Die Nachricht an sich ist schon schockierend genug: Ein geliebter Mensch muss notoperiert werden. Das ist schon in „normalen“ Zeiten schwer. Und jetzt ist da auch noch eine Pandemie. Und Feiertage. Ein paar Bemerknisse aus dem überraschend analogen Wahnsinn drumherum.
Der Hospitalisierungsindex am Zielort klingt nicht besonders beunruhigend, 2,4 (leicht steigend) – das ist der niedrigste von allen Orten, die ich in der Corona-Warn-App gespeichert habe, um mir schnell ein Bild über die Lage am Wohnort von lieben Menschen machen zu können. Ein gutes Stück unter dem Bundesdurchschnitt. Ähnlich sieht es bei der Zahl der Neuinfizierten aus. Trotzdem ist die Intensivstation so voll, dass ein älterer Patient mit hohem Überwachungsbedarf schon nach einer Nacht nicht mehr dort bleiben kann. Was ich mehr oder weniger als erstes verstehe: Der „niedrige“ Hospitalisierungsindex bedeutet in der Realität absolut nicht das, was ich mir darunter vorgestellt hatte.
Dass dieser Patient, der mir so sehr am Herzen liegt, überhaupt in dem kleinen, seinem Wohnort nahen Krankenhaus operiert und behandelt werden konnte, gleicht einem Wunder. Andere Patienten mussten im gleichen Zeitraum abgelehnt, weitergeschickt, an andere Orte verwiesen werden. Geplante Operationen wurden auch dort verschoben. Dass diese eine sich nicht planen ließ, sondern wie ein Blitz über uns hereinbrach – wer hätte gedacht, dass so etwas mal was Positives sein sollte.
Die Station ist nur mäßig besetzt. Das liegt, wie an so vielen ähnlichen Orten auch, nicht an fehlenden Betten, sondern an fehlendem Personal. Abgezogen, umbesetzt. Auf die Intensivstation. Auf die Isolierstation. Das mit dem Hospitalisierungsindex und der großen Differenz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit hatten wir ja schon.
Das Personal ist unglaublich freundlich und geduldig. Bei Genesungsspaziergängen über den Flur sehe ich aber auch, wie schnell sie laufen müssen, um allen Klingeln und roten Lichtern gerecht zu werden. Meine Bewunderung für diese Menschen war schon vorher enorm und ist noch gewachsen.
Zum Einlass ins Krankenhaus braucht man:
- Impfnachweis (vollständig)
- Negativen Testnachweis in Papierform (!) – Schnelltest nicht älter als 24, PCR nicht älter als 48 Stunden
- Ausweis
- einen ausgefüllten Zettel mit den persönlichen Daten sowie Infos zum besuchten Patienten für eine mögliche Kontaktnachvervollgung
Ich finde die Zugangsvoraussetzungen an sich ganz wunderbar und unbedingt unterstützenswert. Aber dass ich das Testergebnis nicht digital vorzeigen kann, ist doch ein wenig frustrierend. Die Papierpflicht bringt mit sich, dass ich bei einem der (zum Glück in der Stadt zahlreich vorhandenen) Testzentren bei Kälte, Regen oder Hagel unter einem schon leicht zerfetzten Sonnenschirm oder in einem kleinen Wartezelt mit unangenehm vielen Menschen auf engem Raum auf mein Testergebnis warte und nach gut 15 Minuten ein vom Regen klammes und einmal gar von Hagelkörnern durchschlagenes Papier in die Hand gedrückt bekomme. Die Empfangsmenschen in der Klinik müssen das dann einscannen, speichern und irgendwann händisch wieder löschen. Impfnachweis und Ausweis werden in Augenschein genommen und der Besuch beim Patienten im System vermerkt. Einchecken mit der Corona-Warn-App, die Möglichkeit, einen digitalen Testnachweis vorzuzeigen oder irgendeine Lösung, die den vermutlich sowieso bis zum Anschlag belasteten Mitarbeiter*innen die Arbeit erleichtern würden? Fehlanzeige. Es funktioniert alles, aber praktisch ist doch irgendwie anders.
Das Testzentrum zu Hause mit seiner Online-Terminbuchungsoption, Benachrichtigungmail, sobald das Testergebnis vorliegt und QR-Code zum Abrufen des Ergebnisses, das bei entsprechender Zustimmung direkt heruntergeladen und in die Corona-Warn-App eingetragen werden kann, sowie der Zusicherung, dass die gespeicherte Daten nach den gesetzlich vorgeschriebenen Speicherfristen automatisch gelöscht werden, wirkt dagegen wie aus einem Science-Fiction-Film entsprungen.
Das Gegenteil von Science-Fiction bietet der Parkautomat auf dem Krankenhausparkplatz. Nach dem Ende der Besuchszeit bildet sich dort eine kleine Schlange. Die Dame vor mir kann nicht bezahlen, da ihr Kleingeld fehlt. Ich habe selbst nur gerade eben genug, um mein Ticket zu bezahlen. Ein freundlicher Herr mit Hut spaziert vorbei. Der rät der Dame, doch einfach mit Karte zu zahen. Doch ach: Der Automat hat gar keine Kartenzahloption eingebaut. Scheine nimmt er auch nicht (ein entsprechendes Fach ist zwar vorhanden, aber nicht funktionsfähig) und eine digitale Lösung zur Bezahlung wird nirgends angeboten. Der Herr kramt sein Portemonnaie hervor und kann tatsächlich einen 5-Euro-Schein in Münzen wechseln. „Das ist ja wie im Mittelalter“ schimpft er, als er weitergeht.
Beim abendlichen Nachrichtenschauen fällt mir dann noch auf: Testzentrum ist nicht gleich Testzentrum. Während die einen pflichtbewusst die Stäbchen tief in Nase und/oder Rachen stecken, geht es bei anderen so ruckizucki, dass es an ein Wunder grenzt, wenn das Testgerät überhaupt mit der Schleimhaut in Berührung gekommen sein sollte. Wird das überhaupt irgendwie kontrolliert? Wenigstens stichprobenartig? Und was bedeutet die Antwort für die in diesen Tagen von der MPK beschlossenen neuen Quarantäneregelungen? Ich versuche, nicht darüber nachzudenken und empfehle derweil gerne anderen, die einen Test brauchen, die Stationen, wo ich mich gewissenhaft getestet gefühlt habe – und wo man meinen Namen und das Testergebnis nicht laut durch die Reihe der Wartenden gerufen hat.
Eins noch zum Schluss: In Anbetracht des allerbesten Bemerknisses der Woche, des Monats, vermutlich des ganzen Jahres, wird das alles irrelevant. Denn: Die wunderbaren Menschen in der Klinik haben dafür gesorgt, dass unsere Sorgen in wenigen Tagen zusammenschrumpfen konnten. Dafür bin ich allen Beteiligten sehr, sehr dankbar.