Seit gestern am frühen Morgen fällt es mir schwer, meine Gedanken zu sortieren. So unvorstellbar es ist, geht mein Alltag weiter. Es scheint so absurd zu sein, dass ich meinen alltäglichen Aufgaben nachgehe, Projekte plane, Dinge auf den Weg bringe, kreativ bin, arbeite, esse, trinke, rede wie immer – mitten in einem Krieg. Krieg in Europa.
Zwei Menschen, mit denen ich verbunden fühle, haben geschrieben, dass sie noch leben. Sie sind in Kiew und hätten die Möglichkeit gehabt, sich letzte Woche in Sicherheit zu bringen. Sie haben es abgelehnt zu gehen – ihr Aufgabe sei es, bei den Menschen zu sein, die Not leiden. Weglaufen sei für sie keine Option. Mein Herz schlägt schnell und warm, während ich das schreibe. Die beiden haben, so sagt es die Nachricht, gemeinsam mit anderen, in einem Bunker Zuflucht gefunden. Von Menschen, die ich in Charkiw kennengelernt habe, habe ich keine Nachricht. Die Nachrichten und Bilder, die ich von unbekannten Menschen sehe, gehen mir genauso nah. Ich denke an die, die helfen, die nicht weglaufen, die mitten im Wahnsinn für andere da sind und –
In all meiner fassungslosen Hilflosigkeit fallen mir im Nachrichtenstrom deutliche Worte unserer Außenministerin positiv auf. Auch von Herrn Habeck. Es kommt mir seltsam nachtragend vor, aber kurz durchzuckt mich der Gedanke, wie froh ich bin, dass dort nicht Herr Laschet sitzt und spricht. Und dann sitze ich doch wieder ratlos vor den Berichten, dass unsere Regierung zu denen gehört, die härtere Sanktionen verhindern und –
Ich bin gläubig und also tue ich, was so viele andere gläubige Menschen aller Religionen tun: Ich bete. Ich rufe, weine, schreie und verstumme den Herrn an, der uns doch die Freiheit gelassen hat, uns zu entscheiden. Dabei wird mir wieder einmal klar, dass ich es einfach nicht verstehe, wie sich irgendwer wissentlich für Krieg entscheiden kann. Also: Ich höre die Argumente und mein Verstand versucht, irgendeine verquere Logik aus ihnen herauszulesen. Die Abfolge der Ereignisse. Die Hoffnung und die Lügen. Aber wo mein Hirn schon Schwierigkeiten hat, kann mein Herz nicht mehr folgen. Wie man bewusst eine solche Entscheidung treffen kann, das –
Wer mich kennt, weiß, dass mir nicht so schnell die Worte ausgehen, aber –