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Bemerknisse von unterwegs

Was ist er schön, der Bahnhof von Lüttich. Jedes Mal wieder.

Wie schön ist es, am Bahnhof abgeholt zu werden. Auch, wenn man den Weg alleine kennt und schon mehrfach gegangen ist. Auch, wenn es gar nicht weit ist und man, dank kleinem Gepäck, wunderbar allein zurecht kommt. Und dann wird man trotzdem abgeholt, im strömenden Regen. Und wartet bei einem Kaffee einfach auf die nächste Regenpause. Und schon beim dritten Satz sind wir wieder vertraut, als hätten wir uns gestern zuletzt getroffen.

Freunde, die einen schon lange kennen, haben einen ganz besonderen Blick auf einen selbst. Einen ehrlichen, manchmal unverstellteren, unbefangeneren, liebevolleren Blick. Und manchmal sagen sie einem Dinge einfach so auf den Kopf zu und treffen damit voll ins Schwarze.

Dinge – Fragen, Gefühle, Ideen – auszusprechen, die man in den vergangenen Wochen erst nur diffus gespürt, dann bewusst wahrgenommen und dann unsortiert mit sich herumgetragen hat, kann dabei helfen, diese Dinge – Fragen, Gefühle, Ideen – besser einzuordnen, weiterzuspinnen, zu verwerfen, neu zu denken.

Ich mag einiges können. Komplimente charmant anzunehmen gehört nicht unbedingt dazu. Macht aber manchmal auch nix.

Ein Laden mit lauter kleinen, schönen Dingen. Ich brauche nichts davon. Kaufe nichts davon. Sehne mich nach nichts davon. Aber ich freue mich an den Dingen und ihrer Schönheit. An den glänzenden Augen der Menschen, die etwas ausgesucht haben und in der Kassenschlange warten. An der Verkäuferin, die drei Kindern geduldig das Holzspielzeug zeigt und es fröhlich wieder ins obere Regal stellt, als die drei ohne Kaufentscheidung von dannen ziehen.

Weihnachtsbeleuchtung ist unwahrscheinlich kitschig. Und in Verbindung mit gotischer Architektur gewinnt sie mein Herz im Sturm.

Eine Krippe ohne Jesuslkind, dafür mit echten Schafen. Wer hätte gedacht, dass mir bei sowas warm ums Herz wird. Wird es. Für euch getestet.

Warm ums Herz wird mir auch bei dieser besonderen Form von Gastfreundschaft – unaufgeregt und rücksichtsvoll gleichzeitig. So, dass ich mich willkommen fühle, auf eine unaufdringliche, herzliche Weise. Alle versuchen, die passende Sprache zu finden und kramen ihre besten Französisch-, Englisch und Deutschkenntnisse heraus, da ich nur drei Ausdrücke auf Flämisch beherrsche.

Ab und an den Schreibtisch und den Blick aus dem Fenster zu wechseln, tut mir und meiner Produktivität gut.

Lange Spaziergänge in einer schönen Umgebung bringen mich auf neue Gedanken, leeren das Gehirn, verschaffen inspirierende Eindrücke, entspannen und regen gleichzeitig an.

Ein Abend mit einem lieben Menschen, einem Glas Wein und Zeit ist ein besonderes Geschenk.

Des einen Freud…

Wir fühlen uns, als wären wir in eine lebende Kitschpostkarte gefallen. Dabei wussten der Lieblingsmensch und ich doch genau, was uns erwartet, wenn wir nach Brügge fahren. Wie in fast allen alten flämischen Städten gibt es hier Spätmittelalter-Romantik in Hülle und Fülle. Prachtvolle Backsteinhäuser, einen beeindruckenden Belfried, reich verzierte Fassaden und prachtvolle Kirchen. Das kennt man j aus Brüssel (OK, das ist nicht flämisch), aus Gent, aus Leuven, … In Brügge fühlt sich das alles allerdings tausendfach potenziert an.Häuer und eine Gracht in Brügge

Schon als ich Anfang der 2000er Jahre bei einem Praktikum dort war, gab es Touristen ohne Ende in der Stadt. Seit es in Zeebrügge das große Kreuzfahrtterminal gibt, hat sich auch die Zahl der Touristen potenziert, sie kommen busladungsweise und eilen freizeituniformierten Ausflugsbegleitern mit Schirmchen in Unternehmensfarben hinterher.

Wären da nicht die vielen Touristen und die dazugehörige Infrastruktur (Pommesbuden, Souvenirläden, Waffelstände), man könnte meinen, in Brügge wäre die Zeit stehengeblieben. Kein Krieg, kein großflächiges Feuer hat die Altstadt zerstört.Oude Markt, der Alte Markt, in Brügge

In Hamm wurde unsere Hochzeitsgesellschaft darauf hingewiesen, dass wir in einem von nur einer Handvoll historischen Häusern getraut würden ;der Rest ein Opfer des Krieges – Kunstpause – des dreißigjährigen Krieges. Die Kölner Innenstadt ist seit 1945 nicht wiederzuerkennen. In Rennes hatte ein Feuer einen großen Teil der Altstadt hinweggerafft – am Kranz der Fachwerkhäuser um die Innenstadt kann man die Brandlinie noch heute gut erkennen. Nur in Brügge ist noch fast alles, wie es war. Zeugt von Macht (der Herzöge von Burgund), von Reichtum (durch die Textilindustrie) und wirtschaftlichem Selbstbewusstsein (selten habe ich so schlecht gelaunte steinerne Türwächter gesehen wie am Rathaus von Brügge, die Mitglieder der Handelskontore umschmeicheln – hier nicht).Häuser in der Altstadt von Brügge

Zur Wahrheit gehört aber auch: Dass das alles so gut erhalten ist, zeugt auch von Machtverlust, Armut und Bedeutungslosigkeit. Denn mit der Neuzeit kam die Versandung des Zwin, ohne Nordseezugang kein Handelszentrum, ohne Handelskontore und Adelssitz keine Einnahmen, ohne renommierte Universität keine wissenschaftliche Bedeutung. Jahrhundertelang lebte man nicht mehr in Brügge, sondern überlebte, mit Ach und Krach.

Gerne hätte man wohl teilgehabt an der Industrialisierung. Aber ach, Antwerpen und all die anderen mit sandfreien Meereszugängen, mit großen, schiffbaren Flüssen und attraktiven Konditionen für Investoren, waren so viel attraktiver. Fabriken und Arbeitsplätze? Entstehen andernorts. Kanalisation? Wird zuerst woanders gebaut. Gut gefüllte Marktstände? Nur dort, wo auch Menschen waren, die die Produkte bezahlen konnten.Altstadt von Brügge

Wer durch die Straßen und Gässchen schlendert, über die Brücken der Reies (so heißen hier die Grachten) geht, im Café am Oude Markt eine der besten Waffeln ever isst, sieht diesen Teil der Geschichte nicht. Dabei hat gerade sie die heutige Pracht möglich gemacht. Wer arm ist, reißt die bestehenden Häuser nicht ein, um neue, dem aktuellen Zeitgeist entsprechende zu bauen. Wer ums Überleben kämpft, zieht keine Stararchitekten an. Wer am Hungertuch nagt, bewahrt Traditionen und klöppelt Spitze – und ist gezwungen, sie zu einem Hungerlohn zu verkaufen.

Sollen wir also alle mit einem schlechten Gewissen durch das Schmuckkästchen spazieren? Natürlich nicht. Aber der Gedanke, dass das, was wir als schon immer dagewesene Tradition begreifen, das, was wir auf den ersten Blick schnell als romantisch und verwunschen einstufen, bei einem zweiten Blick vielfältiger, vielschichtiger, komplexer ist als wir vermuteten – dieser Gedanke könnte uns auch begleiten, wenn wir zurückgekehrt sind in unseren weniger kitschigen, aber immer wieder auch auf den ersten Blick erfassbar scheinenden Alltag.

Knokke-Heist zum zweiten

Es gibt ja zwei mögliche Ausgangspunkte für die Planung von Reisen. Etwas sehen wollen, das man noch nicht kennt. Oder an einen Ort zurückkehren, an dem es besonders schön war. In diesem Jahr sind der Lieblingsmensch und ich eindeutig zur zweiten Fraktion der Wiederholungstäter -reisenden zu zählen. Und nachdem es uns neulich in Knokke-Heist so gut gefallen hat, waren wir kürzlich gleich nochmal dort.

Wir kamen im Regen an und ich habe mal wieder festgestellt, dass ich das Meer auch bei schlechtem Wetter liebe.Meer vor Knokke-Heist in Flandern bei schlechtem Wetter

 

Schild mit der Aufschrift "Bring your own sunshine"Aber wie das an der Küste so ist, klarte es bald auf und wir konnten Sonne, Strand und Strandpromenade bei strahlendem Sonnenschein und kühlenden Böen genießen.Weiße Buchstaben BEACH vor blauem Himmel in Knokke-Heist in Belgien

 

Albertstrand in Knokke-Heist in Belgien

Blick auf ein sehr wellenbewegtes Meer am Albertstrand in Knokke-HeistVom aufgewirbelten Sand braun gefärbte Wellen in Knokke-Heist, Flandern, BelgienPro-Tipp: In der Saison ist Knokke deutlich belebter als davor, doch so überlaufen wie befürchtet, war es bei weitem nicht. Dieses Mal nächtigten wir näher an der Stadtmitte mit ihren exklusiven Boutiquen, in denen sogar die Schaufensterpuppen Champagner trinken.

Wenn man vom Ortskern auf der Strandpromenade Richtung Holland läuft, werden die Hochhaus-Appartmenthäuser weniger und es gibt sogar vereinzelt Reetdächer. Haus mit Reetdach in Knokke-Heist

Besonders aufgefallen sind uns dieses Mal die kreativen Verbotsschilder für Hunde, die nicht an den Strand dürfen. Neben dem Standard-Hund, der sich aus mehreren Rechtecken zusammensetzt, gibt es an der Strandpromenade noch Schildervariationen, auf denen man bestimmte Hunderassen erkennen kann.

Schild, das ein Hundeverbot am Strand von Knokke-Heist ausweist

Leider gibt es wohl auch Menschen, die Hunde am liebsten ganz verschwinden lassen würden 🙁Hundeverbotsschild mit Hundesilhouette, auf die jemand eine Zielscheibe gemalt hat

 

Auf der positiven Seite auch diesmal: Die unglaublich netten Strandbars, in denen man nach ausgiebigen Wanderungen am Wasser oder auf der Promenade entspannen, lesen und kleine Snacks mit netten Getränken genießen kann (eins kann ich verraten: Gin mit Gurke wird nicht mehr unser Favorit).Holzschild mit "Beach House Rules" wie "Wake Up Smiling", Enjoy the day, Soak Up the Sun, Smile-Giggle-Love

Platte mit Tomate-Mozarella und Pesto sowie zwei Bieren