Archiv der Kategorie: Bretagne

Kreatives Landerneau

An manchen unserer Urlaubstage waren wir nicht den ganzen Tag am Meer und auf den Klippen. Erstaunlicherweise haben wir letztes Mal keine Stadt von innen gesehen. Das haben wir diesmal nachgeholt und waren unter anderem in Landerneau. Schön ist es da.

Blick in eine Straße mit vielen alten Stein- und Fachwerkhäusern, am Szraßenrand der gepflasterten Fußgängerzone stehen BlumenkübelEinige Häuser auf der bebauten und bewohnten BrückeMit vielen Granitfiguren verziertes Portal der Kirche Saint-Houardon in LanderneauWas uns aber besonders begeistert hat, ist die Kreativität der Straßenkünstler.

Auch großartig: Die Geschichte der Redewendung „Cela va faire du bruit dans Landerneau“, die ich zwar kannte, von der ich aber nicht wirklich etwas wusste.

Und natürlich gibt es zum berühmten Mond von Landerneau nicht nur eine Geschichte

Auf der Fasse des Maosin des 13 lunes in Landerneau sind Monde eingeprägtDa es in Landerneau im Buchladen auch Brettspiele gab, konnten wir uns nur schwer wieder losreißen. Wir kommen wieder (und freuen uns bis dahin daran, dass es den Mon nicht nur in Landerneau gibt 🙂 )

Vor sonnenuntergangsrosa-orangenen Wolken geht die weiße Mondsichel auf

Mirabellenkuchen à la bretonne

In unserem wundervollen weinroten Ferienhäuschen gab es nicht nur ein gemütliches Lesesofa (es war erst Mittwoch und das erste Buch schon ausgelesen #hach), sondern auch eine kleine Küche mit einer überlebenswichtigen Crèpes- Galettespfanne, den wichtigsten Backutensilien und vor allem mit einem großen Backofen. Ein Backofen auf Augenhöhe ist ja an und für sich schon ein Traum. Außerdem hat er so viele verschiedene Knöpfe und Rädchen und Funktionen, dass ich vermutlich noch Jahrzehnte lang immer wieder hinfahren muss, um alle auszuprobieren. #nochmalhach

Der Mirabellenkuchen mit Mürbteig und Nussstreuseln von obenBeim Einkaufen lachten uns schon seit Tagen immer wieder gelb-orange-rote Mirabellen dermaßen verführerisch an und dufteten dabei so unverschämt lecker, dass wir irgendwann nicht mehr widerstehen konnten. Und so habe ich an einem nass-grauen Morgen dem Regen eine lange Nase gedreht, mich hier inspirieren lassen und aus

250 g Mehl
125 g Butter
90 g Zucker
50 g gemahlenen Nüssen
1 Ei

einen Mürbeteig gemacht, kurz kalt werden lassen, in eine großartige beschichtete Backform gepackt, mit einem halben Kilo Mirabellen (das Entsteinen hilft super gegen Regenmelancholie) belegt, mit Streuseln aus

Mirabellenkuchen im Anschnitt40 g Zucker
70 g Mehl
100 g gemahlenen Haselnüssen
60 g Butter

bestreut und dann bei 175°C eine dreiviertel Stunde im Ofen verschwinden lassen.

Und was soll ich euch sagen: Kaum hatten wir das erste Stückchen Mirabellenkuchen vertilgt, kam die Sonne raus. Bretonisches Wetter und ich, wir sind so.

PS: Es gab überraschenderweise auch noch einen zweiten grauen Vormittag. Da habe ich das ganz ähnlich mit gelben Pflaumen wiederholt. Hmmmmm…..
Kuchenstück des Pflaumenkuchens mit gelben PflaumenHat übrigens wieder geklappt mit dem guten Wetter. Wenn alle Sonnenfreunde sich das also bitte dauerhaft abspeichern wollen?

Foto des Kuchens beim Auskühlen in einer roten Springform

Conteurs de la nuit: An der Küste der Legenden

Hatte ich erwähnt, dass ich Märchen mag? Okay, das ist wohl eher eine rethorische Frage. Auch der Lieblingsmensch ist fantastischen Geschichten nicht abgeneigt und so klingt es irgendwie nur folgerichtig, dass wir uns ausgerechnet in die Côte des légendes, die Küste der Legenden, verliebt haben.

Hinweisschild für Wanderer mit der Aufschrift Pays de Lesneven, Côte des légendesHier gibt es quasi zu jedem Stein und jeder Kapelle, zu allen Brunnen und Wegkreuzen, zu Gebäuden, Brücken und Feldern, also quasi zu allem und noch viel mehr, mindestens eine Legende. Hier leben Korrigans (eigentlich bevorzugen sie die Wälder, aber in den vergangenen Jahren sollen sie immer öfter auch an der Küste gesehen worden sein), Feen und Meerjungfrauen. Hier treiben der Teufel und Ankou, der Tod, der mit der Kutsche fährt, ihr Unwesen. Hier haben sowohl mehr oder weniger anerkannte Heilige als auch verrückte Außenseiter die erstaunlichsten Wunder gewirkt und natürlich helfen sie auch weiterhin gegen alle möglichen und unmöglichen Krankheiten. Wenn man denn weiß, was man tun muss, um ihre Gunst zu gewinnen.

In einer kleinen Kapelle können zum Beispiel Kinder von Ohrenentzündungen geheilt werden, wenn ihre Eltern ein T-Shirt im Brunnen vor der Kapelle tränken und vor dem Altar ablegen. Natürlich wird nicht vergessen zu erwähnen, dass eine Heilung umso wahrscheinlicher wird, je größer die Münze ist, die die besorgten Eltern in das nasse Hemdchen wickeln.

Um Geschichten eines anderen Kalibers, nämlich um „echte“ Legenden, geht es, wenn die Conteurs de la nuit unterwegs sind. Marie-Pierre und Joël sind zwei Ehrenamtliche, die die jahrhundertealte Tradition der Erzähler wach halten. Und wie.

Joel und Marie-Pierre auf den Klippen vor Kerlouan, beide tragen dunkelblaue Mäntel und schwarze Hüte, die Kleidung der ConteursJeden Sommermontag-Abend spazieren sie mit begeistert lauschenden großen und kleinen Geschichtenfreunden über Dünen und Strand und erzählen Geschichten, die sich dort, und zwar genau dort, zugetragen haben. Mit dem Rauschen des Meers als musikalischer Untermalung und unschlagbarer Kulisse lassen sie alte Zeiten wieder lebendig werden. Allein mit ihren Stimmen, Händen und Augen versetzen sie ihr staunendes Publikum zurück in die Zeit, als die Feen noch in der Bucht von Kerlouan baden gingen und präsentieren bisher unbekannte, aber völlig überzeugende Erklärungen dafür, warum das einst so süße Wasser des Meeres irgendwann salzig geworden ist. Auch mutige Fischer und Meerjungfrauen dürfen nicht fehlen.

Die beiden Erzähler machen große Gesten, während sie die Geschichte eines Korrigans erzählenIch empfand eine kindliche Freude an den Erzählungen. Und ganz besonders an der alten Kunst des Erzählens. Es war, als schwängen rauchgetränkte Winterabende an bretonischen Feuern bei jeder Legende mit. Als würden mit jedem Satz Erinnerungen an Geschichten erzählende Großväter in Lehnstühlen und märchen-weise Großmütter in der guten Stube wieder lebendig. Als lockten die Worte Fabelwesen aus ihren alten Verstecken, damit sie uns ihre Geheimnisse verraten.

Marie-Pierre erzählt ein MärchenSo erzählt, bestehen die Geschichten aus viel mehr als nur den dazugehörigen Wörtern. Sie bringen Gerüche mit und Klänge und eine Ahnung von Honigwein und verbrannten Algen. So erzählt, sind Legenden mehr als Zeitvertreib; sie werden zum Hauch der Geschichte, vermitteln eine Ahnung des Lebens der Menschen an dieser Küste, geben Anteil an jahrhundertealten Träumen, Ängsten und Sehnsüchten.

Joel erzählt eine LegendeNatürlich beginnt der Abend mit einer Vorwarnung, denn wer sich ins Land der Abenteuer begibt, kommt nicht ohne Risiko aus. Aber mit solchen Führern an der Seite braucht man den Besuch bei den Fabelwesen nicht zu fürchten. Und auch nicht die Zeitreise in die Geschichte. Denn zum Abschluss des Abends führen die Conteurs ihre legendenhungrige Truppe im Schein der Laternen in eine alte, romantische Granitkapelle und erzählen – immer im Wechsel aus der Perspektive der Seeleute und aus der Sicht der halbverhungerten Strandräuber an der Küste – die Geschichte des Untergangs eines Lastkahns voll beladen mit Calvadosfässern. Nicht nur, wenn man sich vorher das Museum zum Untergang der „Indian“ im benachbarten Meneham angesehen hat, geht man mit einer dicken Gänsehaut nach Hause.

Il était une fois…cont

Yann und die Meerjungfrau

Es war einmal ein junger Fischer, der hieß Yann. Er wohnte gleich um die Ecke, in einem kleinen Häuschen hinter dem Deich. Yann hatte hart gearbeitet und konnte nun endlich ein altes Fischerboot sein eigen nennen. Es war nicht groß, aber er konnte damit gut seinen Lebensunterhalt verdienen. Auch sein Nachbar fuhr oft mit ihm zum Fischen hinaus. Gemeinsam warfen sie die Netze aus, hofften auf reichen Fang und erzählten sich dabei so einiges über ihr Leben und ihre Träume.

Blick in die Bucht, im Hintergrund fährt ein Segelboot an den großen, markanten Felsen vorbei

Wie sie eines Morgens zurück in die Bucht fuhren – die Sonne war gerade aufgegangen und erleuchtete der Strand und die Felsen – da sahen sie ein ungewöhnliches Funkeln. Sie hörten auf zu rudern und ließen sich vorsichtig um die nächste Felsformation herumtreiben, um der Quelle des Funkelns auf die Spur zu kommen.

Je näher sie kamen, desto deutlicher hörten sie ein Plätschern. Nicht so, wie die Wellen es verursachen, wenn sie an den Steinen brechen. Sondern eher so, wie wenn ein großer Fisch mit seiner Flosse schlägt. Ganz behutsam steuerten Yann und sein Nachbar das Boot um die Felsen herum und da sahen sie sie: eine Meerjungfrau.

„Welch ein Wunder“, flüsterte Yann. Denn er wusste genau, dass Meerjungfrauen normalerweise alles dafür tun, dass niemand sie sieht. Schon oft hatte er die Augen offen gehalten, um eine der legendären Damen zu sehen, und so manches Mal hatte er gedacht, einen Schatten eines silberglänzenden Fischschwanzes unter der Wasseroberfläche zu erahnen. Aber bisher hatte er noch nie das Glück gehabt, eine wirkliche Meerjungfrau mit eigenen Augen zu sehen.

Sie hatte ihren Kopf mit den langen blonden Haaren auf einen von den ersten Sonnenstrahlen erwärmten Felsen gelegt, die Augen geschlossen und ließ  ihren Fischschwanz entspannt in der Bucht treiben. „Das ist unsere Chance“, flüsterte Yanns Nachbar. Und bevor die Meerjungfrau wusste, wie ihr geschah, hatte der Fischer sie an ihren langen Haaren gepackt und mit einem großen Schwung ins Boot gezogen.

Entsetzt fing die blonde Schönheit an, mit ihrer Schwanzflosse zu schlagen, aber die beiden jungen Männer hielten sie ganz fest. „Bitte lasst mich frei“, flehte die schöne Meerjungfrau. „Wenn ich zu lange nicht im Wasser bin, muss ich sterben.“ Da bekam Yann Mitleid mit der schönen Fremden und wollte sie wieder freilassen. Sein Nachbar aber wollte nicht nachgeben. „Das ist unsere Chance, reich und berühmt zu werden. Stell dir doch nur mal vor, was die Leute im Dorf für Augen machen, wenn wir dieses Fabelwesen leibhaftig auf den Marktplatz schleppen.“

Da fing die Meerjungfrau an zu weinen. „Bitte, ich will noch nicht sterben. Lasst mich doch frei. Bitte. Es soll euer Schaden nicht sein.“ Doch der Nachbar lachte nur und sagte: „Verstehst du denn nicht, dass keiner uns glaubt, wenn wir dich nicht mitbringen?“ Doch Yann konnte die Tränen der Meerjungfrau nicht länger mitansehen und bot seinem Nachbarn erst sein ganzes Bargeld, dann sein Boot gegen die Freiheit für das Mädchen mit dem Fischschwanz. Als das immer noch nicht reiche, gab er seinem Nachbarn auch sein Haus und sein Grundstück. Und endlich ließ der Nachbar die Meerjungfrau frei. Sie tauchte sofort unter. Doch bevor sie ganz verschwand, überreichte sie Yann eine kleine Muschelflöte.

Der Nachbar, immer noch verärgert, stieß Yann aus dem Boot, das ja nun seins war, und fauchte: „Lass dich hier nie wieder blicken, du Feigling.“ Und so schwamm der unglückliche Jüngling ans Ufer und machte sich auf und davon. Im Hafen von Brest verdingte er sich als Matrose und war schon bald so geachtet, dass man ihm die Verantwortung für ein großes Schiff übertrug. Doch nachdem er einige Monate sorgenfrei zur See gefahren war, kam sein Schiff in einen großen Sturm. Die Mannschaft kämpfte Stunde um Stunde, doch am Ende mussten sie das völlig leck geschlagene Schiff aufgeben. Mit letzter Kraft konnten sich Yann und seine Männer auf eine kleine, unbewohnte Felseninsel retten. Um seine Mannschaft zu trösten und die Wartezeit bis zum Ende des Sturms und ihrer Rettung zu verkürzen, spielte Yann auf seiner Muschelflöte, die er seit dem Tag, an dem er sein Zuhause verloren hatte, immer bei sich trug.

Kaum hatte er die ersten unbeholfenen Töne gespielt, da glitzerte es plötzlich vor ihm im Wasser. Die Meerjungfrau, der er das Leben gerettet hatte, steckte den Kopf aus den Wellen und lächelte ihn schüchtern an: „Du hast mich gerettet. Nun möchte ich dich retten. Sag, was kann ich tun?“ Yann überlegte nicht lange: „Ich fürchte, du kannst uns nicht helfen, denn unser Schiff ist zerborsten und unser gesamter Fang verloren. Wir wären schon froh, wenn wir unser Leben retten und wieder ans Ufer gelangen könnten.“ Die Meerjungfrau lächelte vergnügt: „Lass mich nur machen.“ Sie tauchte davon und nur Minuten später tauchte sie mit einem größeren, moderneren Schiff wieder auf. Der Bauch des Kahns war bis zum Rand gefüllt mit großen Fischen und frischen Hummern. „Keine Sorge, mit diesem Boot kommt ihr sicher durch den Sturm zum Hafen“ flüsterte die Meerjungfrau Yann ins Ohr. Und so geschah es.

Ein Boot mit von Wind, Sand und Sonne braun gefärbten Segeln auf dem WasserIn den kommenden Wochen sah Yann seine Freundin jedes Mal, wenn er mit seinem neuen Boot hinausfuhr. Und immer fing er die meisten Fische. Viele junge Frauen in Brest wollten den erfolgreichen Seemann gerne freien. Doch Yann lehnte jedes Mal ab. Sein Herz hatte er doch schon verschenkt.

An einem sonnigen Frühlingstag, als Yann im Hafen ganz alleine das Deck schrubbte, sprang seine Meerjungfrau zu ihm an Bord. Sie schauten sich lange in die Augen und als Yann den Blick wieder lösen konnte, sah er, dass aus der schillernden Meerjungfrau ein hübsches Mädchen geworden war. Und dann…

Was dann passierte, wollt ihr wissen?

Natürlich haben die beiden geheiratet, mit einem großen Fest und einem Festmahl voller Fische und Flötenmusik. Und sie lebten glücklich, alle Tage ihres Lebens.

Glücksmomente am Meer

Ich war ein paar Wochen am Meer. Ist euch vielleicht aufgefallen. Jetzt bin ich wieder da, voller wunderbarer Erinnerungen. An ein paar davon dürft ihr hier in den nächsten Tagen teilhaben. Aber zurück zum Meer.

Am Meer zu sein macht mich zuverlässig glücklich. Allein schon die Vorfreude darauf ist jedes Mal schön. Der erste Blick aus dem Fenster auf dem Weg zu Meer – ein Glücksmoment. Zuverlässig. Jedes Mal. Dieses Mal wurde dieser Moment sogar – unfreiwillig – auf eine Stunde ausgedehnt. Die Pont de Normandie ist nicht der schlechteste Ort für einen Stau (okay, sie überquert „nur“ die Seine, aber wenn man sich Zentimeter für Zentimeter drüber schiebt, kann man ausführlich diskutieren, wo genau die Seine aufhört und das Meer anfängt. Und genießen. Natürlich).

Blick auf die Bucht, im Vordergrund das Gras der Dünen, im Hintergrund einige große Felsen, dazwischen ein kleiner Naturhafen mit einigen kleinen Booten

Nein, das ist nicht die Pont de Normandie. Aber das Meer. Natürlich.

Aber dann da zu sein. Am Meer. Ganz in echt.
Schon auf dem Spaziergang vom Ferienhäuschen zum Strand schleicht sich ein Dauerlächeln auf meine Lippen und in die Augen. Die letzten Meter hinauf auf den Deich, wenn ich das Plätschern und Rauschen schon hören, das Salz in der Luft schon auf den Lippen schmecken kann. Und dann der erste Blick auf die Wellen, den Sand. Die plötzliche Weite innen und außen. Das erste bewusste Ein- und wieder Ausatmen. Die paradoxe Gleichzeitigkeit des Gefühls von Freiheit und Angekommen sein, völliger Entfernung und totalem Da-Sein, von Magie und Realität.

Hohe Wellen, die sich mit großem Spritzen an einem Felsen brechen im orangenen Licht des SonnenuntergangsLäuft das Wasser gerade auf oder ab? War der Koeffizient der letzten Flut hoch? Gibt es viele Algen? Liegen wenige oder viele Boote im kleinen Naturhafen in der Bucht? All das kommt erst später. Im ersten Moment zählt nur das Meer. Wie die Wellen sich sanft am Strand brechen, die Felsen umspielen, sich im Wind kräuseln. Die Horden von Strandläufern, einzelne, sich nachjagende Möwen. Die Sonne, die sich in den Wellen spiegelt, die Form der Wolken, die am Horizont aufziehen. Das erste Zwinkern des Leuchtturms und des Semaphors am einen und anderen Ende der Bucht.

Muss ich erwähnen, dass das Wetter überhaupt keine Rolle spielt für diesen Effekt? Tut es nicht. Tut es nie. Dass das Meer uns in diesem Jahr mit strahlendem Sonnenschein und quasi Windstille empfing, haben wir ihm trotzdem nicht übel genommen. Den plötzlichen Regenschauer auf den Klippen ein paar Kilometer weiter am nächsten Tag aber auch nicht.

Blick auf die "Cote rocheuse" bei grauem Himmel und leichtem Nieselregen

 

Totentanz von Kermaria und Temple von Lanleff

Die unscheinbare granitene Außenfassade mit kleinem TurmAn der Nordküste der Bretagne, in der Bucht von Saint-Brieuc, liegt das kleine Städtchen Plouha. Das Städtchen selbst ist nicht wirklich außergewöhnlich, aber die beiden Bretagne-Tipps, die es heute für euch gibt, sind noch kleiner. Damit ihr eine Orientierung habt, wohin ich euch heute mitnehme, ist Plouha also ein guter Ausgangspunkt. Falls ihr Superlative mögt, könnt ihr dort die höchsten Klippen der Bretagne bewundern (104 Meter).

Kermaria an Iskuit

Vor allem aber solltet ihr den Wegweisern nach Kermaria folgen. Denn hinter den schlichten Mauern der Granitkirche „Kermaria an Iskuit“ (in etwa: Maria, die aus der Not rettet) verbergen sich echte Schätze.

Zum einen gibt es da einen wirklich faszinierenden Totentanz vom Ende des 15. Jahrhunderts. Dieser „dance macabre“ zeigt den Tod, der Menschen aller Stände in einem langen Tanz mit sich nimmt. Man sieht einen König, einen Bischof und einen Abt, einen Feldherrn und einen Ritter mit Knappen, einen Arzt, aber auch Frauen, Musiker, Bettler, Verliebte,… die uns zeigen sollen: Im Tod sind wir alle gleich.

Totentanz

Das Fresko besteht aus mehr als 40 Bildern und jedes einzelne ist beeindruckend. Man kann eine halbe Ewigkeit staunend mit dem Kopf im Nacken verbringen.

Ausschnitt des Freskos aus dem Totentanz von KermariaAber auch der Rest der Ausstattung kann sich sehen lassen. Es gibt eine ganze Reihe einfache, typische bretonische Holzstatuen aus der Romanik. Und dann ist da noch eine schöne stillende Madonna. Außerdem gibt es einige schöne Aposteldarstellungen am Eingang.

Marienstatue mit Jesuskind auf dem linken Arm, mit der rechten Hand holt die Gottesmutter ihre Brust aus dem MiederHolzstatue eines Mönchs 4 bemalte lebensgroße Steinstatuen

 

Wenn ihr schon da seid: Ein paar Kilometer weiter gibt es den Temple von Lanleff, die Ruine einer großen Rundkirche, die kurz nach der ersten Jahrtausendwende gebaut wurde.

Die Ruine der Rundkirche von außenBild von innen mit Säulenbögen und Blick in den Himmel

Der Menhir von Saint-Uzec

Gesamtansicht des MenhirsDa ich immer noch hier bin und nicht im Urlaub, bekommt ihr heute wieder einen schönen Ort der Bretagne gezeigt: Den Menhir von Saint-Uzec.

An Menhiren und anderen Zeugnissen der Megalithkultur kommt in der Bretagne keiner vorbei. Ein besonders bekannter ist der große Menhir in der Nähe von Trébeurden (Côtes d’Armores). Gerade im Sommer muss man die Augen wirklich offen halten, um die Wegweiser nicht zu verpassen, denn viele sind von wucherndem Grün und bunten Blümchen gut verdeckt.

Wenn man dann aber hinter dem Dörfchen Pleumeur-Boudou richtig abgebogen ist, kann man den Stein eigentlich kaum verfehlen, denn er ist so groß, dass man ihn schon von weitem bewundern kann.

Der Menhir ist so groß, dass man ihn über Büschen und Bäumen herausragen siehtDer etwa acht Meter hohe und gut drei Meter breite Stein ist vermutlich etwa 4.500 Jahre alt. Das Kreuz, die Darstellung von Sonne, Mond und Sternen sowie die Anbetungsszenen und die Leidenswerkzeuge Christi hat ihm ein bretonischer Jesuit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verpasst. Julien Maunier war Orthograf und ein umtriebiger Werbefachmann für die Sache der Kirche.

Detailaufnahme der christianisierten Spitze des Menhirs von Saint-UzecNatürlich sind auch mit diesem Menhir eine ganze Menge Sagen und Legenden verbunden, christliche und keltische. Einige davon findet ihr hier. Dabei sind auch einige kreative Erklärungen für die tief eingekerbte Rückseite des Steinkolosses.

Rückseite des Menhirs mit sehr tiefen Furchen und einem faustgroßen Loch

 

Geschichten in Stein

Zurzeit fahren um uns herum viele in Urlaub. Wir sind erst später im Jahr dran. Um die Wartezeit zu verkürzen, erzähle ich euch einfach immer mal wieder ein paar Geschichten von meinem Lieblinsende der Welt.

Grinsendes Gesicht aus Stein in Rothéneuf . eine der Geschichten in SteinDie Bretagne hält viele besondere Orte für Besucher bereit. Einer dieser besonderen Orte ist der Garten des Abbé Fouré in Rothéneuf. Der kleine Badeort liegt nur ein paar Kilometer von der Korsarenstadt Saint-Malo entfernt. Ende des 19. Jahrhunderts und bis 1907 hat der einsam lebende Landpfarrer hier hunderte Motive in die Felsen gehauen.

Ungeheuer und Lokalkolorit

Da gibt es wunderbar kunstvolle Meeresungeheuer, ausdrucksstarke Gesichter, von der lokalen Tracht inspirierte Menschendarstellungen und Monster, deren Zähne aus hellerem Stein gestaltet sind. Neben den dutzenden reliefartigen Motiven gibt es auch mehrere überlebensgroße Köpfe und eine Art Cartoon zeigt, wie ein ruppiger Ehemann mit seiner untreuen Frau umgeht.

Mitten in diesem einzigartigen Figurengarten hat der Künstler sich eine Bank in den Felsen gehauen, auf der man auch zu zweit sitzen, die steinernen Fratzen und Szenen bewundern oder den Blick auf die Küste genießen kann. Wenn ihr in der Nähe seid: Unbedingt vorbeischauen.

Wie ich zweimal so richtig pitsche-patsche-nass wurde

Eine Mohnblume, auf der Regentropfen zu sehen  sind.Heute bin ich auf dem Hin- und auf dem Heimweg so richtig schön aprilwettermäßig nass geworden. Erstaunlicherweise bin ich davon gar nicht genervt. Beim Drübernachdenken habe ich festgestellt, dass ich erstaunlich oft guter Laune bin, wenn ich so richtig durchgeweicht werde. Okay, zumindest dann, wenn das auf dem Heimweg passiert. Warum? Da gibt es Handtücher und einen Föhn. Aber eigentlich liegt es eher daran, dass ich zwei wirklich wunderbare Erinnerungen an extreme Regengüsse habe, die jeden Funken schlechter Laune vertreiben.

Der erste quasi sintfluartige Regen erwischte mich, als ich etwa 17 war, ein einem Zeltlager mitten im Wald. Als wir ankamen, hatte es schon zwei Wochen geregnet und der Platz ähnelte Woodstock stärker, als besorgte Eltern sich sowas wünschen. Wir sahen nach wenigen Stunden aus wie Matschmonster. Aber kennt ihr jemanden, den das bei einem Zeltlager stört?.

Irgendwann kam dann doch die Sonne raus und als sie nach ein paar Tagen den Boden getrocknet hatte, machten wir eine Über-Nachtwanderung – mit einem kleinen Schlummerzwischenstopp auf einer Waldlichtung. Gegen 2 Uhr morgens und ein paar Stunden Fußweg vom Zeltplatz entfernt, wurden wir geweckt. Von dicken, in unseren Gesichtern platzenden Regentropfen. Schneller zusammengepackt hat vermutlich keine Jugendgruppe vorher und keine hinterher. Aber wo sind die Guinness-Weltrekordtypen, wenn man sie braucht…

Wir tapsten also schlaftrunken, das Autolied brummend, durch den Regen und kamen so nass am Zeltplatz an, dass wir sogar die Unterwäsche auswringen konnten. Die Heiterkeit wurde noch gesteigert durch ein Päckchen meiner Mutter, das am nächsten Tag ankam: Mein Knirps, den ich zu Hause vergessen hatte, mit einer Karte: „Damit du nicht so nass wirst.“ Wenn irgendwer ROFL jemals wörtlich genommen hat, dann waren wir das damals 🙂

Das Foto zeigt einen kleinen Leuchtturm und eine Boje vor der bretonischen Küste, bei ruhigem Seegang und Sonnenschein.

Das Meer vor der Pointe du Raz bei Sonnenschein.

Das zweite Mal pitsche-patsche-nass geworden bin ich bei einer Wanderung rund um die Pointe du Raz mit einer sehr guten Freundin. Wir gingen bei strahlendem Sonnenschein los, bewunderten die Aussicht und nahmen die aufziehenden grauen Wolken nicht so ernst. Den Wind auch nicht. Hätten wir besser. Denn innerhalb weniger Minuten regnete es in Strömen. Wusstet ihr, dass Regen waagerecht fallen und blaue Flecken verursachen kann? Geht. Wirklich. (WIRKLICH!)

Bis wir uns durch den heftigen Wind zum Parkplatz zu unserem schnuckeligen Mietwagen zurückgekämpft hatten, tropften wir. Aus allen Poren. Zufällig hatten wir Schlafsäcke dabei (für die Übernachtung in der Jugendherberge, die aber geschlossen hatte und uns eine anstrengende, noch-nicht-internet-basierte Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft und den schlechtesten Kaffees aller Zeiten bescherte, aber das ist eine andere Geschichte). Wir schälten uns also aus den tropfenden Klamotten, breiteten sie auf der Rückbank des Autos aus, zogen Schlafanzüge und Schlafsäcke an, drehten die Standheizung voll auf und versuchten, wieder warm und trocken zu werden. Die gute Laune verdankten wir einem vollen Tank und Radio Nostalgie. <3 <3 <3
Den Blick des Café-Besitzers in Locronan, bei dem wir später am Nachmittag mit nassen, wirren Haaren und dauerkichernd Tee bestellten, werde ich vermutlich nie vergessen.

Bonustrack:
Nach zwei Wochen Dauerregen verbrachte ich mal ein Wochenende mit einem Freund auf Belle-Île. Strahlender Sonnenschein, umwerfend klare Luft und eine Fahrradtour mit lauter herrlichen Ausblicken. Wichtigste Lektion des Tages? Auf Wegen, die aus nichts als Matschlöchern und Pfützen bestehen (zur Erinnerung: es war das erste sonnige Wochenende nach zwei Wochen Dauerregen), sollte man keinesfalls (in Worten: KEINESFALLS) eine Hand vom Fahrradlenker nehmen, um auf Natursensationen zu zeigen. Sonst: Salto über den Lenker, von oben bis unten eingesaut und – was auch sonst – klatschnass. 🙂

Tri martolod

Volkslieder haben schon lange eine ganz eigentümliche Anziehungskraft auf mich. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Jugendgruppenleiterwochenende, bei dem wir abends lange auf alle möglichen europäischen Volkslieder getanzt haben: irisch, schottisch, italienisch, griechisch,… Klassiker wie Ännchen von Tharau, Der Mond ist aufgegangen oder Es war ein König in Thule finden einen festen Platz in meinem Herzen. Und ich habe wundervolle Erinnerungen an lange Urlaubsfahrten, auf denen wir als Kinder Die Mundorgel rauf und runter gesungen haben (In einen Harung jung und stramm, zwo drei vier… 🙂 )

Ganz besonders mag ich – Überraschung – bretonische Volkslieder. Vor kurzem habe ich diese hinreißende Version von Tri martolod, einem der bekanntesten Lieder aus der Bretagne entdeckt. Bekannt geworden ist es durch Alain Stivell, in Deutschland vermutlich auch durch Manau und ihren Hit La Tribu de Dana. Die Version von Didier Squiban und Yann Fanch Kemener ist zwar schon etwas älter, war aber an mir vollkommen vorbeigegangen (obwohl ich Didier Squiban schon lange kenne und mich unter anderem sehr gerne an eines seiner Konzerte in Köln erinnere).

Wenn ihr mich dieser Tage morgens mit verträumtem Grinsen und Kopfhörern am Bahnsteig stehen seht, wisst ihr, womit ich mir den Beinahe-schon-winterlichen-Schlechtwettermorgen und den Weg ins Büro versüße.