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Was schön war

Ich muss früh morgens etwas abholen in der Nähe des Kölner Bahnhofs. Als ich alle Unterlagen bekommen habe, ist es immer noch früh. Die Ruhe auf der sonst so hektischen Domplatte tut mir gut. Der schneidend kalte Wind, der sich hier wie immer fängt, allerdings nicht. Im Dom ist es noch stiller. Der Domschweizer am Hauptportal weist mir müde und stumm den Weg auf eine der Seiten. Der Mittelgang ist gesperrt. Ich gehe an der Seite vorbei und setze mich in eine der Bänke. Ruhe finden nach dem frühstartenden Morgen und vor dem Arbeitsberg, der im Büro auf mich wartet.

Ein leises Klackern lässt mich aufhorchen. Es ist ein ungewöhnliches Geräusch hier im ganz stillen Dom. Nicht die Schritte eines anderen Besuchers. Nicht der Schweizer, der die Absperrung löst, kein Lärm, als sei irgendwo etwas heruntergefallen. Mehr wie ein Wischen und Klopfen auf Holz. Wie… Putzen. Und genau das ist es auch.

Zwei Frauen mit kleinen Putzwägen biegen aus den Seitenschiffen Richtung Mittelgang ab. Sie wischen den Boden und stoßen ab und zu mit den Wischmopps an den Rand der Bänke. Nach jeweils einigen Reihen gewischten Bodens wringen sie das Tuch aus, putzen die Kniebänke. Dann stellen sie den Mopp zur Seite, wringen ein anderes Tuch aus einem anderen Eimer sorgfältig aus und wischen auch Sitzflächen und Rückenlehnen der Bänke.

Langsam, aber zielstrebig und sorgfältig bewegen sie sich durch die Reihen. Eine von ihnen hält ab und zu für ein paar Sekunden inne, streckt den Rücken, massiert sich den Nacken, blickt kurz auf den prunkvollen Hochaltar. Dann greift sie wieder zum Wischmopp, putzt weiter Reihe für Reihe. Einige Bänke schräg vor mir sitzt ein älterer Herr. Er scheint tief ins Gebet vertieft. Vorsichtig nähert sich die Putzfrau, wischt den Boden bis in seine Nähe, geht dann einmal um die Bänke herum und wischt von der anderen Seite ebenfalls vorsichtig bis in die Nähe des betenden Herrn.

Leise geht sie in die nächste Bank. Man sieht, dass sie sich bemüht, so wenig wie möglich zu stören. Als sie gerade mit der Bank hinter dem Herrn fertig ist, hebt dieser den Kopf, dreht sich leicht nach der putzenden Dame um, die auf ihrem Wagen das Putztuch wechselt. Er lächelt ihr zu, nickt mehrfach mit dem Kopf und geht auf Zehenspitzen davon, um den frisch geputzten Boden nicht zu verschmutzen.

Was schön war: Tauwetter und Rosenkohl

Das „Was schön war“-Format habe ich zuerst bei Anke Gröner gesehen. Ich mochte es von Anfang an. Da hier lange nichts los war – ich komme grade zu nichts – ich aber gerne wieder mehr aufschreiben möchte, erlaube ich mir, das als Vorlage zu nehmen. Vielleicht blogge ich dann auch wieder öfter. Ihr werdet es erleben (oder eben auch nicht… Zeiten des Wandels und noch immer keine Kristallkugel auf dem Schreibtsich).

Was schön war also…

Ein neblig-nasser Spaziergang durch Poppelsorf an einem dringend nötigen freien Nachmittag. Der Winter ist vermutlich endgültig vorbei – zumindest hier im Rheinland. Ein paar Enten nahmen das zum Anlass, sich gegenseitig laut kreischend und an den Federn zerrend von den Eisresten am Poppelsdorfer Schloss ins schon aufgetaute Wasser zu schubsen.Enten auf dem noch so eben zugefrorenen Schlossgraben in Poppelsdorf mit dem Schloss im Hintergrund

streitende Enten in Bonn-PoppelsdorfVon Amselgezwitscher geweckt werden. Und die ersten verliebten Meisen in der Hecke im Garten.

Der bunte Tulpenstrauß, den ich beim Spaziergang zusammen mit dem leckersten Rosenkohl der Saison an einem kleinen Gemüsestand bei einer unglaublich herzigen alten Dame gekauft habe. Sie freute sich dermaßen an den bunten Blumen und daran, dass ich mir damit einen bunten Frühlingsgruß mit nach Hause nehmen, dass mir ganz warm ums Herz wurde.

Fassade des Kölner Doms bei NachtEin wunderbarer Abend mit wunderbaren Menschen im karnevalstrunkenen Köln. Auf dem Rückweg beim Weg zur Bahn fragten uns zwei vermutlich gerade mal volljährige Mädchen: „War heute Abend eine Karnevalssitzung?“ – „Ja, vermutlich nicht nur eine.“ – „Kommt ihr auch daher?“ – „Nein, wir waren einfach nur so aus.“ – „Aber hier sind so viele Verkleidete.“ – „Ja, das ist hier ab Dreikönige immer so.“ – „Ach…“ Man muss Touristen lieben 🙂

Mehr schöne Dinge findet ihr übrigens auch bei Herrn Buddenbohm, im Odenwald, im Kaffeehaus mit Herz, in Südfrankreich und sicher noch an vielen anderen Stellen.

Habt auch ihr es schön!

Ein Baum lässt sich Zeit

Die Zweige des kahlen Baums gegen den Himmel fotografiert.In den letzten Wochen komme ich donnerstags Abends immer an den gleichen Bäumen vorbei. Mitten in Köln. In einer kleinen, eher schmalen Straße mit großen Häusern. Einige schmucke Altbauten, daneben Schnellbausünden aus den 50ern. Nicht wirklich lichtdurchflutet, aber genug Himmel, um hell zu sein. Und am Straßenrand wachsen Bäume.

Der herrlich frühe Frühling hat die ersten schon vor Wochen zum Sprießen gebracht. Jede Woche ein wenig mehr. Erst waren es nur kleine Knospen, dann gab es immer mehr hellgrüne Spitzen, dann kleine Bätter, letzte Woche ging ich zum ersten Mal durch ein Blätterdach.

Nur ein Baum sah aus, als hätte es den Frühlingsbeginn nicht gegeben. Auch Wochen, nachdem seine Nachbarn neue Triebe und Knospen entwickelt hatten, ragte er leer und grau in den Himmel. Alle seine Nachbarn waren mittlerweile erblüht. Nur „mein“ Baum machte keine Anstalten, beim Frühling mitzumachen. Jede Woche schaute ich ihn mir genau an, ob es nicht irgendein Anzeichen von Veränderung gäbe. Aber immer sah ich: nichts.

Die grünen Zweige des Baums nebenan, ebenfalls gegen den blaun Himmel fotografiert.

Nachbarbaum.

Ich machte mir so meine Gedanken. Stand der langsame Baum nicht auch für das Leben? Wo oft von mir erwartet wird, Stärke zu zeigen und schnelle Entscheidungen zu treffen. Wo es oft genug darum geht, attraktiv zu sein, zu glänzen, sich zu entwickeln und andere zu begeistern. Trends nicht zu verpassen. Selbstbewusst voranzugehen.Wo ich seltsam beäugt werde, wenn ich nicht das mache, was gerade alle tun.

Und dieser Baum macht da einfach nicht mit. Bekommt er zu wenig Sonne? Ist sein Boden zu trocken, zu feucht, nicht genug Erde, zu wenig Platz für die Wurzeln? Muss ich mir Sorgen machen, dass er vielleicht nicht wieder austreibt? Hat er den Winter nicht überlebt? Oder hat er irgendeine Baumkrankheit oder seltsame Tiere, die seine Rnde und auch ihn auffressen (ich bin keine Expertin auf dem Gebiet, merkt ihr ja). Geht er am Ende gar ein? Oder wird er, weniger poetisch, von der Stadtgärtnerei entsorgt?

Aber ist es überhaupt schlimm, dass er nicht austreibt? Er ist doch auch so schön, mit seinen vielen Ästen, seinem starken Stamm, der rauen, unebenen Rinde. Im Winter habe ich ihn gerade darum gemocht – weil seine Krone so ausladend ist und sein Geäst so fein verzweigt.

Unscharfer Blick auf die ersten klinen Knopsen an den Astspitzen.Was bedeutet das für mich? Bedeutet es etwas für mich? Vielleicht, dass ich mich frage, ob es immer notwendig ist, mich an den Erwartungen anderer auszurichten. Dass ich meine eigenen Erwartungen immer wieder überprüfe. Auch mal Tempo rausnehme. Abwarte, bis es an der Zeit ist für Entscheidungen, Veränderungen. Sie dann aber auch angehe. Denn auch mein Baum ist nicht einfach unverändert geblieben. Er ist nicht gestorben. Er hat einfach ein wenig länger gebraucht. Vorgestern habe ich die ersten kleinen Knospen gesehen. Wie geht es weiter? Es bleibt spannend. Bei „meinem“ Baum und bei mir.

PS:   Neulich habe ich von Anne (vielen Dank nochmal!) Schreiben auf Reisen geschenkt bekommen. Die Verbindung von Beobachtungen beim Spazierengehen mit Gedanken über mein Leben ist von dessen erstem Kapitel inspiriert.

Blick in die baumbestandene Straße und das junge, hellgrüne Blätterdach.

Blick in die baumbestandene Straße und ihr Blätterdach.