Ich fahre in der Dunkelheit nach Hause. Wie so oft. Früher. Da war der Zug um halb sechs ab München mir vertraut. Nun sitze ich hier – zum zweiten Mal seitdem alles anders wurde. Die vertraute Landschaft zieht am Fenster vorbei, die Wiesen und die Weiden mit den Kühen, die Zwiebeltürme und die Bahnübergänge, die kleinen Städte und die großen und irgendwann, als die Sonne untergegangen ist – und nachdem sie spektakuläre violette und dunkelblaue Wolkenbänder in den Himmel gemalt hat – erkenne ich auch die Lichter wieder. Die Werbung für das Bead&Breakfast kurz vor Stuttgart, die Brückenleuchten, die sich vor Mainz im Wasser spiegeln, die Werbebotschaften der Industrie- und Gewerbegebiete rund um Mannheim, die Hochhäuser in Frankfurt und natürlich das Henkelmännchen und der Dom in Köln.
Erfüllt bin ich, voller guter Begegnungen und lieber Blicke und warmer Worte. Voller intensiver Gespräche und ehrlichem Austausch, voller Farben aus dem Garten in der Pause und voller Mückenstiche vom Abend im Park.
Erfüllt bin ich auch von Menschen, die ich nur flüchtig kenne, mit denen ich aber Wesentliches teile und die Wiederzusehen mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Erfüllt davon, dabei zusehen zu dürfen, wie alte Bekannte, Weggefährtinnen, Freundinnen sich wiedersehen – manche seit vielen Jahren das erste Mal. Einige haben Glücksgrübchen in den Wangen, weil sie den Ort vermisst haben, für andere ist es überhaupt der allererste Besuch und mit großen Augen entdecken Sie die Kapelle, die Bilder, den Garten.
Laut war es – und dann auch wieder ganz leise. Fröhlich und froh, aber das Leid und der Tod wurden in den Gesprächen nicht ausgespart. Gemeinsam, so scheint es, lässt solches Unbill sich besser ertragen.
An einem solchen Tag ist nie genug Zeit, um mit allen genug zu reden – aber nach all dieser Zeit, all diesem Werweißwaswird und Wennwirunsdannirgendwannmalsehen und Wennichjetztdawäre und SagGrüßeandiejenigendiezualtoderkrankfüronlinetreffen sind, ist jedes Wort, jedes Winken, jedes Zwinkern und jeder Blick durch den großen, langen Raum ein Geschenk, ja ein Segen. Und sogar die lange Fahrt, die sich sonst so oft immer länger anfühlte, wie ein zu lange gekautes Kaugummi: Heute fühlt sie sich schön an, wie ein Nachklingen, ein Abschiedsgruß, eine Überleitung in den Alltag – ein wenig von dem Segen dieser Stunden nehme ich dorthin mit.