Wir sind viele

Als wir ankommen, ist der Roncalliplatz schon voll. Voller fröhlicher Menschen. Voller bunter Fahnen, Plakate und Seifenblasen. Menschen von jung bis alt, von klein bis groß, von alternativ bis bürgerlich.

Ein breites Bündnis gegen Hass und für Solidarität und Mitmenschlichkeit. Viele verschiedene Meinungen – eine gemeinsame Haltung.

Am Ende sind es rund 10.000 Menschen, die gemeinsam feiern, singen, und vor allem Gesicht zeigen #kölnstehtzusammen

Was so einfach und überzeugend klingt, ist es für mich nicht. Ich bin keine Freundin großer Menschenmengen. Eine solche Demo liegt außerhalb dessen, was man heute „Komfortzone“ nennt. Ich war nicht oft demonstrieren – in den 90ern gab es Lichterketten auch am Fuß des Schwarzwalds und als junge Journalistin habe ich über eine NPD-Demo in dem damals wie heute beschaulichen Kleinstädtchen berichtet. Und dann kam lange kaum etwas bis zur Demo für Meinungsfreiheit nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo.

Ich war keine von denen, die immer vorweg auf die Straße gingen. Der direkte Dialog, auch mit Kommilitonen, Kolleginnen und Kollegen, Bekannten und Freunden, die anderer Meinung waren (und sind), ist mehr meine Sache. Diesen Dialog führe ich noch immer. Und doch überwinde ich mich immer öfter, selbst auf die Straße zu gehen. Mit dem Pulse of Europe, der Seebrücke und eben jetzt mit #kölnstehtzusammen.

Denn mir machen die Bilder Mut, die zeigen, dass es wirklich eine Mehrheit für Menschlichkeit, Menschenwürde und Solidarität gibt. Dass wir viele sind, die nicht zulassen wollen, dass der Hass gewinnt, die Vernunft unter Aggression begraben wird, Menschen nicht mehr als Menschen anerkannt und respektiert werden. Und so waren der Lieblingsmensch und ich heute zwei von am Ende 12.000 Menschen in Köln, die gezeigt haben: #wirsindmehr

Sich sichtbar machen ist anstrengend, es kostet Kraft und Zeit, Geduld und Vertrauen. Aber wenn ich nicht bereit bin, das für eine offene und freie Gesellschaft einzusetzen, wird es die irgendwann vielleicht nicht mehr geben.

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