Was schön war: Unter (und über) dem Balkon

Zu unserer kleinen, schnuckeligen Ferienwohnung an der Kanalküste gehört auch ein kleiner Balkon. Ein Sitzsack und ein Korbstuhl, zwei Gläser und zwei Lieblingsmenschen, mehr passt nicht darauf. Das reicht ja aber auch völlig zum glücklich sein. Über dem Balkon schweben Möwen vorbei – einzeln oder in großen Schwärmen, laut kreischend oder still im Wind segelnd. Ihr könnt mir sagen, was ihr wollt, sie sehen dabei glücklich und manche sogar verwegen aus. Das sind dann die, die vom Wind durchaus wild hin und her geworfen werden, bevor sie am Ende doch ein Bein ausfahren, zum Gegensteuern.

Vormittags weckt uns mal das Geschrei der Möwen, mal das von Kindern, die hier Sportunterricht am Strand haben. Beachbasketball, Kanufahren oder Stehbrettpaddeln stehen auf dem Stundenplan. Und genervtes Trillerpfeifen-Schrillen der Lehrer*innen, die Mühe haben, die Rasselbande wieder aus dem Wasser zu bekommen.

Nachmittags sind es vor allem Großeltern, die mit ihren Enkeln am Strand spielen. Ein Kind ist so klein, dass es gerade erst Laufen gelernt hat. Im lockeren Sand plumpst es immer wieder um, fällt weich, steht wieder auf, tappst weiter und stößt viele kleine Freudenschreie aus, bevor es sich mit Schwung in Omas weit ausgebreitete Arme wirft.

Weit vor dem Balkon ziehen Schiffe vorbei, schwer beladen, das lässt sich auch ohne Fernglas erkennen. Das kleine Fort, oder das, was die ununterbrochen anstürmenden Wellen von ihm übrig gelassen haben, trotzt tapfer Ebbe und Flut. Der alte Betonsteg hat schon glamourösere Zeiten gesehen, wie die alten Fotos an der Strandpromenade zeigen. Wenn der Wasserstand es zulässt, ist er jetzt abends Treffpunkt einiger Angler.

Weniger schweigsam geht es ab dem späten Nachmittag auf der Bank unter dem Balkon zu. Wenn es nicht gerade in Strömen regnet, treffen sich hier einige mehr oder weniger rüstige Rentner*innen. Es gibt einige „habitués“, die immer dabei sind, andere stoßen später dazu, kommen mit Einkaufstaschen beladen vorbei oder mit dem Vierbeiner auf der Hunderunde. Ein älterer Hund rollt sich im Schatten der Kaimauer zusammen und wartet  geduldig, bis Herrchen genug geplaudert hat. Ein jüngerer Mischling, in dem sicher auch ein wenig Gummiball drin ist, hüpft fröhlich auf und ab und hin und her, sein Frauchen bleibt nie besonders lange.

Die Damen sitzen auf der Bank mit Blick aufs Meer, die Herren lehnen oder sitzen auf der Mauer mit Blick auf die Damen oder vervollständigen den Kreis stehend. Sie sprechen den starken einheimischen Akzent und auch mit den Händen. Immer wieder wird wild durcheinander geredet, aus Redeschlachten entwickeln sich ruhigere Gespräche zu zweit oder dritt, dann wieder gibt es eine oder einen, der längere Ausführungen macht, die die anderen mit Nicken oder Kopfschütteln kommentieren, aber nicht unterbrechen. Die einen duzen sich, die anderen siezen sich respektvoll – das hört man ganz leicht, denn die Herrschaften reden laut, um sich gegen das Rauschen der Wellen und die Schwerhörigkeit der anderen durchzusetzen.

Wenn wir uns mit Buch oder auch einfach nur zum Tagesabschluss und Aufs-Meer-schauen auf den Balkon setzen, werden wir anfangs freundlich ignoriert. Als sich herausstellt, dass wir nicht nur eine Woche bleiben, fängt man an, uns zuzunicken. 

Ganz leicht ist zu erkennen, ob die Passanten Einheimische sind oder Touristen. Fremde werden ignoriert, Bekannten nickt man mehr oder weniger begeistert zu. Besonders vertraute Menschen bleiben kurz stehen, um sich zumindest die obligatorischen „bises“ zu geben – wobei hier durchaus auch Handschläge üblich sind, auch zwischen Männern und Frauen. Der Gesprächsstoff geht der kleinen Seniorenrunde nicht aus. Da wird erzählt, diskutiert, gestritten und vor allem viel gelacht.

Die Herren von der Stadtreinigung wissen, wie Sisyphos sich gefühlt hat. Mit großen Besen, kehren sie den Sand, den der Wind über die Dünen und die Kaimauer geblasen hat, zurück. Tag für Tag aufs Neue.

An einem Sonntag Morgen klingen harsche Befehle über den Strand: Die Armee hat ein Bootcamp für Soldat*innen und ambitionierte Freizeitsportler*innen organisiert. Das Ganze endet mit Tauziehen im Wasser und die Sportbegeisterten sind genauso schwer aus dem Wasser zu kriegen wie die Kinder.

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