Sätze, die mit: „Ich will euch ja nicht die Nase lang machen, aber…“ anfangen, sind immer dann gut, wenn man sie selbst sagen kann. Da ich heute in dieser glücklichen Lage bin, müsst ihr jetzt da durch. Aaaaalso:
Ich will euch ja nicht die Nase lang machen, aber der Lieblingswhiskytrinker und ich waren bei einem Raritäten-Tasting. (Fast) nichts jünger als 20 Jahre, Einzelfassabfüllungen, besondere Ausgaben, kaum noch zu bekommende Schätzchen, Whiskyraritäten eben.
Nein, wir haben nicht im Lotto gewonnen, aber auch in der Familie hat es sich herumgesprochen, dass wir den schottischen Destilaten zugeneigt sind und so war dieser Abend ein besonderes Geburtstagsgeschenk. Dass das Ganze im herrlich romantischen Ambiente (ich sage nur: Gewölbekeller) im Weinhaus am Brunnen mit den fröhlichen und kompetenten Kommentare von Inhaberin Claudia Drigalsky (vertraut der Nase dieser Frau!) am Fuße des Schwarzwaldes (nebeldurchzogenen) stattfand, war ein Extra-Bonus.
Bevor ich mich hier gleich in Tastingnotes und Namedropping ergehe, spendiere ich euch ein paar Gedanken zu der Frage, warum ich Whisky mag. Erstens natürlich, weil er mir schmeckt. Zumindest viele Varianten davon. Und damit wären wir schon beim zweiten Grund: Weil er so vielfältig ist. Jede Region, jede Distille, jedes Fass schmeckt verschieden und erzählt von seiner Herkunft, Machart, von den Menschen in seiner Region, vom Wetter, von … Mal schmeckt man Salz und Algen und den Wind an der Küste, mal Frucht und Schokolade und Karamell, dann wieder Herbst und Pflaumen und Erde. Und natürlich Torf. Den ich überraschenderweise nach und nach immer mehr schätzen lerne. (Wobei ich beim Laphroig lieber aussetze und dafür – bien évidemment 🙂 – einen mit Buchweizen gemachten Eddu aus der Bretagne bevorzuge.)
Last but not least ist Whisky für mich ein gemeinschaftliches Getränk. Er schmeckt mir am besten in fachsimpelnder Gesellschaft, mit aus- und abschweifenden Gesprächen, an Abenden mit viel Gekicher, heißen Diskussionen, fröhlichen Spielerunden oder in der schweigsamen Gemeinschaft guter Freunde. Das ist auf dem schon besungenen heimischen Sofa besonders gemütlich, der kerzenbeschienenen Abend im alten Acherner Gemäuer war aber auch gut geeignet.
Empfangen wurden wir draßen am Brunnen mit einem Strathmill aus der Old Mal Cask Serie von Hunter Laing & Company, 21 Jahre alt, Fassstärke. Was für ein Start. Etwas Malz und Butter und ganz viel Frucht in der Nase. Im Geschmack abgerundet und komplex; nach Pfirsich, Traube, Nüssen und ein kleines bisschen Pfeffer.
Fruchtig ging es weiter mit einem Dalmore King Alexander III. Die großartige Farbe stammt zwar von Zuckercouleur, doch das tut dem Geschmack keinen Abbruch. Man riecht Toffee und Schokolade und schmeckt, dass das exklusive Tröpfchen nicht nur im Eichenfass lag, sondern auch in Portwein-, Sherry-, Madeira- und Cabernet-Sauvignon-Fässern. Das Finish überrascht mit noch mehr Crème als die Nase verheißen hatte. Und natürlich ist auch die Flasche ein Hingucker mit dem eleganten Geweih eines Zwölfenders, den der Dalmore-Clan tragen darf, weil einer seiner Chefs Alexander III. das Leben rettetet, indem er den Hirsch erlegte (zu diesem Zeitpunkt des Abends konnte ich mir die Begleitgeschichten noch merken…;-)).
Der Caledonian 1964 (abgefüllt 2012) aus der SCOTT’S Selection ist ein Single Grain und schmeckt mir trotzdem. Überraschung. Er ist weich und rund und hat trotzdem Tiefgang. Kein Torf (Lowland eben), dafür Gewürze ohne Ende, Zimt, Vanille, ein bisschen Holz, vielleicht sogar Banane (sagt der Lieblingstastingpartner).
Mit einem Highland Park kann man nicht viel falsch machen, aber Flasche Nr. 15 aus der Old & Rare-Reihe von Douglais Laing (destilliert im Dezember 1984 und abgefüllt im September 2012) macht ganz viel richtig. Er riecht erdig und „grün“, nach Algen und Seetang und schmeckt würzig und schwer. Mit ein paar Tröpfchen Wasser wird er runder, verströmt mehr Salz und Tang und Meer.
Noch eine Entdeckung von Douglas Laing ist der 15 Jahre alte Bowmore aus seiner Director’s Cut-Reihe. Schön trocken, ganz leicht torfig, aber mir insgesamt zu „bowmorig“.
Dafür fasse ich es bis heute nicht, dass ich mich in einen Ardbeg verguckt habe. Angepriesen wurde der Ardbeg Galileo 1999 als Nachfolger des Torfmonsters „Ardbeg Alligator“, klar, dass ich skeptisch war (auf den verzichte ich noch lieber als auf den oben erwähnten Laphroig). Aber dieser Weltraumreisende (die Marketingidee ist unschlagbar) hat so lange in Marsallafässern gelegen, dass er vor und nach und durch den Torf hindurch herrlich süß und warm und südlich schmeckt.
Der zuletzt ausgeschenkte 30 Jahre alte, 2012 abgefüllte Talisker mit seiner typischen Pfeffernote und dem extrem komplexen Gesamteindruck konnte bei mir trotzdem keinen Pokal mehr gewinnen, denn vorher gab es (tadaaaa) einen 27 Jahre alten Caol Ila, wieder aus Douglas Laings Old & Rare-Reihe. Wir probierten Flasche 28 von 171 (ja, genau, es gibt nur 171 Flaschen überhaupt, so viel zum Thema Nase lang machen) und was soll ich sagen: Er sieht schon wundervoll ölig aus, riecht ein klitzekleines bisschen medizinisch und nach Rauch und Karamell. Und schmeckt fruchtig und süß, bevor der Torf kommt. Viel Torf, aber so wundervoll eingepackt, dass er die Zunge leise kitzelt und Lust macht auf mehr. Nach der ersten Moor-Welle schmeckt man dunkle Schokolade. Den Rest sahnige Vanille nimmt die zweite Torfwelle im Abgang mit. Dieser Dram war mein Erlebnis des Abends.
Kleine Stärkung zwischendurch.
Anscheinend gibt es noch mehr Fans. Denn eine der Flaschen, die in Achern ankamen, war original verpackt, die Einschweißfolie und die Holzkiste waren unberührt. Aber innendrin hatte jemand die Flasche professionell und sauber mit einem Messer geöffnet und (vermutlich noch vor dem Versand) die Hälfte stibitzt. Ich kann es ihm nicht verdenken. 🙂