Schon ist das neue Jahr beinahe zwei Wochen alt und ich stolpere so herum. Ich habe all die euphorischen „Jetzt ist der Mist endlich vorbei“-Jahreswechsel-Elogen nicht verstanden. Wobei: Verstanden, wie das kommt, habe ich irgendwie schon. Aber Verständnis dafür war keines in mir übrig. Aber mir ist ja im vergangenen Jahr sowieso das Verständnis für das Konzept Mensch in weiten Teilen verloren gegangen. Mein Verständnis für Menschen so ganz allgemein (was glücklicherwiese ganz gegenläufig war zum Verständnis für und Vertrauen in die konkreten Menschen um mich herum). Der Mittwoch mit dem Sturm auf das Kapitol und sowieso die allgemeine Nachrichtenlage helfen nicht akut beim Zurückgewinnen.
Was ist feststelle ist, dass ich, ohne es bewusst zu wollen und zu überdenken, anscheinend einen Neujahrsvorsatz gefasst habe. Und der heißt Zuversicht. Ich will zuversichlich sein – da ist ja die Impfung am Horizont und der Frühling. Da ist ein virtuelles Gefährtinnentreffen in ganz naher Zukunft, das in diesem meinem Arbeits- und Lebensinternet ein Licht anzündet. Da sind Gespräche, die mich berühren und anrühren und Bücher, auf die ich mich freue. Da ist der Artikel, der besagt, dass das, was der Lieblingsmensch und ich seit dem vergangenen März exzessiv betreiben – nämlich Spazierengehen – jetzt eine Trendsportart sei und das bringt mich tatsächlich zum Schmunzeln. Ich betreibe eine Trendsportart, wenn das kein Grund zur Zuversicht ist.
Ich will zuversichtlich sein. Der Weihnachtsbaum ist abgeschmückt und entsorgt, aber die Weihnachtspost, die von liebevollen und dauerhaften Verbindungen zeugt, die darf bleiben. Auch, weil sie mir Zuversicht spendet für Tage, an denen ich abends mit niemandem mehr reden mag und von Verbindung über alle Einschränkungen hinweg kündet.
Ich will zuversichtlich sein. Nicht diese Art von Zuversicht, dass ich in diesem Jahr alles schaffe, was seit Ewigkeiten liegengeblieben ist und die mich nur unter Druck setzt, weil ich meinen eigenen hohen Ansprüchen dann doch wieder nicht gerecht werde. Nicht diese naive Art von Vorstellung, dass Dinge sich plötzlich auf wundersame Weise ändern und alles so wird, dass ich es als vernünftig empfinde. Sondern die Art von Zuversicht, in der Vertrauen eine Rolle spielt und Geduld (auch in mich und mit mir selbst) und Nachsicht – und ab und an auch Unverständnis und Gereiztheit, weil die Zustände eben so sind wie sie sind. Aber ich lebe in ihnen und mit ihnen und tue eben das, was ich kann. Und sei es nur, einige Tage weniger Nachrichten zu konsumieren und mehr zu lesen (also Literatur, nicht Analysen zur Nachrichtenlage).
Quasi eine französische Art von Zuversicht. Denn da gibt es kein eigenes Wort, sondern man sagt „confiance“ und das meint gleichzeitig Zuversicht und Vertrauen und Zutrauen. Und das Verb ist nicht passiv (zuversichtlich sein), sondern aktiv: faire confiance.
Mal sehen, wohin diese Aktivität mich in diesem Jahr bringt. Wohlan.