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Der Leuchtturm von Pontusval

Einer meiner Lieblingsleuchttürme (also nach Ar Gueveur, natürlich) steht in Brignogan und heißt Phare de Pontusval. Er ist eher klein, sein Leuchtfeuer ist aber mächtig und reicht bis zu zehn Meilen weit. Damit ist er der Hauptleuchtturm zwischen der Île Vierge und der Île de Batz. Ein paar technische Daten findet ihr hier. Richtig schön finde ich auch die Legende, die sich um die Felsspitze rankt, auf der der Leuchtturm seit fast 150 Jahren den Seefahrern Orientierung gibt. Es gibt sie in zahlreichen Variationen, schließlich sind wir hier an der Côte des légendes, der Küste der Legenden, das verpflichtet.

Der Leuchtturm von Pontusval mit dem kleinen Naturhafen davorIch erzähle euch die Version der Geschichte nach, die ich von den Conteurs de la nuit gehört habe. Am Originalschauplatz. Hach.

Aber nun lehnt euch zurück, nippt nochmal an eurem Tee, stellt euch vor, die Luft rieche ein klein wenig nach Salz, im Hintergrund rauscht das Meer, eine Möwe ruft nach ihrer Liebsten und von ferne nähert sich Hufgeklapper…

In der Burg von Roche-Maurice, ganz in der Nähe von Landerneau, waren einmal zwei mutige Ritter zu Gast, die nichts und niemand schrecken konnte. Eines Nachmittags machten sie mit ihren Pferden einen Ausritt, um die Gegend kennenzulernen. Sie ritten am Fluss Élorn entlang, bis sie an seine Mündung in der Bucht von Brest kamen. Wie sie so ritten und aufs Meer schauten, sahen sie plötzlich einen Mann, der sich von den Klippen ins Wasser stürzte und zu ertrinken drohte. Die beiden furchtlosen Ritter zögerten nicht lange, sprangen dem Mann hinterher und zogen ihn in der nächsten Bucht ans Ufer.

Als der Gerettete genug Wasser ausgespuckt hat und wieder sprechen kann, wollen die beiden Ritter natürlich wissen, warum er etwas so Verrücktes getan hat. Der völlig verzweifelte Mann seufzt tief und erzählt den beiden die ganze Geschichte: „Etwas weiter östlich von hier lebt ein fürchterlicher Drache. Das geflügelte Monster terrorisiert die ganze Gegend und fordert immer schrecklichere Tributzahlungen. Er frisst kleine Tiere und unser Vieh und jetzt fordert er auch noch Menschen als Futter. Jeden Samstag wird unter den Bewohnern der umliegenden Orte ein Name ausgelost und dieser Mensch wird dem Drachen zum Fraß vorgeworfen. Dieses Mal wurde der Name von meinem Sohn gezogen. Er ist doch erst zwei Jahre alt. Und da dachte ich, ich ertränke mich und dann können die Leute mich dem Drachen zum Fraß vorwerfen. So wollte ich meinen Sohn retten.“

Die beiden Ritter erschauern, aber natürlich wollen sie helfen. Sie beraten sich mit dem Mann, der heißt, wie der Fluss, den sie entlanggeritten waren: Élorn. Dabei erfahren sie, dass Élorn Heide ist. Die beiden Ritter sind überzeugt: Ihre Mission, den Drachen zu vernichten und die Menschen in der Gegend zu erlösen, kann nur gelingen, wenn Gott selbst dabei hilft. Élorn ist skeptisch. Was soll Gott mit dem Drachen zu tun haben? Da erzählen ihm die Ritter  Geschichten aus der Bibel und Erzählungen von Heiligen, die mit Gottes Hilfe Drachen und andere Untiere besiegen konnten. Der verzweifelte Vater ist überzeugt und verspricht seinen Rettern, sich so schnell wie möglich taufen zu lassen. Diese Nachricht gibt den beiden tapferen Rittern den letzten Anstoß und sie ziehen los, um gegen den Drachen zu kämpfen.

Sie finden das Monster in der Nähe von Kerlouan. Vor Hunger ist es ganz schwach geworden und eingeschlafen. Die Ritter fangen den Drachen, indem sie ihm ein langes Seil um den Hals binden. Dabei wird das Untier wach, schlägt wild mit den Flügeln um sich und speit Feuer. Der Kampf ist lang, doch am Ende gelingt es den Rittern, den Drachen bis zu den Klippen von Brignogan zu zerren.

Leuchtturm von Pontusval von der Rückseite aus gesehen mit großen Felsen im VordergrundSie werfen ihm einen Vogel, den sie gejagt hatten, als Köder hin und der Drache springt dem Köder hinterher. Dabei zieht der das Seil, an dessen Ende die Ritter schwere Steine gebunden haben, hinter sich her, fällt ins Wasser und ertrinkt. Angeblich kann man die Stacheln seines Schwanzes noch in den Felsen vor der Landspitze erkennen. Seither heißt diese Stelle jedenfalls Pontusval oder, wie die alten Bretonen sagen: Poul beuz an eval, das heißt: Abgrund, an dem die Bestie ertränkt wurde.

Phare de Pontusval mit den davorliegenden Felsen in der Abendsonne