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First Class: Zugfahren mit spannenden Variationen

Der Orient-Express kann einpacken, denn die Konkurrenz ist einfach zu stark geworden. In den vergangenen Wochen sind an unserem Spieltisch drei starke Mitbewerber gegründet worden, die über die modernsten und schnellsten Loks verfügen. Sie beschäftigen nur die freundlichsten und zielstrebigsten Schaffner und verfügen über eine geradezu unglaubliche Anzahl an schicken Waggons. Natürlich ziehen diese Linien die Passagiere in großen Mengen an und alle bekommen Plätze in der ersten  Klasse.

Nein, keine Angst, weder der Lieblingsmensch noch ich, noch sonstwer in unserer Spielerunde hat seinen Job gekündigt und macht jetzt auf Eisenbahner. Allerdings kommt hier seit einiger Zeit das Kartenspiel First Class sehr regelmäßig auf den Tisch.

Zu Anfang bekommt jeder Eisenbahner Spieler einen Bahnhof und zwei Züge mit jeweils einem Waggon der Stufe Null. Dazu zeigt eine kleine Holzlokomotive an, wie weit die Züge sich fortbewegen können. Zwei Schaffner warten im Bahnhof auf ihren Einsatz. Ein dritter Kollege steht auf der Punkteleiste bereit, um anzuzeigen, wie erfolgreich die eigene Linie arbeitet.Ausgangstableau von First Train, dem Brettspiel

Ein der Tischmitte liegen verschiedene Aktionskarten aus. Manche erlauben es, zusätzliche Wagen anzulegen und deren Wert zu verbessern, andere verlängern die Schienenstrecke. Wieder andere enthalten Aufträge, die nach Erfüllung Punkte bringen, oder man kann Schaffner oder Lok vorwärts bewegen.Kartenauslage des Grundspiels von "First Train"

Zusatzmodule bringen Abwechslung ins Bahnabteil

Verschiedene Module bringen Varianten in den Kartensatz: Mal gilt es, Berühmtheiten angemessen zu befördern und Postkarten von besonders schönen lukrativen Reisezielen zu schicken. Man kann sich auch für die technische Variante entscheiden und zusätzliche Mechaniker und Weichen in den Kartensatz einbauen. Ein anderes Mal steigen Passagiere zu, die Geld bringen oder man muss Gepäck sicher befördern, was ebenfalls Punkte bringt. Und dann ist da noch das Krimimodul, bei dem man während der Fahrt einen Mordfall aufklären, Verdächtigungen aussprechen oder eigene Spuren verwischen muss.

Am besten gefällt uns der Standardkartensatz, denn hier entfalten einige unscheinbare, aber wirkungsvolle Karten die größte Wirkung: Zielkarten, die Boni geben für verschiedene Karten, die man während des Spiels eingesetzt hat. Zu Beginn wählt jeder Spieler verdeckt eine solche Karte aus. Wer Glück hat und taktisch klug aus den ausliegenden Karten wählt, kann sich im Spielverlauf mit weiteren Bonus-Karten ausrüsten und am Ende nochmal richtig Punkte absahnen.Punktezähler und Nachzugstapel für Zusatzwaggons bei "First Train"

Viele Wege führen zum Sieg

Was uns besonders gut gefällt ist, dass es keine dominierende Siegstrategie gibt: Am offensichtlichsten ist das Punktesammeln durch die Aufwertung der Waggons. Wer viele hochwertige Anhänger sammelt, kann viele Punkte einheimsen. Doch auch ein langes Schienennetz oder viele lukrative Aufträge können das Punktekonto gut aufpolstern. Und nicht zuletzt kann man auch mit Geld spannende Züge machen, die sich in einem hohen Punktestand auszahlen. Wer in den drei Spielrunden alle Strategien taktisch klug zu mischen versteht und dann auch noch ein wenig Glück bei der Auslage der Karten und der Spielerreihenfolge sein Eigen nennen kann, wird zum Eisenbahnmogul.

Einziger Wermutstropfen: Hat man Grübelprofis am Tisch sitzen, können sich einzelne Züge, vor allem aber die Zwischenwertungen, zu Optimierungsorgien entwickeln, die die Zeit für die Mitfahrer lang werden lassen. Andererseits kommen die anderen so zum einen oder anderen Plausch, der bei Schwergewichten der Brettspielszene ausfällt. Man kann sich seine Zugfahrt also so angenehm gestalten, wie man möchte. 🙂

In diesen Zug steigen wir jedenfalls in der nächsten Zeit sicher gerne immer wieder ein.

Reiner Knizia: Durch die Wüste

Dass ich gerne verreise, ist ja bekannt. Daher sollte ein Spiel, das einen auf eine Reise mitnimmt, eigentlich total mein Ding sein. Trotzdem habe ich einige Anläufe gebraucht, um mit Durch die Wüste von Reiner Knizia warm zu werden. Das darf man in diesem Hause gar nicht so laut sagen, denn der Lieblingsmensch ist ein ziemlicher Knizia-Fan und findet, dass der Herr Doktor Spieleentwickler im Grunde nichts falsch machen kann. Wahrscheinlich lag es also an mir, dass ich zunächst die Karawanen-Bauerei nur so mittel spannend fand.Spielplan von Durch die Wüste mit mehreren Karawanen bei einem Vier-Spieler-Spiel

Kamelreiter und Karawanen in der gar nicht so öden Wüste

Der Spielplan ist eine Wüste, in der es einige kleine Oasen (dargestellt von grünen Palmen) und deutlich mehr verschieden wertvolle Wasserlöcher gibt. Wir Spieler verfügen über fünf unterschiedlich-farbige Kamele, auf denen je ein Reiter in unserer Spielerfarbe thront. Diese verteilen wir anfangs nacheinander möglichst sinnvoll in der Wüste auf dem Spielplan. Dabei dürfen wir zwar direkt neben Wasserlöchern starten, aber nicht direkt unter einer Palme und auch nicht direkt neben einem Kamel der gleichen Farbe nur mit einem anderen Reiter darauf.

Kamelreiter verschiedener Farbe auf dem Spielbrett von Durch die Wüste von Reiner Knizia

Nach dem Einsetzen der Kamele können wir bei jedem Zug zwei Kamele wählen, die wir einer oder mehreren unserer Karawanen hinzufügen. Besetzen wir dabei ein Feld, das direkt an eine Oase angrenzt, bekommen wir ein Oasenplättchen, das fünf Punkte wert ist. Das Gleiche gilt für Wasserlöcher. Platzieren wir ein Kamel darauf, bekommen wir das dort liegende Plättchen und die darauf abgebildete Punktzahl, also einen, zwei oder drei Punkte. Natürlich kann man versuchen, möglichst viele Plättchen einzuheimsen und versuchen, den anderen Karawanenanführern den Weg zu Oasen und Wasserlöchern abzuschneiden.

Gebietskämpfe ganz ohne Gewaltanwendung

Gewinnen kann man mit dieser Strategie allein jedoch nicht. Denn richtig viele Punkte bekommt, wer es schafft, ein Gebiet auf dem Spielbrett mit einer seiner Karawanen vollständig zu umschließen. Dabei kann man sowohl den Rand des Spielbretts als  auch ein kleines Gebirge in der Planmitte zur Hilfe nehmen. Jedes leere Feld in der Mitte des umschlossenen Gebietes ergibt einen Punkt. Zusätzlich bekommt der entsprechende Karawanenführer alle im Gebiet liegenden Wasserloch-Plättchen und damit deren Punkte.

Kamelreiter vor Oasenplättchen im Spiel "Durch die Wüste" von Reiner KniziaAußerdem bekommt man für jede Kamelfarbe, in der man die längste Karawane gebildet hat, auch zehn Punkte (bei Gleichstand bekommt jeder nur fünf).  Zu viert muss man da gut aufpassen, um den Überblick zu behalten und rechtzeitig die Mehrheit bei mindestens einer, besser zwei Farben zu sichern.

Das mit dem Überblick wird leider durch das Spielmaterial deutlich erschwert. Denn die Kamele sind extrem zuckerwattefarben pastellig. Das führt dazu, dass man je nach Beleuchtung zum Beispiel grün mintgrün und blau kaugummipastellgrünblau kaum auseinander halten kann.

In der Eingewöhnungsphase nicht abschrecken lassen

Hinzu kommt, dass die Knizia’schen Taktiktipps in der Regel nur teilweise bei der ersten Orientierung helfen. Da wird zum Beispiel gesagt, man solle sich in der Einsetzphase möglichst großzügig über den Spielplan verteilt aufstellen. Das kann helfen, muss es aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn alle Spieler sich an diesen Tipp halten.Spielplan von "Durch die Wüste" von Reiner Knizia bei einem Spiel mit drei Spielern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es dauert also ein wenig, bis man sich einen Überblick über die verschiedenen Taktiken und ihre Wirksamkeit gebildet und sich an die kleinen, zuckrigen Kamelchen und den intensiv senfgelben Wüstenspielplan (wir haben die alte Kosmos-Ausgabe, nicht die etwas orientierungsfreundlichere Fantasy-Flight-Neuauflage, that’s why) gewöhnt hat. Davon solltet ihr euch aber nicht abschrecken lassen, denn nach einer Anlaufphase von mehreren Spielen kann Durch die Wüste deutlich aufholen und wandert langsam aber sicher in die Liste der Immer-wieder-spiel-Spiele.

Und: Spielt das Spiel durchaus zu viert. Spielt man zu zweit oder zu dritt, nutzt man nur einen Teil des Spielplans, was bei der Orientierung hilft, aber auch die Taktikvarianten etwas einschränkt. Trotz des etwas chaotischen Kamelwirrwarrs auf dem Spielplan macht die Vier-Spieler-Variante mir zumindest am meisten Spaß.