke ich euch nicht. Aber diese Karte zeigt eindrücklich, dass es dabei nicht mehr um einzelne Vorkommnisse geht. Wie erschreckend nicht nur jeder einzelne Angriff ist, sondern auch die Dimension.

Und was sagt die Politik? Zum Beispiel unser Innenminister? Nichts. Rein gar nichts:

„Nichts zu sagen spricht Bände. Es bedeutet, dass er sich als Innenminister nicht zuständig fühlt für die Sicherheit von Flüchtlingen. Obwohl es sich bei ihnen um Menschen handelt. Er, der nicht müde wird, vor dem islamistischen Terror zu warnen und sich in einer Tour solidarisch zeigt mit Tunesien, Frankreich oder anderen Orten, an denen Islamisten Attentate verüben. Wenn aber bei ihm zu Hause die in Deutschland lebenden Menschen akut bedroht werden, schweigt er.“

Andere versuchen, Worte zu finden. Den Menschen, die Angst haben, mit Argumenten zu antworten. Caroline Mohr zum Beispiel. Ihr Antwort an eine „besorgte Bürgerin“ ist lesenwert bis zum Schluss.

Auch und gerade weil ich voll unterschreibe, was Raul Krathausen über „besorgte Bürger“ sagt:

Es gibt nur drei Sachen, die schlimmer sind, als Nazis vor Flüchtlingsheimen: Verantwortliche, Medien und Politiker, die Verständnis für die sog. „besorgten Bürger“ haben. Alleine das Wort „besorgte Bürger“ ist eine furchtbare Verharmlosung. Wir sollten wegen der Nazis besorgte Bürger sein, nicht wegen der Hilfesuchenden!!!11elf!

Und nicht nur dieser Begroff ist verharmlosend. Sascha Lobo hat das in den vergangenen Worten mehrfach deutlich aufgezeigt. Hier zum Beispiel:

Diese neo-nationalistische Anbiederung wird begleitet von einem medialen Appeasement. In vielen redaktionellen Medien ist bezogen auf Freital von „Asylgegnern“ die Rede. „Asylgegner“ aber ist hier ein gefährlicher Euphemismus, eine Verharmlosung rassistischer Gewalt.

Und hier nocheinmal: Attacken auf Flüchtlingsheime: Nennt sie endlich Terroristen!

Auch Maximilian Popp benennt die Attacken (auch auf SPON) als das, was sie sind: Terrorismus.

Und plötzlich kann sogar eine bekennende Til-Schweiger-Ignorantin wie ich diesen Text unterschreiben. Lest übrigens auch unbedingt die dort verlinkten klugen Texte rund um Reem und #merkelstreichelt.

Um dem allem zum Schluss noch eine andere Perspektive entgegenzusetzen, empfehle ich euch dieses Tumblr von Martin Gommel. Er portraitiert dort Flüchtlinge. In Deutschland. Im Kosovo. Schaut euch die Fotos an. Lasst sie auf euch wirken. Und überlegt dabei, ob die Worte „nur ein Wirtschaftsflüchtling“ für euch eine andere Bedeutung bekommen.

 

Einkaufen wie Gott in Frankreich – Teil 2

Wochenende, üsseliges Wetter (aka Sturm, so dass man nicht mal die schwüle Luft ordentlich rauswehen lassen kann). Und einkaufen waren wir auch. Gegen den Doofe-Sachen-Overkill hilt – eine Urlaubserinnerng (ja, da müsst ihr jetzt durch).

Einer der ersten Eindrücke, wenn wir in Frankreich sind, ist jedes Mal wieder die Auswahl beim Einkaufen. Was mich am meisten beeindruckt ist dabei gar nicht die Quantität, sondern die Qualität der Produkte. Schon Dinge, die in Frankreich als durchschnittlich gelten, sind oft besser als das, was man in Deutschland als Qualitätsprodukt angepriesen bekommt.

Der einfachste Coulommier schmeckt vielfältiger als jeder hochklassige „Weichkäse“ in deutschen Regalen. In der Frischetheke gibt es Blätterteigtaschen zum gleich essen oder aufbacken. Da steht aber nichts von künstlichen Inhaltsstoffen, sondern mehr von frischen Kräutern und frischem Gemüse, verbunden mit dem Hinweis, man solle die kleinen Teilchen maximal zwei Tage aufheben (länger muss man ja auch nicht – es gibt ja jeden Tag frischen Nachschub).

Und das ist nur das Angebot im Supermarkt. Von den köstlichen Brathähnchen (Bio, freilaufend, was denn sonst) habe ich euch ja schon letztes Jahr erzählt. Auf dem Wochenmarkt (der außerhalb der Saison – und Ende Mai bis Mitte Juni ist an der Côte des légendes außerhalb der Saison – aus nur 5 Ständen besteht und im Prinzip einzig und allein auf die Bedürfnisse der Einheimischen ausgerichtet ist) gibt es beim Gemüsehändler krumme und schiefe, dafür aber super aromatische „tomates d’autrefois“, Tomaten wie früher, aus dem Nachbarort und Artischocken, die so groß sind, dass man damit eine ganze Familie verköstigen kann. Die wachsen hier so, das haben wir im Garten der Nachbarn gesehen.

Selbstverständlich kann man die kleinen Melonen (auch aus der Region – in der Bretagne gedeihen schließlich auch Palmen ganz ausgezeichnet) vorher probieren und bekommt zu den Radieschen, die in allen Farben zwischen gelb, weiß und rot strahlen, Tipps, welche wie schmecken und wozu sie am besten passen (nur die kallroten sind erst frisch und dann scharf und passen gut zu Ziegenfrischkäse, die anderen sind unterschiedlich mild und unterschiedlich knackig und super in Salaten oder zu frischer pâté mit mildem Senf).

Bund Radieschen in gelb, weiß, rosa, rot und violett

Beim Bäcker gibt es Baguette, das diesen Namen auch verdient. Egal ob klassisch oder traditionell (mit Sauerteig und Roggenmehl), es schmeckt einfach wunderbar. Genauso wie die selbstgebackenen Palets, die petits fours und natürlich die Croissants.

Dabei frage ich mich jedes Mal wieder, warum deutsche Bäcker einfach keine Croissants hinkriegen. Die Rezepte sind doch bekannt und die richtigen Werkzeuge gibt es doch auch. Warum also schmecken Croissants in Deutschland entweder wie Pappe oder wie mit Butter zusammengepresste Krümelwüsten? Und was ist so schwierig daran, echte Baguettes zu backen? Französische Bäcker und Fabriken haben doch keine geheimen Wunderzutaten, die niemand kennt und die es nirgends sonst zu kaufen gäbe. (Immerhin kriege ich ja zu Hause selbst Baguettes hin, die den Namen auch verdienen und nicht zuletzt der Plötzblog zeigt, dass das auch kein Hexenwerk sein muss, wohl aber sein kann 🙂 ).

Letzte Amtshandlung jedes Frankreichaufenthalts (vor der obligatorischen letzten langen Unterhaltung mit dem Meer und dem Wind) ist daher unbedingt das Einkaufen.

Protipp: Besorgt euch eine gute Kühltasche. Spätestens beim Auspacken und dem ersten, improvisierten Essen nach der Rückkehr hat das Ding sich tausendfach bezahlt gemacht.

tl; dr:
Einkaufen in Frankreich ist himmlich. Deutsche Bäcker können vieles gut, aber weder Croissants noch Baguettes. Eine Kühltasche ist ein wichtiges Stück Reisegepäck. Aus Gründen.

Catanshop: Verpackungskünstler unter sich

Mitte der Woche hatten wir eine Benachrichtigung von DPD im Briefkasten, dass sie uns ein Paket zustellen wollten. Seltsam, wir hatten gar nichts bestellt – außer sechs Spielkarten. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Dazu muss ich ein wenig ausholen:Sehr großer Versandkarton vor dem Spieleregal in unserem Wohnzimmer

In letzter Zeit siedeln der Lieblingsmensch und ich gerne mal wieder. Allerdings kann sich in unserem Freundeskreis kaum noch jemand dafür begeistern. Es ist ja so: Wie durch ein Wunder haben in diesem Haushalt zwei Personen zusammengefunden, die früher™ durchaus gerne Die Siedler von Catan gespielt, das aber nicht so exzessiv betrieben haben, dass wir es jetzt für alle Zeiten über hätten.

Also haben wir uns das Kartenspiel für zwei gekauft und sammeln nun um die Wette Rohstoffe, Gebäude und Punkte. Jetzt gibt es neben dem Spiel und den Erweiterungen auch noch Sonderkarten. Und um dem Lieblingsmenschen eine Freude zu machen, sollten diese Karten natürlich auch noch hier einziehen. Sechs Stück sind es insgesamt und da dachten wir ja, dass ein kleiner Umschlag reichen sollte, um die zu verschicken. Aber vermutlich ist das zu einfach gedacht. Heute gab es nämlich einen zweiten Zustellversuch des ominösen Päckchens. Es war überraschend groß, aber unglaublich leicht. Darin enthalten: Eine Lage Luftpolsterfolie. Noch eine Lage Luftpolsterfolie.Geöffneter Catan-Karton mit zwei großen Lagen Luftpolsterfolie

Und dann, auf dem Boden des Kartons, tatatataaaa: die sechs Karten. Jede einzeln in eine Tüte gesteckt.Die sechs Karten in ihren Tüten auf den Luftpolsterfolien

Hallo Catanshop? Habt ihr Langeweile? Oder habt ihr bei der Hitze letzte Woche alle Briefumschläge als Fächer genutzt und noch keinen Nachschub bekommen?

Andererseits: Versand und Bearbeitung kosten 4,90 Euro. Dafür kann man sich durchaus etwas mehr Mühe geben. Und den Kunden einen Versandkarton zum Wiederverwsenden schenken. Allerdings kann ich erst überlegen, wer das nächste Päckchen bekommt, wenn ich mit Kopfschütteln fertig bin.

Ukraine: Gastfreundschaft und Suche nach Hoffnung

„Sie kennen mich vom Boxen. Da gibt es maximal zwölf Runden.“ Sagt der Oberbürgermeister von Kiew. „Wie viele Runden wir jetzt schon hinter uns haben. Ich weiß es nicht. Wie viele noch kommen. Ich weiß es nicht. Es fühlt sich mehr an wie ein Marathonlauf und es ist egal, wie stark ich bin. Nur gemeinsam können wir die Aufgabe meistern.“ Vitali Klitschko sieht müde aus.Vitali Klitschko vor einem Mikrofon im kiewer Rathaus bei einem Gespräch mit Journalisten und dem ASB

Die Aufgabe, von der er spricht, ist die Versorgung der 1,3 Millionen Binnenvertriebenen von der Krim und aus dem Osten der Ukraine. 170.000 Menschen sind es in der Hauptstadt Kiew. Doch mehr noch als die rein materielle Versorgung gilt es, den Menschen, von denen viele im wahrsten Sinne des Wortes alles verloren haben, Hoffnung zu geben. Hoffnung darauf, dass sie eine Zukunft haben. Dass sie mehr finden als nur ein Dach über dem Kopf. Dass es Menschen gibt, die für sie da sind. Dass das Leben lebenswert bleibt. Hoffnung auf Frieden.Zwei Helferinnen des Kiewer Samariterbundes mit einer Tüte volle Hilfsgüter

Menschen wie Marina. Eine Mutter aus dem Donbas, die mit ihren kleinen Kindern vor den ständigen Scharmützeln, vor Angriffen und Kämpfen, vor Unsicherheit und Angst nach Kiew floh. Die dort eine kleine Wohnung mieten konnte, so dass ihre kleine Familie sich sicher fühlen kann. Und die nicht tatenlos herumsitzen wollte. Sie erfuhr, dass die Kiewer Samariter Vertriebenen helfen, die nicht alleine überleben können. Sie fuhr an den Rand der Stadt in die Lagerräume, in denen Freiwillige jeden Monat 1.500 Tüten mit Lebensmitteln packen und fragte, wie sie helfen kann. Marina bekam eine gelbe Schürze und packte mit an. Verteilte Nudeln und Konserven, Öl und Reis und Seife in Pakete und Tüten. Im Hintergrund. Hundertfach. Tausendfach.Auf einem Tisch ist der Inhalt einer Hilfsgütertüte aufgebaut

Unsichtbar und doch unersetzlich. Mittlerweile ist sie beim Kiewer Samariterbund beschäftigt und koordiniert die Logistik der Lebensmittelhilfe. „Ein dünner Besen zerbricht, wenn man zu stark damit kehrt“, sagt Marina. „Daher arbeiten wir hier alle zusammen, um den Stiel des Besens stark und fest zu machen, damit er lange hält und wir noch vielen Familien helfen können.“Die blau-gelbe-Flagge der Ukraine weht über dem Maidan in Kiew

In den vergangenen Tagen war ich dienstlich in der Ukraine unterwegs. Genauer gesagt in Kiew und Charkiw. Ich erzähle euch sicher in der nächsten Zeit noch mehr davon. Falls ihr helfen wollt, klickt hier.