Die Tage verschwimmen noch immer ineinander, als wäre das alles ein Zeit-Brei. Die Arbeit wird nicht weniger, es kommt immer neue hinzu, ohne dass die alte schon beendet wäre und ich wühle mich hindurch, manchmal ohne einen Anfang und ein Ende sehen zu können. Ab nächste Woche findet Arbeit wieder ab und an im Büro statt – ich bin gespannt, ob das etwas verändert.
An manchen Abenden bin ich innerlich so leer, dass es nicht mehr dazu reicht, ein Buch aufzuschlagen, meine eigentlich so geliebte Blog-Timeline zu lesen, jemanden anzurufen oder auch nur eine Messenger-Nachricht zu schreiben. Ich kuschle mich an den Lieblingsmenschen, schaue ins Abendrot oder in den Regen (juhu, Regen) und mehr passiert nicht.
Und dann passiert doch eine Menge:
Ein virtueller Geburtstag mit einer Mischung aus lustigen Memes und ernsten Gesprächen und Nachbars-Katzen, die ins Bild laufen, um – von uns neidvoll beobachtet – bekuschelt zu werden. Skype-Kneipen-Dates mit Pommeau und Darth-Vader-Eiswürfeln (weil er Maske trägt und weil meine wunderbare Schwester mir die Eiswürfel-Förmchen geschenkt hat – welcher Biergarten würde uns das servieren?). Online-Brettspiele-Abende, bei denen mein Ruf als Nerd-Girl durch widerspenstige Hardware ernsthaft in Gefahr gerät.
Gespräche und Nachrichten schreiben mit Menschen, die weit voneinander entfernt trauern – sich aus der Ferne ein wenig festhalten. Hoffe ich wenigstens.
Erste Schneller-Lauf-Versuche. Ich bringe es nicht übers Herz, das schon Joggen zu nennen und Kondition (in Beinen und Atemwegen und überhaupt) ist irgendwo, wo ich nicht bin, aber ich freue mich trotzdem.
Pesto auf der Türschwelle und ein Hauskreis-Flashmob, bei dem wir Distanz-Besuch mit Trompete bekommen und in gebührendem Abstand gemeinsam singen.
An einem späten Abend komme ich dazu, eines der Hauskonzerte von Igor Levit nachzuhören und bin von einem Werk von Morton Feldmann so berührt, dass ich Tränen in den Augen habe. An einem anderen Tag kämpfe ich im Garten mit Unkraut und tänzle fröhlich zu französischer Popmusik aus den 90-ern zur Biotonne. Ich wusste das schon vorher, aber: Wie toll ist denn bitte die Viefalt von Musik.
Ich stelle fest, dass meine Toleranz engere Grenzen hat. Dass ich mich mehr ärgere über Dinge, die ich in anderen Zeiten vermutlich mit einem Achselzucken abgetan oder für die ich Verständnis aufgebracht hätte. Dass ich weniger Information ertrage, da die so oft absurde bis menschenverachtende Meinungen mit anspült, für dich ich aktuell keine Kraft mehr habe. Dass ich nachtragender bin, verletzlicher, manches Mal härter in meinen Urteilen.
Die bleierne Müdigkeit hat ein wenig nachgelassen, aber der Genervtheitsfaktor hat sich auf einem hohen Grundpegel eingependelt. Ich bin sogar kurz auf die riesige Elster sauer, die eine halbe Ewigkeit stolz auf der Wiese vor dem Heimbüro sitzt, mir beim Arbeiten zusieht und sich durch gar nichts aus der Ruhr bringen lässt. Bis ich sie – in Zeitlupe und wirklich gaaaanz vorsichtig – fotografieren möchte. Da ist sie bei der allerkleinsten ersten Bewegung auf und davon.
Die Eitelkeit kommt zurück. Diese Woche gab es keinen Tag nur obenrum ordentlich und unten mit Schlumpfhose im Homeoffice. Ich sitze zum Beispiel tatsächlich mit dem neuem Sommerkleid und Ohrringen und ordentlich frisiert vor dem Rechner und ziehe mir zum Einkaufen ein T-Shirt an, das zur Mund-Nasen-Maske passt. (Und bestelle noch ein paar modischere Modelle, das wird uns ja noch eine Weile erhalten bleiben und da können Flamingos sicher nicht schaden). Der Lieblingsmensch will mich im Garten fotografien und darf erst den 5. Versuch behalten.
Wir kommen immer nur so weit, wie die Ideen uns tragen, wie der Mangel uns treibt, sang Spaceman Spiff. Wenn das stimmt, dann geht’s hier noch eine Weile weiter.