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Winterfarben

Heute war es ja etwas grauer, aber in den vergangenen Tagen habe ich auf dem Weg ins Büro durchaus öfter getrödelt. Nicht etwa, weil ich mich vor der Arbeit drücken wollte, sondern weil: Winterfarben. <3 <3 <3

winterfarben-sonnenaufgangAm Bahnsteig eingehüllt in ein dunkles Blau, das am Horizont schon etwas heller und orange-rosa-gelb wird. Nach dem Aussteigen eine Mischung aus Orange und Rosa und Grau und Hellblau.

Dazwischen Kondensstreifen in Pastelltönen und erste Verheißungen von Sonnenstrahlen. Die Fotos geben das nur maximal ein halbes Prozent so toll wieder, wie es aussieht, aber: Hach.

winterfarben-haeuserzeilewinterfarben-himmelwinterfarben-koeln

Bemerknisse auf Norderney

Den ersten Vorsatz fürs neue Jahr haben der Lieblingsmensch und ich bereits erfüllt: Wir haben ausgiebig aufs Meer geschaut und uns mit Wellenrauschen, Wind und Salzluft aufgefüllt. Gemeinsam mit Freunden waren wir auf Norderney – eine Premiere. Und dann noch in der Hochsaison (ja, genau, die Zeit zwischen den Jahren gilt dort als Hochsaison) – auch das eine Neuerung im hiesigen Ferienplan 🙂 Daher sind die Bemerknisse nicht nur von Meeresliebe geprägt, sondern durchaus auch von staunender Verwunderung über überfüllte Lokale und Menschenmassen (dass das Staunen Luxus ist, ist uns längst klar. Trotzdem).Boot vor dem Norderneyer Nordstrand bei leichtem Wellengang

Am Meer zu sein sorgt bei mir für Instant-Glück. Ich bin auch andernorts durchaus glücklich, aber am Meer könntet ihr mir quasi einen „Glücklich“-Anstecker anpinnen. Egal, wie das Wetter ist (wobei es diese Woche fast immer schön war), egal, wie der Strand oder die Felsen gestaltet sind, egal, wie stark salzgeschwängert die Luft ist: Meer und ich, das passt einfach. Sogar wenn man wegen Niedrigwasser und Wind (und vermutlich vor allem wegen Menschen in einer Reederei, die Fährfahrpläne ohne Anpassung an den Gezeitenkalender austüfteln) mehr als 2,5 Stunden in der Kälte (2°C und Windstärke 7) vor dem Fährterminal auf die Abfahrt warten muss, finde ich das Meer immer noch wunderbar.Nordstrand von Norderney bei SonnenscheinApropos langes Warten in der Kälte: Das bringt nicht bei allen Inselbesuchern das Beste in ihnen zum Vorschein. Ich bin zum ersten Mal in Leben beinahe von einem Koffer überfahren worden, beziehungsweise von dessen Besitzer mithilfe des Kofferungetüms. Und ich habe gelernt, wie lange ich trotz Aufwärmkaffees frieren kann: Circa 5 Stunden am Stück. Kein Stoffwechsel. Aber wer brauch sowas auch, wenn er einen Mann mit wunderbarerweise dauerwarmen Händen dabei hat. <3 <3 <3Kaffee auf der Fähre nach Norddeich MoleAber eigentlich war ich ja noch beim Meer. Und den Helden, die andere auf und im Meer retten. Und so sind der Lieblingsmensch und ich nun stolze Förderer der Seenotretter. Das wollten wir ja schon lange, und nicht nur immer Geld in die Sammelschiffchen stecken. So ein Hafentag ist doch eine sehr praktische Einrichtung, um solche Pläne endlich in die Tat umzusetzen. Uns schicke Typen in historischen Schwimmwesten trifft man dabei auch. Juhu!Seenotretter mit historischer Schwimmweste vor RettungskutterMit dem Ney von Norderney lassen sich unglaublich viele Wortspiele machen. Über die Qualität möchte ich keine Aussagen machen, da ein Teil meiner Antwort euch verunsichern könnte.Frisör Haarschn'eyder

Gründerzeitarchitektur im Bäderstil kann hinreißend sein. Die Dünen um die Ecke auch.

Altes Haus auf NorderneyKiosk Marienhöhe auf NorderneyDüne am Norderneyer Weststrand

Das Kino auf Norderney ist großartig. Und genauso großartig fand ich den siebten Star Wars-Teil. Wer hätte das gedacht. (Anke Gröner vermutlich, ihr lesenswerte „Kritik“ findet ihr hier.)

Kinosaal auf Norderney

Die Inselrobbe hat einen typisch ostfriesischen Namen und heißt…… Fernando. Ja genau. Integration funktioniert. Er trägt sogar einen blau-weiß-gestreiften Pullover. Eine echte Robbe haben wir jedoch nicht erspäht.Robbenstatue

Direkt vor dem Polizeipräsidium steht eine Bücherbox, die wohl auch rege genutzt wird. Zumindest standen immer wieder Menschen davor, um sich Bücher auszuleihen. Ich selbst habe aber nicht besonders viel gelesen, ich war zu sehr damit beschäftigt, aufs Meer zu schauen.

Bücherbox

Die sprichwörtliche Kühle der Norddeutschen konnten wir außerhalb der Fährgesellschaft nirgends finden. Nette Menschen allüberall. Und für eine kleine Insel gibt es eine überraschend riesige Schule.SchulgebäudeLange Strandpromenaden haben mehrere Vorteile: Menschenmassen in der Hauptsaison verteilen sich durchaus so gut, dass man (fast) menschenleere Fotos vom Meer machen kann. Es ist viel Platz für begabte Surfer und ihre Kunststücke. Und für bunte Drachen. Es gibt gleich mehrere Strandbars mit herrlichem Ausblick, der den erschreckend schlechten Kaffee vergessen lässt. Vor allem aber kann man wundervolle Sonnenuntergänge in ihrer vollen Länge und Pracht bewundern, während man einem leckeren Friesentee entgegenschlendert. Hach.

Goergshöhe vor AbendhimmelAbendrot auf NorderneyAbendhimmel über den Norderneyer DünenZackenstatue am Strand von Norderney

 

Kommt gut rein…

Ein Jahr geht zu Ende, ein neues bricht an. Ich wünsche euch, dass es ein buntes, frohes, gesundes Jahr wird.Rosaroter Abendhimmel am Strand von Norderney

Eines, in dem ihr viele frohe, glückliche Momente habt, laute oder leise, bewegte oder zurückgezogene, lärmende oder stille, in Gemeinschaft oder für euch ganz alleine.

Ich wünsche euch freundliche Menschen um euch herum und echte Begegnungen, gesprochene oder schweigende, hörende oder sehende, bekannte oder neu entdeckte.Strandabschnitt in Norderney im Winter

Ich wünsche euch den Geist des Meeres. Eine Ahnung von Nähe und Unendlichkeit, von der Kraft des Windes und der Wellen, von tosendem Sturm und erholsamer Stille, eine Ahnung von Weite und Größe, aber auch von Verlorensein und Machtlosigkeit. Eine Idee von der Stärke, die gerade daraus erwachsen kann.Wellen vor grauem Himmel in Norderney

Ich wünsche euch Segen, viel davon. Und dass ihr ihn spürt, gerade dann, wenn ihr ihn am meisten braucht.

Habt es gut und kommt gut hinein in das neue Jahr. Ich freue mich darauf.

Kunst kaufen und helfen

Nicht einfach nur reden, sondern auch handeln. Das kann jede und jeder. Und manchmal entsteht dabei ein wenig Magie mitten im gar nicht mal so winterlichen Dezembergrau. So geschehen in den vergangenen Tagen in Ehrenfeld.Hinweisposter für Art in the box in Köln

Art in the box hieß die Aktion von zwei Kölner Fotografinnen. Zahlreiche Künstler – junge Newcomer und bekannte Namen – spendeten Bilder, in der Körnerstraße wurden sie mit Bedacht gehängt und mit Preisspannen versehen. Der gesamte Erlös des Verkaufs geht an Projekte der Flüchtlingshilfe, darunter eines im Libanon, eines in Deutschland und ein Fotoprojekt mit Kindern, die bei uns ein neues Zuhause gefunden haben. <3 <3 <3Das Atelier Colonia in Ehrenfeld von außen

Allein der Rundgang zwischen all den Bildern und den Geschichten, die sie erzählen, war für den Lieblingsmenschen und mich ganz besonders. Wir sind keine Kunstexperten, lassen uns aber gerne anrühren von Motiven, Kompositionen, Farben und Atmosphären.

Noch schöner war es, dass die beiden Künstlerinnen zu quasi jedem Bild und zu jedem Künstler eine Geschichte zu erzählen wussten. So hing da zum Beispiel auch ein Poster der Flaggentausch-Aktion von Mischa Leinkauf und Matthias Wermke, von der wir bisher nichts gehört hatten und von der Thekla Ehling spannend zu berichten wusste. Folgt den Links, das lohnt sich.

Postkarten von Herlinde Koelbl ließen den Lieblingsmenschen und mich an eine gemeinsam besuchte Ausstellung vor einigen Jahren denken. Ein anderes Motiv weckte Erinnerungen an unseren ersten gemeinsamen Jahrmarktsbummel. Auf meinem Schreibtisch könnt ihr diese Erinnerung demnächst sehen. Und auch über diese persönlichen Schwelgereien hinaus gab es da so viel zu sehen und zu staunen. Nicht zuletzt darüber, dass so viele Menschen sich anrühren lassen vom Schicksal der Menschen, die neu sind in unserem Land, in unserer Stadt. Und die sich so davon zum Handeln verleiten lassen. Rundum wundervoll.Blick in den Ausstellungsraum von Art in the box

Am Ende haben wir uns beide in je ein Kunstwerk verguckt. Und so dürft ihr demnächst dieses Bild bei uns betrachten. Und eines von den Fotos, die hier zu sehen sind. Erahnt ihr, welches es ist?

Wir freuen uns auf jeden Fall auf bewundernde Blicke. Herzlich willkommen 🙂

 

Nicht mein Land?

Als ich im September inmitten einiger hundert Menschen an einer verschlossenen Grenze zwischen Serbien und Kroatien stand, sagte ich spontan: Wenn das Europa ist, will ich keine Europäerin sein. Eine Reaktion, die anscheinend nicht nur bei mir sehr nahe lag. Viele Menschen haben in den vergangenen Wochen und Monaten geäußert, dass „das nicht mein Land“ ist. Wahlweise auch „nicht meine Regierung“ oder „nicht meine Welt“.

Eine ablehnende Haltung, die auf den ersten Blick nur allzu verständlich erscheint. Sätze, die zeigen, wie fern einem gewisse Entscheidungen liegen, wie deutlich man anderer Meinung ist, manchmal auch, wie ratlos man vor einer Entwicklung steht.

Wie sehr würde ich mir wünschen, dass es so wäre. Dass die Entwicklungen, die mich so sehr verstören wie das Bauen von Zäunen und die gegenseitigen Schuldzuweisungen innerhalb der EU, nichts mit mir zu tun hätten. Dass alles einfach von selbst wieder in Ordnung käme, ohne dass es mich persönlich betrifft. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.

Das Problem ist: Es ist eben doch mein Land, meine Regierung, meine Europäische Union. Was ich so kategorisch ablehne, kommt nicht von alleine wieder in Ordnung, das geht nicht einfach wieder weg. Die Dinge, die mich – und andere – so sehr aufwühlen sind eben doch genau das: Unser Problem.

Wir müssen uns auseinandersetzen mit den Menschen, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden. Mit den Menschen, die online und offline kaum noch etwas anderes kennen als Empörung, Angst, Hass und Gewalt. Wir müssen uns auseinandersetzen mit einem europäischen Staatengebilde, das Solidarität nur noch auf dem Papier groß schreibt (und oft nichtmal mehr da). Es hilft nichts, die Augen zu verschließen und auf „die anderen“ zu zeigen. Empörung ist wichtig und richtig, aber als Gefühlsregung allein ist sie wenig hilfreich.Hinweiszettel auf w2eu.info - eine Hilfeseite für Flüchtlinge

Je länger ich darüber nachdenke, desto fester bin ich davon überzeugt, dass wir vor allem neue Wege finden müssen, um relevant von dem zu sprechen, was uns wichtig ist. Dass wir neue Möglichkeiten finden müssen, um miteinander ins Gespräch zu kommen über abstrakte Begriffe wie Demokratie, Toleranz, Solidarität, Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe. Es reicht nicht mehr aus (falls es das überhaupt je getan hat), diese Schlagworte wohlfeil im Munde zu führen. Wir müssen uns mit unseren Herzen und unseren Hirnen dafür einsetzen, den Inhalt, den wir mit diesen Begriffen verbinden, zum Leben zu erwecken. Wir müssen uns einmischen und zeigen, dass Hass und Gewalt eben nicht alternativlos sind.

Es wäre schön, wenn sich allein dadurch etwas verändert, dass viele Menschen sich dazu bekennen, etwas nicht zu sein. Da das aber nicht passiert, müssen wir uns damit auseinandersetzen, was es bedeutet, dass wir eben doch dazugehören. Wir müssen über Alternativen nicht nur reden, sondern durch unser Handeln zeigen, wie die Gesellschaft aussehen würde, in der wir uns eingeschlossen, mitgemeint, ernstgenommen fühlen.

 

Marco-Polo-Brettspiel-Adventskalender

Der Lieblingsmensch bekommt jedes Jahr einen Adventskalender. Und da er einer der größten Brettspiel-Freaks ist, die ich kenne, bekam er in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal einen gebackenen Spiele-Adventskalender (die Funkenschlag-Version aus dem letzten Jahr seht ihr hier).

Und da der aktuelle Spiele-Hit hier im Hause der Preisträger des diesjährigen Deutschen Spielepreises ist – nämlich Marco Polo aus dem Hause Hans im Glück -, gab es einen Marco-Polo-Brettspiel-Adventskalender.Lebkuchen-Spielfeld mit Zuckerschrift

Leider war Zeit im Vorfeld des Advents bei mir ein wenig knapp, weshalb das Spielbrett nicht so sophisticated ist, wie es hätte sein können (eigentlich hätte man das Ganze mit Zuckerglasur grundieren und eine farbige Landkarte aufmalen können, so wie es auf dem Spielbrett auch ist). Aber hätte, hätte, Fahrrad…undsoweiter. Daher gibt es ein Lebkuchen-Spielbrett mit Zuckerschrift. Und einige Lebkuchenkarten, ebenfalls inspiriert von diesem sehr leckeren Rezept.

200 g brauner Zucker
6 EL Honig
400 g Mehl
2 große Eier
45 g Butter
1 TL Backpulver
10 g Lebkuchengewürz
1 TL Zimt
abgeriebene Schale einer halben Zitrone
10 g Kakaopulver
60 g Orangeat
60 g Zitronat
75 g gemahlene Haselnüsse

Zum Bestreichen:
1 Eigelb, mit 2 EL Milch vermengen.

Zucker und Honig auf kleiner Flamme schmelzen lassen. Die trockenen Zutaten mischen, Eier und Butter unterrühren, Zucker-Honig-Gemisch hinzugeben und alles zu einem glatten Teig verkneten. Über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen.

Warm werden lassen, nochmals durchkneten, ausrollen und in Form bringen. Bei 180°C ca. 15 Minuten backen. Auskühlen lassen und verzieren.

Nun kann der Lieblingsmensch bis Weihnachten jeden Tag ein Stück abschneiden und verspeisen. Und gespielt wird natürlich auch 🙂

Advent 2015

Krippendarstellung am Portal einer bretonsichen Kapelle, das Kind in Marias Armen fehltIm Angesicht der Gewalt, der Kriege, im Angesicht von Folter und Grausamkeiten – so viele Fragen.

Konfrontiert mit Hass und Angst und Vorurteilen – so viele Fragen.

Da sind Krankheiten, sinnloses Leid, so viel Ungerechtigkeit – und so viele Fragen.

Wir fühlen uns hilflos, kraftlos, ohnmächtig – und haben so viele Fragen.

Advent.

Keine Antworten. Aber eine Verheißung.

Rorate coeli.

 

Familiengeschichten: Deutsch-französischer Grenzverkehr

Bei Proust ist es eine Madeleine, die die Erinnerungen an die Kindheit des Erzählers der Suche nach der verlorenen Zeit zurückbringt. Bei mir sind es zum Beispiel Orangen, die Erinnerungen auslösen, Erinnerungen an meine Großeltern im Saarland. Ganz besonders an meinen Großvater. Opa Paul, wie wir Kinder ihn nannten, war Bergmann. Solange ich denken kann, hing seine Bergmannsmütze an einem Nagel. Es muss noch eine Mütze gegeben haben, eine blaue mit französischen Aufdruck: Denn vor dem Bergbau war Opa zuerst einmal französischer Grenzpolizist. Nach dem Krieg, von dem er uns Enkeln nie erzählt hat, und von dem er auch seinen Kindern kaum etwas erzählt hatte.

Meine Mutter erinnert sich, dass er einmal davon erzählte, wie sie auf der Flucht in Polen durch einen Fluss schwimmen mussten, neben ihm wurden Soldaten erschossen. Irgendwie hat er überlebt. Und wurde nach dem Krieg Grenzer bei den Franzosen. Das Saarland gehörte bis 1956 als Protektorat zu Frankreich. Und er tat Dienst an der Grenze. Kontrollierte Grenzgänger, suchte nach Schmuggelware. Eines Tages musste er Orangen beschlagnahmen. Eine ganze Schale voll. Waren sie nicht verzollt? Gab es Hinweise darauf, dass sie gestohlen waren? Ich weiß nicht, warum er sie beschlagnahmen musste. Aber da stand nun diese Schale Orangen. Was tun, mit den süßen, in seinem Dorf so seltenen Früchten? Eigentlich hätte er sie wegwerfen müssen. Natürlich. Schließlich war er ein Mann des Staates, ein Ordnungshüter. Ich erinnere mich daran, dass wie dieses Wort beim Erzählen jedes Mal besonders betont aussprach.

Ich erinnere mich auch an seinen Hut, den er abnahm, um ihn in den Händen zu drehen und ihn dann, jetzt aber ganz gerade, wieder aufzusetzen. Ich erinnere mich an die Kreuzworträtsel, die er so gerne löste – von oben links nach unten rechts. Bloß nicht wild durcheinander. Auf die Weiße-Rabe-Zigarillos, die er rauchte und deren Schachteln immer genau übereinander gestapelt im Schrank lagen, neben einer Packung Salzstangen, aus der für uns Kinder manchmal eine Handvoll entnommen und in ein nur dafür benutztes Glas mit blau-goldenem Muster gestellt wurde. Das Glas wurde nach dem Kinderansturm wieder genau in die Mitte des Spitzendeckchens auf dem Büffet zurückgestellt. Ordnung eben.

Aber dieses eine Mal hütete Opa Paul nicht die Ordnung. Sondern einen Schatz. An diesem einen Tag ließ er die Vorschriften Vorschriften sein. Und freute sich auch Jahre danach diebisch über seine Traute. Wenn er erzählte, wie er die Orangen still und heimlich und vor allem schnell in seiner Tasche verschwinden ließ, wie er sich vorstellte, wie seine Frau – meine Oma – sie zu Hause schälen würde. Wie sich alle an der exotischen Süßigkeit freuen würden. Wenn er das erzählte, war er ein Held, mein Held. Warum ich euch das erzähle? Ich habe heute Orangen gekauft…

Erschütterung

Arc de triomphe in Paris am 11.11.2011, mit Tricolore zu Ehren des Nationalfeiertags (Ende des 1. Weltkriegs)

Ich bin noch immer erschüttert von den Anschlägen in Paris. Gestern Abend, wir wollten gerade schlafen gehen, hörten wir von den Anschlägen. Wir haben den Fernseher angemacht, das Internet. Als würden Informationen helfen, das Unverständliche zu verstehen. Nach einer kurzen Nacht fühlte es sich heute noch genauso unverständlich an.

Was mich ähnlich stark erschüttert sind die Reaktionen einiger Menschen, die den Terror, der sich plötzlich so real anfühlt – weil er an Orten stattfindet, die uns so nah sind, Straßen beherrscht, die ich kenne und liebe -, Menschen also, die diesen Terror instrumentalisieren, Sündenböcke suchen. Menschen, die Flüchtlinge pauschal verdächtigen, die Hass schüren oder glauben, dass sie mit düsteren Andeutungen und fröhlichen Smileys reagieren müssen, wo Anteilnahme und Menschlichkeit gefragt wäre.

Es ekelt mich an, wenn pauschal die Menschen, die vor genau diesem Terror fliehen (den es in Syrien, im Irak und andernorts täglich gibt), jetzt erneut unter den Auswirkungen des Terrors leiden sollen.

Zum Glück gibt es auch das genaue Gegenteil. Staunend und gerührt habe ich verfolgt, wie Menschen in Paris ihre Wohnungen für Fremde geöffnet haben, die gestern Nacht keine Zuflucht hatten, die Schutz suchten und nicht wussten wohin. #PorteOuverte las ich dutzendfach in meiner Timeline. Von Menschen, die nicht mehr nach Hause kamen und von solchen, die ihre Wohnung, ihr Sofa, einen Tee, ein Glas Wein oder Nutella anboten. Inmitten des Entsetzens, der Sprach- und Hilflosigkeit, inmitten der Angst offene Türen und offene Herzen.

#Prayforhumanity