Bei uns im Dorf gibt es diesen einen Ort. Er liegt erhöht, vermutlich ist es sogar die höchste Stelle. Eine kleine Kapelle steht darauf und eine alte Kastanie. Zwischen diesen beiden liegt der Platz. Die Pflastersteine ergeben kein spektakuläres Muster, es gibt keinen Brunnen oder sonst irgendeine Besonderheit. Aber an drei Seiten gibt es ein Mäuerchen zum Sitzen und Atem holen. Zum Zur-Ruhe-Kommen und In-den Abendhimmel-Schauen. Zum Händchen halten. Und zum Vesper beten.
In diesem so ganz anderen Sommer ist der Platz an einem Abend in der Woche zum Treffpunkt geworden. Es ist gar nicht weithin bekannt, nur mit etwas Glück habe ich davon erfahren (wobei das größe Glück dabei ist, die Organisatorin zu kennen – und das gilt natürlich weit über diese Aktion hinaus). Einige kommen zu Fuß, andere stellen das Fahrrad unten am Hügelchen ab. Mit Mund-Nasen-Schutz gehen wir alle nacheinander die paar Stufen der Treppe hinauf und jede*r, wirklich jede*r bleibt erst einmal stehen und sieht in die Krone der Kastanie und holt tief Luft. Schön hier.
Mit Abstand verteilen sich die Menschen – meistens eine Hand voll, nicht mal ein Dutzend, gerade so viele, dass der Platz ausreicht auf den Mäuerchen. Gemeinsam beten wir die Vesper – und wenn der Abstand ausreicht, wird sogar ein Psalm oder das Magnifikat gesungen. Lässt das Wetter es zu, wird hinterher noch geplaudert, in der Abendsonne oder – wie schön, dass es ihn gibt – im Schatten der Kastanie.
Mir tut diese Gebetsgemeinschaft aus verschiedenen Gründen gut. Zum einen ist es schön, nicht nur mit dem Lieblinsgmenschen Hauskirche zu zelebrieren, sondern Gemeinschaft zu sein, so klein und improvisiert sie auch sein mag. Zum anderen tut es mir gut zu sehen und zu erleben, dass da mitten in in unserem Dorf, wo die Kirche ab Mitte März durchgehend geschlossen und nicht einmal zum stillen Gebet geöffnet war, Menschen kreativ geworden sind und Möglichkeiten geschaffen haben, wo es offiziell keine gab. Die Sache selbst in die Hand nehmen, solidarisch sein, sich umeinander und füreinander sorgen. Kleine Dinge, die so große Wirkung haben. Wo zwei oder drei… auch und gerade auf unserem kleinen Dorfplatz.