In den vergangenen zwei Wochen habe ich wieder mehrere Flüchtlingshilfe-Einrichtungen besucht. Und habe dort vor allem eines getroffen: Menschen.
Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen alles hinter sich gelassen haben. Menschen, die nicht mehr retten konnten, als ihr Leben. Menschen, die Dinge erlebt haben, die sich kaum in Worte fassen lassen. Menschen, die trauern um Freunde, Verwandte, ihr einfaches, aber gutes Leben mit einem Heim, Familie und Freunden. Menschen, die Heimweh haben und versuchen, in der neu gefundenen Sicherheit Fuß zu fassen, neue Hoffnung zu gewinnen und ein neues Leben aufzubauen.
Ich habe Menschen getroffen, die die Ärmel hochkrempeln. Die längst nicht mit allen politischen Entscheidungen einverstanden und erst recht nicht immer einer Meinung sind, die aber sehen, dass ihre Hilfe gebraucht wird. Und die dann genau das tun: Helfen.
Umso unverständlicher ist für mich das, was ich unterwegs auch gehört habe und was in den vergangenen Tagen wieder stärker in die Schlagzeilen gerückt ist: Hass gegen Menschen. Wie kann man Menschen anspucken, ihnen tote Tiere vor die Wohnungstür legen? Wie kann man Hassparolen in Kindergesichter schreien? Wie kann man Brandanschläge planen und durchführen gegen die Wohnungen von Menschen?
Und wie können wir dafür sorgen, dass eben solche Dinge nicht mehr geschehen? Wie können wir, wie kann ich dazu beitragen, dass Menschen wieder als Mitmenschen gesehen werden, egal, woher sie kommen? Wie können wir Menschen klar machen, dass wir ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen – wenn sie diese sachlich äußern? Und dass Gewalt nicht akzeptabel ist. Keine Gewalt. Von niemanden. An niemandem.
Der sächsische Innenminister Tillich schießt jedenfalls weit über das Ziel hinaus, wenn er dem wütenden Mob in Clausnitz das Menschsein abspricht und sagt: „Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher.“ Sie sind eben Menschen und wir müssen und mit ihnen auseinandersetzen. Sich gegenseitig zu dämonisieren hilft nicht. Im Gegenteil.
Einige wichtige Fragen zum Thema stellt sich auch das Nuf.
Karlo Tobler hat sich in #Clausnitz ein eigenes Bild gemacht.
Andere finden kreative Möglichkeiten, auf falsche Infos und Hass hinzuweisen.
Und Hass hilft macht die wütenden rassistischen Proteste unfreiwilliger Weise zu Spenden.
Murat Suner denkt klug und ausführlich nach über die Entmenschlichung und die antidemokratische Haltung, die hinter Protesten wie denen in Clausnitz steht.
Derweil kann der Innenminister – ganz im Gegensatz zu mir – verstehen, warum die Polizei die Flüchtlinge teilweise mit Gewalt in ihre Unterkunft brachte. Sich als Chef vor seine Mitarbeiter zu stellen, kann eine gute Sache sein. Hier verstehe ich die Haltung einfach nicht.
Tilmann Baumgärtel zeigt in der taz auf, wie normale Bürger zum Online-Lynchmob werden (und greift dabei spannender Weise auf Erkenntnisse von Gustave Le Bon aus dem Ende des 19. Jahrhunderts zurück).
Martin Gommel war in Griechenland und berichtet unter anderem über die „Hotspots“ und warum er sie für besorgniserregend hält.
Lucie Marshall lädt für Mittwoch zu einem Abend mit Annette Frier und Ivan Vrgoč ein. Was das mit unserem Thema hier zu tun hat? Erfahrt ihr dort.
Dass Rassismus und Hass sich auch hinter ganz anderen Fassaden als der des „besorgten Bürgers“ (ich halte den Hohn in dieser Formulierung an manchen Tagen kaum aus) verbergen kann, zeigt Volker König am Beispiel des Tierschutzes.
Schon aus dem Januar, aber immer noch aktuell: Ein Plädoyer für Solidarität und Miteinander.
Einblicke in die aktuelle Diskussion um Flüchtlingshilfe in Europa und weltweit – vor allem im Vorfeld des World Humanitarian Summit in Istanbul – gab das Expertengespräch im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am vergangenen Mittwoch. Ich durfte dort meinen Arbeitgeber vertreten. Aber selbstverständlich lohnt es sich auch aus anderen Gründen, einiges nachzuhören und zu -lesen.
Navid Kermani und Alfred Grosser reden hingegen der Hoffnung das Wort. Das Buch steht auf meiner Leseliste jetzt weit oben.
Auch zum Hoffen: Kostenlose Online-Kurse für ehrenamtliche Deutschlehrerinnen und -lehrer.