Hier geht es gerade ziemlich rund. Was liegt da näher, als am Feierabend ein wenig Ruhe zu tanken und zu träumen. Daher nehme ich euch heute mal mit in ein verfallenes Gemäuer. Warum? Darum.
Nur eine Ruine? Wer so denkt, ist bei der Abbaye de Beauport falsch. Denn Ruine stimmt zwar, aber „nur“ ist definitiv verkehrt. Die alte Prämonstratenserabtei in der Nähe von Paimpol liegt direkt am Meer und lädt mit ihren alten Mauern, den zahlreichen verwunschenen Ecken, den vielen überraschenden Perspektiven und einigen überraschend gut erhaltenen Räumen ein, tief einzutauchen in Ruhe und Frieden und Träume.
Einiges über die Geschichte des Klosters, dessen Ursprünge im 13. Jahrhundert liegen, könnt ihr in der Wikipedia oder andernorts nachlesen. Auch auf den Seiten der Abtei können die französischsprachigen Menschen unter euch sich über die Geschichte des Ortes schlau machen.
Ich will euch heute kein Referat halten, sondern ein wenig schwärmen von Orten, die mir mehr vermitteln als nur das Gefühl, einen kulturell wertvollen Ort zu besichtigen. Es gibt Orte, die regen meine Phantasie an, bringen mich zum Träumen, sprechen mich auf einer Ebene an, die über die Wissensebene hinausgeht. In Beauport (was übersetzt „schöner Hafen“ bedeutet), ist das so.
Wer zwischen den zerfallenen Mauern wandelt, den erwartet hinter jeder Ecke eine neue Perspektive. Ja richtig, wer wandelt. Denn nur entlanglaufen kann man hier eigentlich gar nicht. Man muss ständig stehen bleiben, nach oben schauen, wo die Mauern in unregelmäßigen Formen enden, nach unten schauen, wo alte Grabplatten von Äbten, alte Ecksteine eines Brunnens, zwei turtelnde Schmetterlinge oder andere Schönheiten die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich ziehen wollen. Wer also hier wandelt, der kann mit allen Sinnen eintauchen in diesen Ort, der entdeckt alle paar Schritte neue Blüten und Pflanzen, neue Details, die kunstvolle Hände vor Jahrhunderten in Stein gehauen haben; der hört aber auch, wie der Wind das Rauschen der Wellen aus der nahen Bucht heranträgt, oder lauscht dem Brummen von Hummeln oder dem Zwitschern von Vögeln, die man zwischen den Blättern der Bäume nicht immer sofort sehen kann. An sonnigen Tagen riecht es nach Blütenduft und Gras, an nebligen Tagen nach Erde und Moos und Salz in der Luft.
Die ganze Atmosphäre strahlt Ruhe aus – sogar, wenn gleichzeitig dutzende andere Touristen den Reiz der Abbaye entdecken wollen. Wer sich gestört fühlt von einer Busgruppe, muss sich nur in den Schatten zurückziehen oder auf einer der alten Stufen warten, bis die eiligen Besucher wieder in Richtung Besucherzentrum strömen.
Abgesehen von den eiligen Vorbeistürmern herrscht hier also Ruhe. Und das auf eine so unaufdringliche Art, dass man einen Eindruck davon gewinnt, warum gerade Mönche hier ihre Zelte aufgeschlagen haben.
An Orten wie diesen herrscht für mich ein ganz besonderer Zauber. Ich glaube, er liegt nicht nur in der Schönheit der Landschaft, sondern auch in der Tatsache begründet, dass hier hunderte Menschen gelebt haben, von denen wir kaum etwas wissen. Und trotzdem haben sie ihre Spuren hinterlassen, die uns einen Einblick in ihre Leben geben, in das, was ihnen wichtig war, in ihren Alltag und ihre Spiritualität.
Dass das Meer so nah ist (und das Meer hat ja für mich immer einen ganz besonderen Reiz) ist ein zusätzlicher Pluspunkt. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch.