Vertrauensvorschuss

Über den Bahnstreik kann man sich als Pendler wunderbar ärgern. Manchmal bringt so etwas aber auch ganz unerwartete Erkenntnisse. So wie beim letzten (kurzen) Streik vor knapp zwei Woche. Ich war mit dem Auto auf dem Heimweg (nur vom Park-and-Ride-Parkplatz an der Straßenbahnlinie zwei Orte weiter; an solchen Tagen mit dem Auto in die Stadt zu fahren, ist noch wahnsinniger als sowieso schon). Da der Frühling so bunt, die Blüten der Bäume so bezaubernd und die Vögelgesänge so fröhlich waren, überkam mich beim Eiscafé im Nachbarort die spontane Lust, dem Lieblingsmenschen und mir ein etwas anderes Abendessen zu bescheren und Eis mitzubringen.

Ich ging also voller Vorfreude in die Eisdiele, bestellte, kramte mein Portemonnaie heraus – und stellte fest, dass ich ja tagsüber mehrfach bar bezahlt hatte und daher nicht mehr genug Bargeld dabei hatte. Mit Karte zahlen kann man dort nicht. Also sagte ich dem freundlichen italienischen Eiskünstler, er solle die zweite Kombi weglassen, dafür habe ich nicht mehr genug Geld dabei.

Der nette Herr lächelte breit und sagte: Kein Problem, Signorina. Sie können ein anderes Mal bezahlen. Als ich protestierte, schuf er einfach Fakten, indem er die Lieblingseissorten des Lieblingsmenschen schwungvoll in einen Becher beförderte und eine Eiswaffel darauf legte.

Ich protestierte wieder und erntete das breiteste Lächeln, das ich seit langem gesehen habe. Das Eis wurde mir über die Theke gereicht und nochmals betont, dass es nicht eile mit dem Bezahlen, ich solle das einfach irgendwann nachholen.

Nun ist es nicht so, dass ich dort Stammkundin wäre. Ich bin letztes Jahr maximal zweimal dort gewesen und in diesem Jahr noch gar nicht. Ich bin ziemlich sicher, dass der Inhaber sich nicht an mich erinnert hat. Und doch schenkte er mir seine Fröhlichkeit, sein Vertrauen und (erstmal) sein Eis.

Ich habe aus dem nächstgelegenen Automaten neues Bargeld gezogen und ihm noch am selben Abend vorbeigebracht. Ich erntete Unverständnis und Protest, ich hätte ihn ruhig ernst nehmen und irgendwann bezahlen sollen. Fast war der nette Herr beleidigt, dass ich so kurze Zeit später schon wieder da war. Und mein Trinkgeld nahm er auch nur unter lautem Schimpfen und Kopfschütteln an.

Ganz ehrlich: So etwas habe ich in dieser Form noch nie erlebt. Und da das Eis dort auch noch wirklich lecker schmeckt, mache ich hier mal unverschämt Werbung für den freundlichen Service und das nette Lächeln und das unerwartete Vertrauen: Geht also alle zum Matteo Boccuzzi Eiscafé in Wessling. Und wenn ihr da seid, bestellt einen riesigen Eisbecher oder so viele Kugeln, wie auf eine Eiswaffel passen, lächelt den Inhaber besonders freundlich an, und bezahlt gleich. Das hat er mehr als verdient.

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