Mehr als nur Kekse

Gestern in Belgrad. 36 Grad im Schatten. Davon gibt es aber nur wenig. Hier im Park stehen einige große Bäume. Überall dort, wo ihre Zweige Schatten spenden, sitzen und liegen Menschen. Junge Männer in kleinen Gruppen, ganze Familien, einige mit Igluzelten, manche mit Decken. Über Zweigen und Zäunen hängen mit der Hand ausgewaschene Kleider. An einem kleinen Holzinfostand stehen Trauben von jungen Männern, laden ihre Handys auf, erkundigen sich danach, wo welche Grenze vielleicht geöffnet sein könnte.Flüchtlingsfamilie, die im Zentrum von Belgrad in einem Park unter einem Baum im Schatten auf dem Boden sitzt

Freiwillige Helfer verteilen Tüten mit Lebensmitteln. Wasser und Apfelsaft. Windeln. Obst. Und Butterkekse. Ganze Päckchen mit Butterkeksen. Jedem Kind im Park drücken sie eine Kekspackung in die Hand. Unter einem Baum einige Schritte entfernt lehnt ein Mädchen, vielleicht 5 oder 6 Jahrer alt, das Geschenk ab. Seine kleine Schwester hat ja schon eine Schachtel. Mit den Händen tut sie so, als wolle sie die Packung durchbrechen. Die Kleine schaut sich ernst um, zeigt auf die Kinder unter dem nächsten Baum. Die haben noch nichts bekommen. Ihre Gesten sagen deutlich: Geh dorthin, gib ihnen die Kekse. Wir haben ja schon welche. Wir teilen.

Aber die Helferin in dem leuchtend gelben T-Shirt geht nicht weiter. Sie hat einen großen Karton mit den begehrten Süßigkeiten dabei. Und sie ist nicht die einzige Helferin im Park, deren Arme voll sind mit großen gelben Boxen. Dank einer großzügigen Spende gibt es Kekse genug. Genug für jedes Kind im Park. So viele Kekse, dass man sie nicht teilen muss. Die Helferin drückt jeder der Schwestern eine eigene Packung in die Hände. Die kleinere der beiden lacht fröhlich. Stolz hält sie ihr Geschenk und dreht sich lachend damit im Kreis. Ihre größere Schwester bleibt still. Hält das süße Wunder fest in beiden Händen. Schaut und schaut und schaut. Kann es gar nicht fassen. Sitzt unter dem Baum und hält den unerwarteten Schatz fest umklammert. Schaut auf ihre Schwester und deren Hände. Schaut zurück auf ihre eigenen Hände. Und da ist es. Groß und innig und leuchtend. Ihr Lächeln.

Natürlich lösen Kekse keine Krisen. Sind die Pakete nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ist die Situation komplex und Auswege nicht in Sicht. Die Grenzen sind immer noch schwer zu überwinden, die Zukunft genauso ungewiss wie zuvor. Aber für einen kleinen Moment sind die Kekse mehr als eine Sachspende, ist die Verteilung mehr als eine Aktion einiger Freiwilliger. Für einen winzigen Moment zählt nur eines: Das Glück in den tränendunklen Augen des kleinen Mädchens unter einem Baum irgendwo in Belgrad.

Fight for humanity. Refugees welcome.Flüchtlinge haben sich um den Infokiosk im Park nahe dem Belgrader Bahnhof versammelt

Links gegen das Schweigen VI

Schild vor einem Café in Köln: Heute empfehlen wir Dialoge!Schon wieder Flüchtlinge? – werden einige von euch mich fragen. Ja, schon wieder. Und immer noch. Das geht auch so schnell nicht weg. Und auch, wenn die Stimmen derer lauter und hörbarer und die Hilfsbereitschaft von vielen immer sichtbarer wird, ist Einsatz gegen Vorurteile, Ängste und Hass noch immer nötig.

Denn kaum gibt es Menschen, die sich dazu bekennen, dass sie die Neuankömmlinge ohne Wenn und Aber willkommen heißen, fantasieren andere eine „Flüchtlingseuphorie“ herbei. Noch schlimmer sind Verschwörungstheorien von der „Flüchtlingswaffe“, sind Bilder von existentiell notleidenden Menschen, zu denen ein zynischer Kommentator behauptet, denen, die alles verloren haben, gehe es noch viel zu gut. Nein, das verlinke ich hier nicht. Auch keine Beispiele für die noch immer zahlreichen „Ich habe ja nichts gegen Flüchtlinge, aber“-Sager, keine Hinweise zu den „wir haben doch selbst genug Probleme, denen können wir nicht auch noch helfen“-Phrasen, keine Links zu den „die nehmen mit alles weg und kriegen Geschenke noch und nöcher“-Angstschürern. Aber seid versichert: Es gibt sie.

Zum Glück gibt es in der Debatte aber auch differenzierte Töne und wissenschaftlich fundierte Meinungen wie dieses Interview mit Migrationsforscher François Gemenne im Stern. Gefunden habe ich das bei Max Buddenbohms Herzdamengeschichten, da gibt es auch weitere lesenwerte Links. Das wird wohl auch eine Serie, da könnt ihr immer mal wieder vorbeischauen.

In der Zeit hat Marian Lau schon vor einigen Wochen eine Widerrede formuliert:

„Man muss sagen dürfen, dass es Probleme gibt – auch wenn niemand die Probleme „Abschaum“ nennen darf.“

Auch Sascha Lobo ist differenziert, wenn er die Problematik der Smartphone-Vorurteile auf einer anderen, größeren Ebene diskutiert:

„Ein Flüchtling aus Afrika wird in einem deutschen Geschäft versuchen zu bezahlen, wie er es gewohnt ist: mit dem Smartphone. Er wird scheitern. Bezahlung per Handy hat hier einen Exotikfaktor irgendwo zwischen Einrad und Einhorn. In weiten Teilen Afrikas, der USA, des Baltikums ist es selbstverständlich. […] Wenn also heute Leute behaupten, Smartphones seien Luxus, ist das zwar falsch, aber historisch durchaus nachvollziehbar. Und zugleich sagt es wenig Gutes über die digitale Ausgangslage eines Landes, dessen Reichtum weitgehend von Hochtechnologien abhängt, die von der mobilen Revolution so radikal verändert werden wie die Musikindustrie durch das Internet.“

Leider gibt es aber auch das genaue Gegenteil von differenziert. Leider gibt es auch Manipulationen. Eine zeigt Stefan Niggemeier, indem er aufdeckt, dass Pegida eine gefälschte „Spiegel“-Überschrift veröffentlicht hatte.

Und auch der Bayerische Rundfunk berichtet von solchen „False Flag-Operationen“:

„Hetzer stehlen aus echten Meldungen Fotos, schreiben einen neuen Text und erfinden ein passendes Medium dazu, um dann den positiven Artikel in Frage zu stellen.“

Deutschlandradio Kultur macht sich Gedanken über die neue (?) Kultur der Hasskommentare im Netz:

„Eine Zunahme der Hetze im Internet – vor allem bei Debatten um Flüchtlinge und Asyl – bestätigt auch der Würzburger Medienpsychologe Frank Schwab. Er beobachte „eine Diskussionskultur, die mit Diskussion nicht mehr viel zu tun hat“. An die Stelle eines Austauschs von Argumenten trete häufig der bloße Austausch von Beleidigungen, sagte Schwab im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.“

Zum Schluss jedoch wieder ein Link, der Hoffnunng macht. Eine Bloggerin, die nicht schweigt. Und den Brief eines Freundes veröffentlicht, den man sich durchaus als Vorbild gegen dummes Gerede nehmen kann.

„Im Jahre 2008 gab es demnach in Syrien knapp 17 Millionen Einwohner. […] Etwa 11 Millionen Syrern standen dann 6 Millionen nichtsyrische Flüchtlinge auf einem Küstenstreifen von Wismar nach Rügen, dem Thüringer Wald und dem Werratal gegenüber. Die Reaktion Syriens: Häuser bauen, um die Immobilienpreise nicht noch weiter steigen zu lassen. Vereinfachte Integrationsverfahren für schnellere Staatsbürgerschaft, neue Stadtviertel bauen. Und: Der Strom an Flüchtlingen nach Europa wurde gestoppt, denn in Syrien fanden die Flüchtlinge Heimat, vielleicht mehr schlecht als recht, vielleicht in einer Diktatur, aber immer noch besser, als im kriegszerstörten Herkunftsland. Zum Vergleich: Wir sprechen im wasserreichen Deutschland bei derzeit 80.000 Flüchtlingen in einem Land mit 80 Millionen Einwohnern von „Engpässen“.

Licht und Schatten: Spiel mit Perspektiven in der Kathedrale von Amiens

Es gibt Tage, da finde ich Kunst beruhigend. Eintauchen in eine andere Dimension des Seins. Daher bekommt ihr heute etwas richtig Schönes. Aus Gründen.

Wir waren ja kürzlich in Amiens. Die ganze Stadt ist klasse. Besonders schön ist aber die Kathedrale. Sie ist eine der größten gothischen Kathedralen überhaupt (Notre Dame de Paris würde zweimal hineinpassen) und gilt als Vorbild für den Kölner Dom. Aber ich will euch hier gar nicht mit Daten und Fakten langweilen. Wenn euch die interessieren, könnt ihr sie zum Beispiel hier nachlesen.Kathedrale von Amiens von außen - Portal und Türme

Rückseite der Kathedrale von Amiens mit Kapellenkranz und Rippenbögen von außenWas mich in der Kathedrale von Amiens besonders beeindruckt hat, ist das Spiel mit Licht und Schatten, mit Weite und Enge, mit großen Linien und kleinen Details. Egal wo man steht, man sieht immer mehr als einen Lichteinfall.Seitenschiff in der Kathedrale von Amiens

An vielen Stellen hat man das Gefühl, die Perspektiven multiplizierten sich. Hinter einem Pfeiler, auf dessen einer Seite die nächste Mauer nicht mehr weit ist, eröffnet sich ein langes Kirchenschiff, in dem sich das Licht an vielen Säulen bricht. Etwas weiter zur anderen Seite sieht man wiederum zwei unterschiedlich lange Linien Richtung Seitenschiff und Kapellenkranz. Und legt man den Kopf in den Nacken kommen gleich noch ein paar Perspektiven dazu.Hohe Gotische Bögen, Fenster und Chorumgang in der Kathedrale von Amiens

Blick durch die gusseiserne und teilweise vergoldete Chorschranke auf das historische Chorgestühl in der Kathedrale von Amiens

Der Lieblingsmensch und ich konnten gar nicht aufhören, herumzugehen, das Licht und die Perspektiven auf uns wirken zu lassen. Dazusitzen und zu bewundern, wie das Licht so gebündelt ist, dass es den Chor- und Altarraum besonders erhellt.Blick durch das Hauptschiff auf den hellen Chorraum der Kathedrale von Amiens

Und neben der Bewunderung für die Architekturkunst, der Begeisterung für den Mut, so ein Gebäude überhaupt zu errichten, nebem dem Stillwerden an einem Ort, an dem unzählige Menschen über die Jahrhunderte hinweg ihre Sorgen, ihre Klagen, ihre Freude und Hoffnungen, ihr Gebet vor Gott getragen haben, neben dem Staunen über die vielen wundervollen Details (wie zum Beispiel die in vielen Metern Höhe quasi die gesamte Kathedrale umlaufende Blumengirlande, die an das direkt nebenan liegende Sumpfgelände der Hortillonages anspielt, die übrigens auch der Grund dafür sind, dass es keine Krypta gibt, da der Boden unterhalb der Kathedrale zu feucht dafür ist) – neben all dem konnte ich nicht anders als denken, dass die vielen Persepktiven, die sich an jedem Standort in der Kathedrale eröffnen, ein Sinnbild für unser Leben sind.Säulen, Pfeiler und Lichtspiele in der Kathedrale von Amiens

Wenn wir unseren Standpunkt verändern, können wir neue Linien, neue Zusammenhänge, neue Details sehen. Wenn wir unsere Blickrichtung ändern, auch mal unbequeme Perspektiven einnehmen, sehen wir neue Zusammenhänge, stellen wir fest, dass unser vorheriger Blick uns nur einen Teil der Wahrheit gezeigt hat. Erst wenn wir uns darauf einlassen, einmal ganz herum zu gehen (innen und außen), bekommen wir einen Eindruck vom Gesamten.

Verstärkt hat sich dieser Eindruck abends. Bei einem „Son et lumières“ wurden die Statuen am Hauptportal mithilfe von Strahlern in leuchtenden Farben angestrahlt. So, wie sie früher einmal ausgesehen haben mögen. Ein wunderschöner Anblick. Aber eben auch eine Erinnerung daran, dass Dinge sich verändern können, dass es unterschiedliche (von der jeweiligen Zeit geprägte) Auffassungen von schön und angemessen, von passend und unpassend, von falsch und richtig geben kann. Und dass hinter manchen Dingen, die auf den ersten Blick schlicht aussehen, so viel mehr stecken kann.

Ihr könnt jetzt also ein wenig über Analogien nachdenken. Oder einfach die (laienhaft festgehaltenen) Eindrücke vom farbigen Abendschauspiel genießen. Oder beides. Ich bin fest davon überzeugt, dass genau das sich lohnt.Die Kathedrale von Amiens in bunten Farben angestrahlt

 

 

Durch Licht bunt eingefärbte Figuren und Statuen an der Kathedrale von Amiens - DetailaufnahmeFarbig angestrahlte Apostelstatuen an der Kathedrale von Amiens

Zimtwürfel à la Mara

Zimt ist ja nicht nur zu Weihnachten, in Kürbissuppen oder Apfelgebäck ein Knaller. Zimt geht immer. Und daher musste ich irgendwann die Zimtwürfel aus „Maras Sweet Goodies“ (nein, ich schreibe das nicht mit Apostroph 🙂 ) nachbacken. Und was soll ich sagen? Lecker.Zimtwürfel auf einem Teller mit lila Blümchen auf unserem Gartentisch

Ihr müsst 120g weiche Butter mit 250 g Zucker gut verrühren, dann 2 Eier dazugeben, wieder rühren, dann 250 g Mehl mit 1 Päckchen Backpulver und 1 Esslöffel Zimt mischen und zusammen mit 250 ml Milch unter den Teig rühren.

In einer gebutterten Form für ca. 1 Stunde bei 180°C backen (im Buch steht 45 Minuten, aber das hat bei meinem Ofen bei Weitem nicht gereicht).Nahaufnahme der Zimtwürfel auf dem Gartentisch

Anstelle der von Mara vorgeschlagenen heißen Schokoladensoße habe ich auf den warmen Kuchen Bitterschokolade-Raspeln gestreut, die dann verlaufen sind. Nach dem Auskühlen in Würfel schneiden, servieren. Hier gingen die ersten Würfel noch lauwarm weg. Wird wieder gemacht. Allerdings mit etwas weniger Zucker und dafür mehr Zimt. Hmmmmmm.

Links gegen das Schweigen V

Nicht mehr schweigen, wenn andere Hass, Vorurteile und Vorverurteilungen sagen, schreiben, rausposaunen. Doch wie reagieren und was sagen? Ein Poster der Bundeszentrale für politische Bildung hilft weiter. Ihr könnt es kostenlos bestellen. Vielleicht hilft schon das Aufhängen an der richtigen Stelle. Wenigstens euch.Tageskarte mit Aufschrift: Heute empfehlen wir Zivilcourage

Dass Deutschland verhältnismäßig wenig Flüchtlinge aufnimmt, habt ihr hoffentlich alle mittlerweile gelesen und könnt entsprechend reagieren, wenn es wieder mal heißt, wir würden ja schon so viel tun und jetzt wären mal andere dran. Dass hier auch die Bearbeitungszeiten für Asylanträge lang sind (auch wenn es besser wird) und andere europäische Länder mehr Menschen anerkennen, berichtet die Zeit.

Und noch eine oft geäußerte Floskel, die auf den ersten Blick anteilnehmend klingt, auf den zweiten aber wieder Vorbehalte, diffuse Ängste und Vorverurteilungen aufzeigt, nämlich der Hinweis, dass hier vor allem junge Männer ankommen, die ihre Familien zurücklassen. Warum das so ist und warum genau das uns besonders zu denken geben sollte, hat die Süddeutsche Zeitung beleuchtet:

„Wieso mehr erwachsene Männer als Frauen nach Europa kommen, hat verschiedene Gründe – und es sind eher nicht diejenigen, die immer wieder aus dem rechten Lager zu hören sind: Dass weniger Frauen in die EU kommen, interpretieren manche als Hinweis darauf, dass die Not gar nicht so groß sei – und es sich um Wirtschaftsflüchtlinge handele. […] So sind Männer etwa in der Regel körperlich stärker und – je nach Herkunft – häufig besser ausgebildet als Frauen. Deshalb gelten ihre Chancen als größer, eine gefährliche Reise zu überleben und am Zielort Arbeit zu finden.“

Wie es ist, wenn man mit der Hilfe ernst macht, erzählt dieser Text aus dem Tagesspiegel über eine WG, die Flüchtlinge aufgenommen hat.

Bei Journalistontheroad schließlich gibt es einen Einblick in die Lebenssituation von Flüchtlingen in Deutschland. In die von Sami zum Beispiel:

„Sami. Hat überlebt. Das darf so festgestellt werden. Denn er hockt zwei Etagen unter dem Zimmer von Abed in dem Plattenbau aus den 70-er Jahren. Sami hat das Mittelmeer überlebt. Das erste Fluchtschiff brach auseinander. Das zweite Schiff hat die türkische Küstenwache aufgebracht. Weil es mit Motorschaden im Sonnenuntergang trieb. Zuhause in Syrien wartet der Vater auf die tödliche Bombe. An Parkinson erkrankt. Fluchtunfähig.“

Und die Kuchenbäckerin explodiert so richtig. Gut so:

„Denkt ihr ernsthaft, die Ärmsten der Armen dieser Erde sitzen in ihren Baracken und tüfteln hinterfotzige Pläne aus, wie sie euch euren 58 Zoll Smart TV zecken können? Oder euren angerosteten Opel, eure Bude oder euren ach so verdammt heiligen Job? Himmelherrgott, was stimmt denn nicht mit euch? Diese Menschen haben alles verloren, die machen keine lustige Hafenrundfahrt aus Bock schön eng aneinandergedrängelt, weil’s dann umso mehr fetzt.“

Und dann gibt es da noch zwei Aktionen, die mehr als nur einen kurzen Blick lohnen. Zum einen #BloggerFuerFluechtlinge. Da könnt ihr spenden für die Flüchtlinge am LaGeSo in Berlin (und mittlerweile auch ganz Deutschland). Vor allem aber solltet ihr die Texte lesen, die dazugehören. Zum Beispiel diesen hier oder auch diesen. Und folgt den dort empfohlenen Links.

Bei Transglobal Pan Party habe ich dann ein Rezept aus dem Libanon gefunden, das zur Aktion „Deutschland is(s)t bunt“ gehört. Wenn ihr gerne kocht und backt, schaut dort vorbei.

Und falls ihr bisher nirgendwo geklickt habt, dann tut es hier und lest den Text von Georg Diez.

 

Flora am Meeresrand

Wer mich kennt, weiß, dass ich am Meer am liebsten in eine Richtung schaue, aufs Meer. Aber auch das Drumherum verdient den ein oder anderen bewundernden Blick. Denn auf den Felsen, den Dünen, den Wiesen und Hängen wächst an der Côte des légendes so einiges, was Augen, Herz und Seele erfreut. Ich bin keine Expertin, aber in „unserem“ schnuckeligen Ferienhaus gab es zum Glück Broschüren, in denen die Schätze der heimischen Flora mit Fotos abgebildet sind, so dass sogar ein Laie wie ich sie wiedererkennt.

Falls ihr mehr wisst, freue ich mich über Hinweise in den Kommentaren.Strandhafer mit Strand und Meer im Hintergrund

Strandhafer wächst in der Bretagne auf fast allen Dünen. Im Frühjahr ist er besonders auffällig und schön.Samtgras, auch Hasenschwänzchen genannt, an der Küste der Côte des légendes

Hasenschwänzchen (in unserem internen Sprachgebrauch auch Hasenpuschel) heißen die weißen Blüten des Samtgrases, die hier im Finistère zu tausenden wachsen und mir besonders gut gefallen. Im Frühjahr blühen sie sogar. Hach.Nahaufnahme des Samtgrases

Von den armeries maritimes habe ich euch ja schon erzählt. Aber weil sie so schön sind, tauchen sie natürlich auch hier wieder auf.Johanneskraut auf den Dünen vor KerlouanBüschel von "armeries maritimes

rosa Strandnelke

einzelne Strandnelke mit Hasenschwänzchen

Dieses hellgrüne Gewächs ist sehr malerisch, was es ist? Keine Ahnung. Wer weiß mehr?

bretonische-flora-gruenzeug Dieses gelb-blühende Pflänzchen wächst an unserer Lieblingsküste quasi überall. Hummeln lieben die gelben Blüten besonders. Wenn ich das richtig sehe, ist es kein Strandmohn (wie die Broschüre behauptet). Aber was ist es dann?bretonische-flora-gelbe-blueten

Stranddisteln…Stranddistel an de côte des légendes

Gibt es auch in blühend.blühende Stranddistel (die Blüte ist klein, rund und lila)

Und natürlich grünt und blüht da auch sonst so einiges. Schööööön.bretonische-flora-rosa-bluemchenGroßblättrige Grünpflanze, auf der mehrere Schnecken mit Häuschen sitzenGänseblümchen und Butterblumen auf einer Wiese

MohnblüteBüschel blühender roter Mohn mitten im Sand der Dünen der côte des légendesbretonische-flora-lila-blumegrüne Pflanze, die sich gerade gelb und rot verfärbt als BlütePflanze mit kleinen rosa-weißen Trichterblüten auf den Dünen der Côte des légendesHochgewachsenes Gras vor dem kleinen Naturhafen Kours Vihan von Kerlouan

 

 

Arschbombe und Lachmuskelkater

Seit Wochen sagt mein Buchhändler, das Buch vom Nuf sei leider nicht zu bekommen. Weg. Nicht nachlieferbar. Keine Chance. Okay, mittlerweile ist es wohl wieder zu kriegen, aber wenn man das mit dem Vorbestellen verpasst hatte, sah es zunächst wirklich nicht so aus, als könnte ich noch in einem Monat ohne r einen Blick in das legendäre Buch mit dem großartigen Titel, den wundervollen Rezensionen und den lustigen Grafiken werfen.

Aber zum Glück gab es das Gewinnspiel bei Tollabea (die lest ihr hoffentlich sowieso alle, oder? Wenn nicht: Husch husch, rüber da – und das gilt nicht nur für Eltern, wie ihr an mir ja erkennen könnt).

Und was soll ich euch sagen? Ich bin ein Glückspilz und tatatataaaaaa – hier ist es *freufreufreu*Arschbomben-Buch vom Nuf auf meinem Sofa

Natürlich habe ich es gleich geschnappt und dem Lieblingsmensch (der das Gemüse fürs Abendessen schnibbelte), zwei Kapitel vorgelesen. Den Rest müssen wir jetzt mit Lachmuskelkater und unter ständigem Prusten konsumieren. Und ja, liebe kinderhabende Freunde: Ihr kriegt das auch vorgelesen. Und wenn ich durch bin, dürft ihr auch selber lesen. Und wehe, ich seid dann nicht tiefenentspannt. Dann fängt das Ganze von vorne an. Hach, wird das schön 🙂

Viceroy

Pyramide aus Karten in vier Ebenen beim Spiel "Viceroy"Bei der Spielemesse in Essen im vergangenen Jahr haben wir es gespielt und waren begeistert. Und so wurde Viceroy mein erstes Kickstarter-Projekt. Letzte Woche ist es endlich angekommen. Juhu 🙂

Natürlich haben wir es gleich auf den Tisch gebracht. Und ich mag es noch immer. Von Mayday, dem Verlag, der das Spiel in der englischen Ausgabe herausgebracht und es über Kickstarter finanziert hat, bin ich allerdings weniger begeistert. Viel zu lange hat es gedauert, bis der Verantwortliche zugab, dass der anvisierte Auslieferungstermin im März nicht zu halten war.

Während auf Facebook und im Verlagsnewsletter noch Jubelmeldungen von nahenden Fertigstellungsterminen vermeldet wurden, war – wie sich später herausstellte – hinter den Kulissen längst klar, dass die Produktion von Russland nach China verlegt werden musste. Das chinesische Neujahrsfest, aufwändige Grafikarbeiten für die Zusatzmaterialien für die Kickstarter-Backer und vollkommen sinnlose Sonderaktionen wie das Beilegen von Plastiktütchen, die für das Spielmaterial viel zu klein sind, verzögerten das Projekt zusätzlich. Wer Lust hat, kann den gesamten „Spaß“ in den Kommentarspalten durchlesen. So gut wie die Kommunikation in der Geldsammelphase lief, so schlecht war sie danach. Aber immerhin kam das Spiel heil und vollständig bei uns an. Daher: Vorhang auf für den Vizekönig.

Bei Viceroy baut man Pyramiden aus Karten. Für den Erwerb der Karten und deren Einbauen in die Pyramide muss man in Diamanten bezahlen. Klingt einfach, aber dann wird es auch schon kompliziert:Zwei Pyramiden und die Spielermatte mit den Karten für die Auktion von Viceroy auf einem Tisch

Manche Karten bringen „Dauer-Diamanten“ mit, mit denen man beim Auslegen weniger bezahlen muss, andere geben einem Vorteile in Form von kleinen Chips mit verschiedenen Symbolen, die in der richtigen Kombination am Ende des Spiels Punkte bringen können.Bei der Kickstarter-Edition sind zusätzlich zu den Papp-Chips mit Diamanten kleine, sehr nette Plastik-Diamanten dabei. Auch die Playmat – also die Unterlage für die Karten bei den Versteigerungsrunden, den Rundenzähler und die verschiedenen Kartenstapel – ist ein Kickstarter-Extra. Doch auch ohne diese Zusätze lässt sich Viceroy ganz hervorragend spielen. Man müsste die Karten nicht einmal sleeven, da sie eine recht gute Qualität haben. Damit wir möglichst lange Spaß daran haben, haben wir die Karten trotzdem in Hüllen gesteckt. Doch zurück zum Spiel und den Kartenoptionen.

Einige Karten geben direkt Siegpunkte, andere ermöglichen es, eine oder mehrere Karten nachzuziehen, wieder andere geben einem die Chance, zusätzliche Edelsteine auszusuchen und in den eigenen Vorrat zu legen. Und dann gibt es noch die Auftragskarten, die man kostenlos einbauen darf und die in der Regel mehrere Vorteile bieten, von denen man sich einen aussuchen kann.Diamanten hinter dem Spieler-Schirm, der bei Viceroy das Ausspionieren des Gegners verhindern soll

Um die Karten zu bekommen, muss man sie ersteigern. Im Spiel zu zweit ist das nicht der allerspannendste Moment. Da jedoch auch hier Absprachen und Bluffs möglich sind und man in diesen Spielphasen auch die zuvor erspielten Plättchen mit Schwert hinterhältig-meuchelnd zum Einsatz bringen darf, sind die Versteigerungen auch keine reine Zeitverschwendung. Mit mehreren Spielern kann es bei den Auktionen richtig rund gehen. Doch niemand geht leer aus. Wer keine Karte abkriegt, bekommt wenigstens für die nächste Runde eine bessere Ausstattung in Form von zusätzlichen Diamanten.

Die kann man jedoch auch beim Auslegen von Karten – also beim Erweitern der eigenen Pyramide – wieder auf den Kopf hauen. Denn je nachdem, auf welche Ebene der Pyramide man eine Karte anlegt, desto mehr Diamanten muss man abgeben. Allerdings steigern sich auch die Erlöse, die die Karten bringen, je nachdem, wo man sie in die Pyramide einbaut.Beginn einer Viceroy-Pyramide mit einer Karte in der zweiten Reihe

Hat man am Ende darauf geachtet, die Karten so zusammenzulegen, dass die farbigen Ecken sich zu gleichfarbigen Kreisen ergänzen, gibt es Punkte. Auch Sets von drei verschiedenen Symbolen, Bonus-Chips, Siegpunkte-Plättchen und Wertungsboni auf den Auftragskarten können das eigene Punktekonto ganz schön füllen. Allerdings kann ein fieser Mitspieler mit einem bis zum Schluss aufgesparten Schwert einige Punkte auch wieder vernichten.

Das klingt kompliziert, wird aber mit jedem Spiel übersichtlicher. Die Karten sind in Fantasy-Manier, sehr detailreich und liebevoll gestaltet. Auch die Schutzschirme, mit denen die Spieler ihren aktuellen Diamanten- und Schwerter-Vorrat vor neugierigen Blicken verbergen, das Regelheft und sogar die vier Seiten des Kartons und das Inlay sind mit wirklich gelungenen Grafiken gestaltet. Da die Schutzschirme auf der Innenseite zudem eine Übersicht über die wichtigsten Regeln und Punkteoptionen enthalten, muss man zwischendurch nicht umständlich im Regelheft blättern.Auktionskarten und Siegpunkte-Chips von "Viceroy"

Es gibt viele verschiedene Strategien, die zu Siegpunkten und am Ende zum Sieg führen können, daher wird das Spiel auch nach mehreren Partien nicht langweilig. Da es so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Punkte zu sammeln, ist es während des gesamten Spielverlaufs schwierig abzusehen, wer am Ende die Nase vorne haben wird. Soll man also in einer Runde gezielt nichts bauen, um in der nächsten Runde die Konkurrenz mit gezieltem Kartenersteigern und massenhaftem Bauen in die Defensive treiben? Soll man schnell in die Höhe bauen, um hohe Boni einzusammeln oder ist es besser, direkt zu Beginn eine breite Pyramidenbasis zu legen, die man dann langsam nach oben und zur Seite erweitert? Wann gilt es, auf dem Diamantenmarkt zuzuschlagen, um nicht mit den letzten Resten vorlieb nehmen zu müssen?Playerscreen von "Viceroy" mit dem Motiv "Dame mit dem Drachen"

Fragen über Fragen, deren Beantwortung beim Steigern und Bauen, beim Grübeln und Überrumpeln und beim Betrachten der fröhlichen (wenn auch etwas martialischen) Märchenfiguren einfach großen Spaß bereitet.

Heidelberger hat übrigens auch eine deutsche Ausgabe angekündigt. Lohnt sich bestimmt.

Links gegen das Schweigen IV

Endlich sprechen zwei Bundesminister Klartext und erklären deutlich, dass man Gewalt gegen Flüchtlinge mit der ganzen Härte des Rechtsstaates begegnen werde. Doch wie beim ZDF-Sommerinterview der Kanzlerin sagt auch Innenminister de Maizière wieder „nur“, solche Attacken seien unseres Landes nicht würdig. Das stimmt. Aber es reicht nicht. Schon letzte Woche – vor den Straßenkämpfen in Heidenau – stellte SPON fest:

„Jeder Abgeordnete des Bundestags könnte diese Sätze wohl unterschreiben. Weil sie weit weg sind von Festlegungen in der konkreten Debatte.“

Dabei wäre gerade das jetzt gefragt: Eine konkrete Debatte. Darüber, wie wir den Hass beenden können. Wie es gelingen kann, unbegründete Angst, Hass und Gewalt als das zu entlarven, was sie sind, um zurückzufinden zu einem menschlichen Miteinander. Wie Zeichen der Menschlichkeit gesetzt werden und der Einsatz für eine friedliche, bunte, lebendige Gesellschaft unterstützt werden kann, damit immer mehr Menschen nicht schweigen, sondern aktiv zu genau solch einer Gesellschaft beitragen. Denn es hilft, dem Hass (im Netz und andernorts) etwas entgegenzusetzen, sich zu äußern, Haltung zu zeigen. Wie das gehen kann, hat Sascha Lobo in dieser Woche klar aufgezeigt. (Lest den Text und folgt auch den dort angegebenen Links, es lohnt sich). Lobo zitiert die Forschungsarbeit von Susan Benesch, die in Harvard Human Rights leert, zu „dangerous speech“:

„Susan Benesch hat aber auch untersucht, wie sich die Wirkung von Hassrede gesellschaftlich bremsen lässt, weil rein gesetzliche Maßnahmen häufig in Zensur münden – und hier wird es spannend: Benesch nennt die sinnvollen Gegenmaßnahmen „Counter Speech“, also Gegenrede. Dabei kommt es darauf an, Hass gerade nicht mit gleicher Münze zu beantworten, so emotional naheliegend das auch sein mag. […] Als konkretes Beispiel erklärt sie, wie der Amsterdamer Bürgermeister nach dem islamistischen Mord an Theo van Gogh sich deutlich gegen anti-muslimische Racheakte aussprach und sagte: „Ein Amsterdamer wurde ermordet. Kämpft mit dem Stift und wenn notwendig, vor Gericht. Aber nehmt niemals die Justiz in die eigenen Hände.“ In den Tagen nach dem Mord geschahen im ganzen Land Racheakte gegen Muslime – außer in Amsterdam.“

Doch viel zu oft passiert genau das Gegenteil. Nicht nur in der Bildzeitung.  Auch Politiker tragen durch das, was sie sagen und wie sie es sagen, dazu bei, Vorurteile zu stärken. Zum Beispiel, wenn Bayerns Innenminister Herrmann allen Ernstes fordert, dass die EU Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und Griechenland einleitet, weil diese der Menge von Flüchtlingen im Angesicht ihrer eigenen Lage nicht ganz alleine Herr werden und die anderen EU-Länder mit in die Pflicht nehmen wollen.

Parallel fordert Innenminister de Maizière (ja, genau der, der gerade so unangenehm unpräzise von „für unser Land unwürdig und unanständig“ redet, wenn es um Gewalt gegen Ausländer und Polizisten geht), er fordert also „unattraktivere Leistungen“ für Flüchtlinge, weniger Taschengeld, mehr Sachleistungen. Als wäre das der Grund für Menschen, alles hinter sich zu lassen und sich auf eine lebensgefährliche Flucht zu machen, weil alles besser ist als das, wovor sie weglaufen. Und als stimmten all die hasserfüllten Parolen vom Boot, das voll sei und den Kosten, die wir uns nicht leisten können. Und Angela Merkel? Schweigt. Immerhin erhebt Familienministerin Manuela Schwesig die Stimme. Es ist schade, dass sie wie eine einsame Ruferin in der Wüste erscheint, wenn sie ihren Kabinettskollegen de Maizière hart für seine Äußerungen zum Thema Taschengeld für Flüchtlinge kritisiert.

Andere Politiker sagen gar nichts. Das macht aber nichts besser. Ganz im Gegenteil.

Dabei geht es gar nicht um Schwarz-Weiß-Malerei. Es geht darum, komplexe Zusammenhänge zu beleuchten, Hintergründe zu verstehen. Der Kölner Kardinal Woelki hat den Balkan bereist, sich eine eigenes Bild gemacht und versucht, eine differenzierte Haltung nicht nur einzunehmen, sondern auch zu kommunizieren. Doch auch hier frage ich mich: Wenn er das Wort „Armutsflüchtlinge“ so schrecklich findet, wie er (durchaus glaubwürdig) sagt: Warum benutzt er es dann?

Sprache kann helfen, komplexe Zusammenhönge besser zu verstehen. Wörter, die falsche Bilder hervorrufen, die aus Vorurteilen Vorverurteilungen machen, wirken aber oft wie Nebelkerzen, die die Sicht verstellen. Daher ist es wichtig, immer wieder Fakten zu lesen und sich zu merken. Das kann helfen, wenn man die oben bereits genannte „Gegenrede“ ernstnehmen und umsetzen will. SPON vermittelt zum Beispiel Hintergründe zum Thema Balkanflüchtlinge:

„Kein Wunder also, dass neben Kriegsflüchtlingen auch Tausende Sinti und Roma nach Mitteleuropa kommen wollen. Nach Angaben des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma verlassen viele von ihnen ihre Heimat notgedrungen und gegen ihren Willen. Würden sie nicht diskriminiert, würden sie wohl bleiben. Wie sie schließlich aufgenommen werden, hängt dabei vom Land ab, in dem ihre Flucht endet: Frankreich etwa erkennt laut „Süddeutscher Zeitung“ Sinti und Roma als „gruppenspezifisch Verfolgte“ an – Deutschland nicht.“

Und auch das hilft, mir zumindest: Satire (wie hier im Migazin):

Auf die stark zunehmenden Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland haben mehrere Balkan-Länder nun mit einer Gesetzesänderung reagiert. In Serbien, Mazedonien sowie in Bosnien und Herzegowina gilt Deutschland ab sofort nicht mehr als sogenannter „sicherer Staat“.

Zum Glück gibt es auch die kleinen Schritte, die Beispiele dafür, wie einfach es sein kann, aktiv zu werden, zu helfen. Diese ganz besonders fröhliche Aktion verdanken einige Flüchtlingskinder der Feuerwehr Osnabrück. Klasse Sache.