Veränderungen im Berufsleben haben mir ein paar freie Tage außer der Reihe eingebracht. Und natürlich musste da das Stillen des Meerwehs ganz oben auf die to-do-Liste gesetzt werden. Richtig viel Zeit hatte ich für die Umsetzung des „Frau Argueveur muss das Meer sehen“-Plans allerdings nicht. Genauer gesagt hatte 1,5 Tage auszureichen – Reisezeiten inklusive.
Und so setze ich mich in einen Zug und lasse mich gemütlich nach Norddeich chauffieren. Und während die Ortsnamen immer nördlicher werden (Leer!, Emden!, Norden!), die Häuser immer backsteiniger und die Landschaft immer flacher, „sänftigt sich die Seele wieder“ – Christian Morgenstern, an mein Herz!
Und dann, kurz nach halb eins, stehe ich am Meer und was soll ich euch sagen: Instantglück. Am Meer bin ich ja immer glücklich und da ist das Wetter auch komplett egal.
Wenn ich am Wasser entlanggehe, zähle ich weder Zeit noch Entfernung. Und so wandere ich stumm und glücklich und entspannt stundenlang über Mole, Strandpromenade und Deich, um mich herum nichts als Wellenrauschen und -plätschern und das Schreien, Krächzen, Brüllen, Quietschen, Meckern, Pfeifen, Flöten und Trillern von Möwen, Enten, Strandläufern und irgendwelchen Regenpfeiferartigen – irgendwann muss ich mal lernen, die zu bestimmen und auseinanderzuhalten.
Der Himmel ist eine Symphonie in grau und natürlich ist das Meer genauso grau in tausend Varianten. Wer hat behauptet, dass Grau eine langweilige Farbe sei? Hier ist der Gegenbeweis.
Plötzlich wird es deutlich heller und einen Moment lang bekomme ich eine Ahnung davon, dass die Sonne hinter all den Wolken schon einmal ausprobiert, wie das funktioniert mit diesem Frühling und dem Dauersonnenschein.
Hinter der Strandpromenade machen die Strandkörbe noch Winterschlaf, doch ein Bagger hat schon damit begonnen, den verwehten Sand ordentlich zu verteilen.
Dann lässt der Wind nach und Regen kommt auf. Statt Salzspritzern ist es nun Süßwasser, was das Tragen einer Brille zu einem unsinnigen Unterfangen macht. Ich schiebe also die Brille in die Haare und fühle mich ein wenig sommerlich – trotz der Tatsache, dass ich meinen Wintermantel, einen dicken Schal, Thermohandschuhe und einen Flauschpulli trage.
Der Sprühniesel weicht mich langsam ein – ganz so wie in der Bretagne und ich lächle selig vor mich hin. Im „Utkiek“ wärme ich mich mit einem Ostfriesentee auf und genieße den Blick auf Regen und Meer und das Wissen, dass da drüben in all dem Nebelgrau Inseln liegen – das nahegelegene Fährterminal muss für heute allerdings als Nachweis ausreichen, sehen oder auch nur ahnen kann ich nichts.
Als ich einigermaßen warm und trocken bin, muss ich wieder raus auf den Deich und in den Wind. Ich wickle mich in Schal und Mantel und lasse mich einmal komplett durchpusten, bis ich nichts mehr denke und nur noch bin.
Bis zum Rand und darüber hinaus aufgefüllt mit Wind und Wasser und Salz und vom langen Laufen erschöpft, schlendere ich in meine Pension und stelle mich unter die Massage-Brause bis meine Muskeln wohlig warm und entspannt sind. Müde und glücklich schlafe ich quasi sofort ein, nur um am nächsten Morgen nach Kaffee, Rührei und Obst wieder am Meer zu stehen. Diesmal schon mit meinem Rollköfferchen, so dass der Ebbe-Genießen-Spaziergang am Bahnhof enden kann.
Im Zug zurück lächle ich noch immer selig vor mich hin. Spotify hat mir lauter französische gute Laune-Songs in den Mix der Woche gepackt.
Mission accomplie.
Ach, Dein Beitrag verstärkt mein Meerweh…
Liebe Grüße! 🙂
Deine Bilder heilen meines immer ein bisschen… ich wünsch dir baldige Abhilfe. <3