Juli, wann ist das denn passiert?

Zwischendurch hatte ich gedacht, dass das mit dem verschobenen Zeitempfinden sich wieder einpendelt. Auf irgendwie sowas wie „normal“, oder wenigstens ein neues Normal. Irgendwas, was wieder eine Orientierung ermöglicht. An manchen Tagen fühlt es sich auch so an. Aber dann ist es plötzlich Juli und ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist.

Der Berg mit Arbeit liegt noch immer auf dem Schreibtisch (mittlerweile sind es wieder zwei, zu Hause und im Büro), er hat sich verändert, aber seine Höhe ist ziemlich gleich geblieben. Eine neue Aufgabe ist mir da zugewachsen und ich wage die ersten Schritte hinein in das Neue, das sich geichzeitig schon vertraut anfühlt. Gleichzeitigkeit und Widersprüchlichkeit allerorten. Vielleicht ist es diese ständige Doppeldeutigkeit, die dazu führt, dass ich aus der Zeit gefallen bin – oder die Zeit aus mir.

Die Liste der Menschen, die ich gerne mal wieder in den Arm nehmen würde, ist lang und länger, auch wenn ich den einen oder die andere mittlerweile wiedergesehen habe.

Morgen nehme ich erstmals seit einer halben Ewigkeit März an einer Veranstaltung teil – mit deutlich weniger Menschen als urspünglich geplant, mit viel Abstand und Hygieneregeln. Mit mehreren Masken im Gepäck, da ich vermutlich eine oder zwei durchschwitzen werde, weil: Luftfeuchtigkeitsvorhersage. Die Unsicherheit bleibt, vor allem aber Vorfreude. Freude, diesen Festtag mit den beiden Hauptpersonen verbringen zu dürfen. Freude, liebe Menschen wiederzusehen. Bekanntschaften zu vertiefen und andere Menschen kennenzulernen. Dinge, die mir vorher so selbstverständlich vorkamen und die nun als besondere Highlights erscheinen.

Auch neu: Verbundheit mit Menschen per Livestream, während ich selbst nicht am Rechner sondern live vor Ort bin. Nicht das erste Mal, aber das erste Mal unter den Bedingungen einer Pandemie, die dafür sorgt, dass die einzelnen nicht selbst entscheiden können, ob sie dabei sein wollen oder nicht. Und die gleichzeitig dafür sorgt, dass Menschen digital dabei sind, die diese Chance sonst nicht gehabt hätten. Schon wieder ein Fall von Gleichzeitigkeit und Doppeldeutigkeit. Aber vor allem einer von Herzlichkeit und Freude.

Heute ist Freitag und seit dem 20. März ist das der Tag des #freitagsritual.s Was es damit auf sich hat, hat Claudia aufgeschrieben. Und ich stelle Woche für Woche fest, dass diese Weggefährt*innen mir Kraft geben. Und ein Blick ins Bilderalbum mit den freitäglichen Bildern von Wasser und Brot oder Kaffee und Knäcke oder Wasser und Rosen hilft mir dabei, zumindest rückblickend ein wenig Struktur in diesen stetig fließenden Zeitfluss zu bringen. Das Foto vom 13. März zeigt das Meer auf Norderney. Und die Fähre bei der Überfahrt. Windig war es und ganz schön schaukelig. Der Kapitän forderte uns auf, sitzen zu bleiben und uns gut festzuhalten.

Irgendwie fühlt es sich so an, als sei ich noch immer auf hoher See. Und während ich das schreibe, merke ich, dass ich das normalerweise liebe: Am Meer, auf dem Meer zu sein.

Neue Aufgabe also: Ausschau halten nach den Leuchttürmen in dieser unbekannten See. Damit die Riffe und Untiefen, die Strudel und Seeungeheuer uns auch weiterhin nicht verschlingen. Auf eine neue Woche. Ahoi.

 

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