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Große Kunst an einem kleinen Ende der Welt

Kühe vor der Mauer der Abtei Tongerlo in Flandern
Manchmal sind es die kleinen, unscheinbaren Orte, die besonders glücklich machen. Manchmal machen es aber gerade diese Orte es einem auch besonders schwer, sie zu finden. Beides trifft auf einen kleinen, malerischen Orte in Belgien – genauer gesagt in Flandern – zu. Ein Ort, in dem die Bäckerei „Backerij de Becker“ heißt. In dem die Kneipe Getränke ausschenkt und die Karte des Baguette-Ladens direkt nebenan als Speisekarte zum Selber-Kaufen-Gehen auslegt. In dem Kühe, Schafe und Windräder dafür sorgen, dass ich leichter atme.

Umleitung ins NirgendwoFalsche Umleitung in Tingerlo führt nciht zur Abtei, sondern zu einem abgelegenen Bauernhof

Allerdings ist Tongerlo zurzeit auch ein Ort, bei dem an drei von vier Ortseingängen Baustellen mit großen Durchfahrt-verboten-Schildern sind. Folgt man den Umleitungsschildern, landet man wahlweise auf der Autobahn, auf einem verlassenen Baustellenparkplatz hinter einem ähnlich verlassenen Bauernhof. Oder auf einem Parkplatz am Waldrand. Ist man da angekommen, ist man nicht falsch, sondern quasi schon mittendrin im Glück.tongerlo-abtei-aussenmauer

Denn nur einen kleinen Spaziergang an einem kleinen Bach entlang und durch ein kleines Wäldchen hindurch entfernt, liegt ein mittelalterlicher Gebäudekomplex, die Abtei von Tongerlo. Google zufolge ist vor allem das Bier der Prämonstratenser, die dort leben, berühmt. Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Aber auch die wunderschöne, großzügige Anlage der Abtei mit ihrer großen Kirche, den ehemaligen Stallungsgebäuden und dem liebevoll gepflegten Garten ist nicht der wahre Schatz des Anwesens.Eingang der Prämonstratenserabtei in Tongerlo

Dieser Schatz verbirgt sich in einem kleinen Raum, an dessen Eingang eine sehr freundliche ältere Dame sitzt, die in einem extrem charmanten Flämisch und mit ausladenden Gesten herauszufinden versucht, in welcher Sprache sie die Audio-Infos für die Besucher abspielen soll. Nur spanisch kann sie nicht anbieten – was wohl zu nahezu babylonischem Sprachgewirr führte, als kürzlich eine spanische Besuchergruppe komplett ohne Englisch-, Französisch oder andere Sprachkenntnisse außer Spanisch vorbeikam. Das Kunstwerk konnten sie trotzdem ansehen.

Abendmahl

Denn das ist das eigentlich überraschende. Hier ist man mit diesem Werk allein. Und da hängt nicht irgendein Gemälde. Hier hängt eine Leinwandversion von Leonardo da Vincis Abendmahl. Und auch das ist nicht irgendeine Kopie, sondern ein Werk, das im Atelier des Meisters und noch zu dessen Lebzeiten entstand. Der Meister soll sogar selbst Hand angelegt und (so sagt es die freundliche ältere Dame) Jesus und Johannes gemalt haben.

Der Prämonstratenserabt hatte das berühmte Fresko in Mailand gesehen und wollte es in seinem Kloster auch haben. Nur einmal ist es in den Jahrhunderten seither bei einem Feuer beschädigt und in jahrelanger Kleinarbeit wieder restauriert worden.

In Mailand werden Besucher im Minutentakt durch das Refektorium (also passender Weise den Speisesaal) des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie geschleust, damit möglichst viele Menschen das Bild sehen können. In Tongerlo können wir bleiben, so lange wir wollen. Eine kleine Einführung hilft, Details auf dem Bild zu entdecken.

Zeit im Museum

Zusammen mit einem Freund sind wir ganz allein in dem eigens erbauten Museumssaal, können hin und her gehen, nahe heran treten und mit größerem Abstand schauen. Nach dem ersten, durchaus überraschend intensiven Moment, das Bild, das ich so oft gesehen habe, live und in Farbe vor mir zu sehen, ist es genau dieses Zeit haben, das etwas Besonderes ist. Durch das intensive Schauen, das Betrachten von Farben und Perspektiven kann man das Kunstwerk ausgiebig auf sich wirken lassen. Man kann den gemalten Bewegungen folgen, die sich verändern, je nachdem wo man im Raum steht. Es ist genug Zeit und Raum, um die räumliche Dimension des Gemäldes zu erfassen, den gemalten Lichteinfall, die vielen Details in Mimik und Gestik, in Kleidung und Möbeln und nicht zuletzt bei der Darstellung der Speisen und in der Gestaltung des Hintergrundes.Prämonstartenserabtei in Tongerlo, Flandern, Belgien

Wenn nicht gerade Montag ist, kann man gegenüber der Abtei wohl lecker kleine Speisen verzehren. Zumindest hat der liebevoll eingerichtete Klostershop aber auch montags geöffnet und bietet neben religösen Karten, Andenken und Büchern (die meisten in niederländisch) auch regionale Produkte und Kalligrafien an.

Ein Spaziergang durch das weiträumige Areal und zurück an der Klostermauer zum Parkplatz rundeten unseren Nachmittag ab. Rundum schön.

tl;dr:
Ein Ausflug nach Tongerlo lohnt sich. Nicht nur, aber besonders für Kunstfreunde.

Teil der Fassage der Abtei im belgischen Tongerlo

Kapellen-Schönheiten abseits der Hauptstraße

Gerade aus dem Urlaub zurück, kommt hier schon wieder ein Urlaubstext. Diesmal einer zum Erinnern und Träumen. Und als Tipp für diejenigen unter euch, die eine Reise an eines der schönsten Enden der Welt planen (ihr wisst, wen ich meine *winkewinke*).Park von Saint Jaoua in Plouvien mit Granitkreuz

In der Bretagne gibt es ja unzählige berühmte Kirchen und Kapellen. Aber auch die weniger berühmten Bauwerke abseits der großen Touristenrouten und Hauptstraßen lohnen oft mehr als einen schnellen Blick. So gibt es zum Beispiel rund um das Städtchen Plouvien im Nordfinistère gleich mehrere kleine, aber sehr feine Kapellen.Chapelle Saint Jaoua in Plouvien

Die größte von ihnen ist die Chapelle de Saint-Jaoua. Der heilige Eremit, dem sie Standort und Namen verdankt, soll es hier mit einem wilden Büffel aufgenommen haben. Eine Tatkraft, die bis heute fortwirkt, denn dass es die Kapelle im heutigen, sehr guten Zustand gibt, verdanken wir einigen sehr engagierten Bewohnern des Städtchens, die über Jahre hinweg die Kapelle und ihre kunstvollen Schnitzereien instand gesetzt und restauriert haben.Geschnitzte Figur am Eingangsportal von Saint Jaoua in Plouvien

Leider war die Kapelle bei unserem Besuch geschlossen, doch auch der Park und die nahegelegene, sehr schöne Brunnenanlage haben den Abstecher sehr lohnenswert gemacht.Holzstatue in Plouvien an der Kapelle Saint-Jaoua

 

 

 

 

Und hier noch ein Blick in den Park, in dem irgendwer fröhliche Bilder gelegt hatte. Und natürlich auf die Brunnenanlage.Figur aus Blättern im Park der Chapelle Saint Jaoua in Plouvien, Bretagne
Brunnenanlage von Saint Jaoua in Plouviern im Nord-Finistère

Brunnen mit Heiligenfigur in PlouvienEbenfalls sehr hübsch ist Chapelle Saint Jean Balanant, quasi nur ein paar Straßenecken weiter. Sie ist viel schmuckloser als ihre Nachbarin, aber sie verfügt über einen der vielen schönen Türme aus „Granitspitze“. Außerdem gibt es eine schöne Statue von Johannes dem Täufer über dem Portal. Und ein schön instand gesetztes Brunnenhaus. Ein Abstecher und ein kleiner Spaziergang einmal um das Gelände herum lohnen sich immer.

Kirchturm aus Granit von Saint Jean Balanant in PlouvienReliefstatue von Johannes dem Täufer in Plouvien

Brunnenhaus der Kapelle Saint Jean Balanant in Plouvien in der Bretagne

Kunst kaufen und helfen

Nicht einfach nur reden, sondern auch handeln. Das kann jede und jeder. Und manchmal entsteht dabei ein wenig Magie mitten im gar nicht mal so winterlichen Dezembergrau. So geschehen in den vergangenen Tagen in Ehrenfeld.Hinweisposter für Art in the box in Köln

Art in the box hieß die Aktion von zwei Kölner Fotografinnen. Zahlreiche Künstler – junge Newcomer und bekannte Namen – spendeten Bilder, in der Körnerstraße wurden sie mit Bedacht gehängt und mit Preisspannen versehen. Der gesamte Erlös des Verkaufs geht an Projekte der Flüchtlingshilfe, darunter eines im Libanon, eines in Deutschland und ein Fotoprojekt mit Kindern, die bei uns ein neues Zuhause gefunden haben. <3 <3 <3Das Atelier Colonia in Ehrenfeld von außen

Allein der Rundgang zwischen all den Bildern und den Geschichten, die sie erzählen, war für den Lieblingsmenschen und mich ganz besonders. Wir sind keine Kunstexperten, lassen uns aber gerne anrühren von Motiven, Kompositionen, Farben und Atmosphären.

Noch schöner war es, dass die beiden Künstlerinnen zu quasi jedem Bild und zu jedem Künstler eine Geschichte zu erzählen wussten. So hing da zum Beispiel auch ein Poster der Flaggentausch-Aktion von Mischa Leinkauf und Matthias Wermke, von der wir bisher nichts gehört hatten und von der Thekla Ehling spannend zu berichten wusste. Folgt den Links, das lohnt sich.

Postkarten von Herlinde Koelbl ließen den Lieblingsmenschen und mich an eine gemeinsam besuchte Ausstellung vor einigen Jahren denken. Ein anderes Motiv weckte Erinnerungen an unseren ersten gemeinsamen Jahrmarktsbummel. Auf meinem Schreibtisch könnt ihr diese Erinnerung demnächst sehen. Und auch über diese persönlichen Schwelgereien hinaus gab es da so viel zu sehen und zu staunen. Nicht zuletzt darüber, dass so viele Menschen sich anrühren lassen vom Schicksal der Menschen, die neu sind in unserem Land, in unserer Stadt. Und die sich so davon zum Handeln verleiten lassen. Rundum wundervoll.Blick in den Ausstellungsraum von Art in the box

Am Ende haben wir uns beide in je ein Kunstwerk verguckt. Und so dürft ihr demnächst dieses Bild bei uns betrachten. Und eines von den Fotos, die hier zu sehen sind. Erahnt ihr, welches es ist?

Wir freuen uns auf jeden Fall auf bewundernde Blicke. Herzlich willkommen 🙂

 

München, spontan

Eine Wimpelkette in München mit schwarz-rot-goldenen und blau-weißen WimpelnDer Lieblingsreisebegleiter und ich hatten plötzlich und eher unerwartet einige Tage frei und sind kurzerhand nach München entfleucht. Aus Gründen. Vor allem aus einem Grund, um genau zu sein und so gab es ein sehr, sehr schönes Treffen in Pasing – und wunderbar viel Zeit zum Schlendern und Entdecken.

Flöte spielender Barockputto an einer Hotelwand in München-PasingWir mögen ja München. Sehr.

Davon konnte uns auch die Deko im aktuellen Hotel nicht abbringen. Die barockisierenden Musiker tröteten da allüberall (außer auf den Frühstückstischdecken, da tirilierten bunte Papageien auf neongrünem Grund. Nein, keine Fotos 🙂 )

Besonders gemocht habe ich dieses Mal die Hitze. Einfach nur heiß. Kein Treibhausfeeling, nirgends. Dafür leckeres Bier (klar) und der beste Kaiserschmarrn aller Zeiten.

Da wir die typischen Sehenswürdigkeiten bereits zur Genüge kennen, haben wir uns einfach ein bisschen durch die Altstadt treiben lassen und – völlig zufällig – das Glockenspiel am Rathaus in Aktion gesehen. Vom Hören schreibe ich lieber nichts, da müsste man irgendwann mal einen Glockenstimmer vorbeischicken 😉

Dem Impuls, echt bayerische Souvenirs wie eine Schwarzwaldmädelfigur oder Kuckucksuhren zu kaufen, haben wir heldenhaft widerstanden.

Schaufenster eines SouvenirladensDem Impuls, Kunst zu kucken, nicht. Und so waren wir – mal wieder – in der Alten Pinakothek. Davon kann vor allem der Lieblingsmensch nicht genug bekommen. Und ich verstehe immer besser, warum.

Da dort gerade umgebaut wird, gibt es zurzeit eine Ausstellung mit Neuen Nachbarschaften, bei der man 40 Barockwerke zusammen sieht, die ansonsten in der nach Schulen und chronologisch geordneten Sammlung nicht zueinander finden würden. Da hängt dann zum Beispiel Rembrandts Heilige Familie in einem Raum mit der fröhlich auf ihrem Stuhl kippelnden Helène Fourment von Rubens. Hui.

Meine persönliche Lieblingsentdeckung ist aber die Flucht nach Ägypten von Adam Elsheimer. Natürlich ist der Sternenhimmel in der Vollmondnacht wirklich ergreifend. Ins Herz geschlossen habe ich es aber, weil Josef das quengelnde Jesuskind mit einem Grashalm kitzelt, um es aufzuheitern. #Hach.

Um dem Regen am nächsten Tag zu entgehen, haben wir dann noch ein paar Bilder, die sonst in der Alten hängen in der Neuen Pinakothek besucht. Fließender Wechsel heißt das Konzept, das, wie schon die Nachbarschaften, dem Umbau zu verdanken ist. Da hängt dann die Marquise de Pompadour neben Doña Maria Teresa da Vallabriga und der jungen Comtesse de Sorcy und selbst mir, die ich bei Kunst normalerweise auf wenig Wissen und mehr Gefühl zurückgreifen muss, wird auf den ersten Blick klar, was für ein Quantensprung da in der Portraimalerei passiert ist und was die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit (von denen weiß ich dann doch etwas mehr) damit zu tun haben könnten.

Mein neuer Liebling hier ist Ostende von Turner. Und auch, wenn man denkt, man kennt ein Werk schon aus dem einen oder anderen oder dröflfzigsten Buch (Goethe, Der Arme Poet, Caspar David Friedrichs Sumpfiger Strand), ist es doch was anderes, die Bilder im Original zu bewundern. Ich kann dann eine gefühlte halbe Ewigkeit davor stehen oder sitzen und einfach nur schauen. Klappt in München natürlich auch bei Dürers Selbstbildnis im Pelzrock oder seinem Paumgartner Altar und überraschender Weise jedes Mal wieder bei Raphaels Madonna Tempi.

tl;dr:
München. Super. Gerne wieder, am liebsten bald.

 

Kunst im Kasten

Kunst im Kasten: Ein ehemaliger Zigarettenautomat, der zu einem Kunstautomaten umgestatet wurde, oben steht ChameleonIch habe heute Kunst gekauft. Ein kleines Unikat. Aus dem Automaten. Ja, richtig gelesen, Kunst aus dem Kasten.

In der romantischen Altstadt von Kronenburg hängt das „Chameleon“ – also der Kunstautomat – gegenüber des Café Zehntscheune (in dem es wundervollen selbstgebackenen Kuchen gibt, zum Beispiel himmschlischen Mürbteig mit dünner Joghurtschicht und riesigen, süßen Erdbeeren). Aber ich wollte euch ja ausnahmsweise mal nicht vom Backen erzählen, sondern von meinem nigelnagelneuen Kunstwerk.

Kunst im Kleinformat

In dem Automaten, der unübersehbar mal ein Zigarettenautomat war, sind in die Fächer, in denen früher Glimmstängelschachteln auf Abnehmer warten, kleine Kunstwerke eingezogen. Für 6 Euro kann man sich eines aussuchen. Dabei galt es, aus 6 Motiven zu wählen. Allein diese Auswahl macht Spaß. Nehme ich lieber was Abstraktes oder ein Eifel-Motiv (schließlich steht ja auf dem Maschinchen, dass es bei der Kunst im Kleinformat um Souvenirs geht). Will ich ein schwarz-weißes Motiv oder ein Bild mit Farbe?

Diese Fragen kann man leicht beantworten, die anderen nicht. Wer ist der Künstler oder die Künstlerin? Gibt es das hier immer oder ist es eine Aktion? Wer kommt auf eine so verrückte Idee? Oder ist die Idee gar nicht plemmplemm sondern nur mein Blickwinkel ver-rückt?

Erstmal habe ich aber festgestellt, dass ich zwar genug Geld, aber nicht genug Kleingeld hatte. Ich musste also die Bedienung des Cafés nach Wechselgeld fragen und in der Sonne mit herrlich intensivem Holunder-Rosenduft in der Nase darauf warten. Was die Vorfreude eindeutig gesteigert hat. Am Ende wollte ich unbedingt das Motiv mit dem „Paradies“ haben. Erwartungsvoll habe ich die passende Schublade aufgezogen und eine kleine weiße Schachtel herausgezogen. Vorsichtig habe ich sie aufgemacht und mein Kunstwerk herausgezogen.

Das kleine Kunstwerk zeigt eine Strichzeichnung einer Frau und rechts neben ihr eines stilisierten, etwas größeren Mannes, rundherum steht auf blauem Grundgeschrieben: Das Paradies ist hier

Erst, als wir wieder zu Hause waren, habe ich den kleinen Hinweis auf den Ursprung des Chamäleons auf der Schachtel entdeckt. Die Künstlerin heißt Julia Brück und hat nicht nur diesen einen Kunst-Automaten aufgestell, sondern 25 Stück. Jedes Bild ist ein Einzelstück – jetzt fühle ich mich noch bezuckerter.

Übrigens ist Kronenburg auch andernorts schön. Richtig, das ist ein Ausflugstipp 🙂Eine Reihe von alten Fachwerkhäusern in Kronenburg mit kleinen Dachgauben und Rosenbüschen davor