Zurzeit ändert sich Lage für die Menschen auf der Flucht nach Europa manchmal stündlich. Ich habe das in der vergangenen Woche in Serbien selbst sehr deutlich erlebt. Länder schließen ihre Grenzen, öffnen sie wieder, lassen Menschen ins Land oder nur passieren, blockieren Straßen oder stellen Busse. Regierende korrigieren ihre Haltung, Solidarität wird innerhalb der EU an vielen Stellen zu einem Fremdwort, andere Menschen werden zum ersten Mal aktiv, spenden Kleidung oder Zeit für die Neuankömmlinge in ihrem Land. Stellen politische Fragen zurück, um die Würde der Menschen, denen nichts anderes mehr geblieben ist, zu schützen und einfach zu helfen.
In diesem schnellen Tempo sind Texte von vor einigen Tagen oder gar Wochen (ja, so lange geht das schon) schnell überholt. Doch es lohnt sich, zwischendurch innezuhalten. Sich zu sammeln. Nachzudenken, um wieder vorausschauen zu können. Daher findet ihr heute hier auch einige ältere Texte, die aber noch immer relevant sind. Diese Bilderserie auf SPON zum Beispiel, die zeigt, was Menschen einpacken, wenn sie ihr Leben in einen Rucksack packen müssen.
Pia Ziefle ruft dazu auf, nicht schweigend zuzusehen, wenn Menschen sich hasserfüllt gegen Flüchtlinge äußern. Und dazu auch die Regierung, unsere Abgeordneten, in die Pflicht zu nehmen. Auch wenn seit Erscheinen ihres Aufrufs viel passiert ist, stimmt das, was sie schreibt, noch immer. Also lesen und machen:
„Wir alle können dem ein wenig nachhelfen, indem wir unsere Stimme erheben. Und zwar nicht in den sozialen Medien, nicht erst bei den nächsten Wahlen, sondern gleich in der nächsten Mail an unsere Abgeordneten.“
Und Heribert Prantl stellte in der Süddeutschen schon Anfang des Monats fest:
„Es kann und darf nicht sein, dass Teile Europas hinter den Westfälischen Frieden zurückfallen. Europa lebt nicht nur vom Euro; es lebt von seinen Werten, von der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Freiheit der Person, der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz und der Freizügigkeit. Europa lebt davon, dass es die Menschenwürde schützt. Wenn ihm diese Werte nichts mehr wert sind, ist Europa das Überleben nicht wert.“
Was das, was mit den sechs Buchstaben „Flucht“ so schnell benannt ist, in Menschen bewirkt, wie es sie für ihr Leben kennzeichnet, dieser Frage geht eine Studie nach, der zufolge ein Drittel aller Flüchtlingskinder traumatisiert sind:
„Sie waren tagelang zum Meer gelaufen, hatten in überfüllten Flüchtlingsbooten ausgeharrt, mussten sich in Lastwagen zwischen Kisten verstecken. Sie durften nicht schreien, egal wie viel Angst sie hatten, egal wie krank sie sich fühlten, egal wie übel ihnen war.“
Auch Martin Kauls Text in der taz über die Lage der Flüchtlinge, die Anfang des Monats in Budapest festsaßen, ist immer noch lesenwert, beschreibt er doch neben der konkreten Situation im Bahnhof von Keleti viele grundsätzliche Fragen, die wir uns hier jeden Tag stellen können.
Aktueller und genauso lesenswert sind die Szenen, die Maximilian Buddenbohm aus Hamburg beschreibt.
Rayna war mit mir in Serbien unterwegs und beschreibt ein Erlebnis in einem improvisierten Nachtlager für Flüchtende in einem Park in Belgrad.