Schlagwort-Archive: Finistère

Kapellen-Schönheiten abseits der Hauptstraße

Gerade aus dem Urlaub zurück, kommt hier schon wieder ein Urlaubstext. Diesmal einer zum Erinnern und Träumen. Und als Tipp für diejenigen unter euch, die eine Reise an eines der schönsten Enden der Welt planen (ihr wisst, wen ich meine *winkewinke*).Park von Saint Jaoua in Plouvien mit Granitkreuz

In der Bretagne gibt es ja unzählige berühmte Kirchen und Kapellen. Aber auch die weniger berühmten Bauwerke abseits der großen Touristenrouten und Hauptstraßen lohnen oft mehr als einen schnellen Blick. So gibt es zum Beispiel rund um das Städtchen Plouvien im Nordfinistère gleich mehrere kleine, aber sehr feine Kapellen.Chapelle Saint Jaoua in Plouvien

Die größte von ihnen ist die Chapelle de Saint-Jaoua. Der heilige Eremit, dem sie Standort und Namen verdankt, soll es hier mit einem wilden Büffel aufgenommen haben. Eine Tatkraft, die bis heute fortwirkt, denn dass es die Kapelle im heutigen, sehr guten Zustand gibt, verdanken wir einigen sehr engagierten Bewohnern des Städtchens, die über Jahre hinweg die Kapelle und ihre kunstvollen Schnitzereien instand gesetzt und restauriert haben.Geschnitzte Figur am Eingangsportal von Saint Jaoua in Plouvien

Leider war die Kapelle bei unserem Besuch geschlossen, doch auch der Park und die nahegelegene, sehr schöne Brunnenanlage haben den Abstecher sehr lohnenswert gemacht.Holzstatue in Plouvien an der Kapelle Saint-Jaoua

 

 

 

 

Und hier noch ein Blick in den Park, in dem irgendwer fröhliche Bilder gelegt hatte. Und natürlich auf die Brunnenanlage.Figur aus Blättern im Park der Chapelle Saint Jaoua in Plouvien, Bretagne
Brunnenanlage von Saint Jaoua in Plouviern im Nord-Finistère

Brunnen mit Heiligenfigur in PlouvienEbenfalls sehr hübsch ist Chapelle Saint Jean Balanant, quasi nur ein paar Straßenecken weiter. Sie ist viel schmuckloser als ihre Nachbarin, aber sie verfügt über einen der vielen schönen Türme aus „Granitspitze“. Außerdem gibt es eine schöne Statue von Johannes dem Täufer über dem Portal. Und ein schön instand gesetztes Brunnenhaus. Ein Abstecher und ein kleiner Spaziergang einmal um das Gelände herum lohnen sich immer.

Kirchturm aus Granit von Saint Jean Balanant in PlouvienReliefstatue von Johannes dem Täufer in Plouvien

Brunnenhaus der Kapelle Saint Jean Balanant in Plouvien in der Bretagne

Geheimtipp: Phare du Petit Minou

Ein abgelegener, wildromantischer Strand zwischen dicht bewachsenen Felsen, ein steiler Aufstieg, auf dem sich immer wieder fantastische Ausblicke auf die Rade de Brest und den Parc Naturel Marin d’Iroise bieten. Nach etwa der Hälfte des Weges sieht man schon eine Leuchtturmspitze und wenn man oben angekommen und einmal um das Areal herumgewandert ist, eröffnet sich ein Blick wie aus dem Bilderbuch. Was ihr seht ist – tatatataaa – der Phare du Petit Minou, der Leuchtturm des kleinen Kätzchens.

phare-du-petit-minou-mit-bunker

In unserem Reiseführer ist der beeindruckende Turm nur mit eineinhalb Zeilen unter „Ziele in der Umgebung“ erwähnt, in vielen anderen ist er gar nicht verzeichnet. Aber zum Glück gibt es ja Blogs und die großartige Facebookseite von Kristell, so dass wir den Leuchtturm und die spektakuläre Aussicht etwas außerhalb von Plouzané trotzdem gefunden haben.

Blick auf den Phare du Petit Minou hinter gelben Blüten

Technisch ist der Petit Minou sicher nicht der herausragende Vertreter seiner Zunft (wer sich dafür interessiert, findet hier ausführliche Infos). Und auch sein Nachbar, der halb verfallene Radarturm der Marine, ist keine Schönheit. Da er bereits mehrfach aufgebrochen wurde und es wirklich gefährlich ist, in dem Bauwerk ohne Brüstung und vielfach ohne Fenster ganz nach oben zu klettern (ein heftiger Windstoß aus unerwarteter Richtung und wer sich nicht gut festhält, wird ins Meer geweht), soll er bald abgerissen werden. So wie übrigens auch das alte Leuchtturmwärterhaus, das schon verschwunden ist.Phare du Petit Minou mit dem alten Radarturm der Marine daneben

Bei unserem Ausflug hat uns aber am Ende gar nicht die kleine Wanderung um die Landspitze herum am besten gefallen. Auch nicht der wahrhaft spektakuläre Blick auf den Leuchtturm, das ihn umgebende Fort du Minou (von Vauban erbaut) oder die Bunker, die von der deutschen Besetzung während des Zweiten Weltkrieges zeugen.

Am nettesten war das Gespräch mit einem freundlichen Herrn, der anbot, den Lieblingsmenschen und mich vor der berrauschenden Kulisse des in allen Farben zwischen grün und dunkelblau schimmernden Meeres zu fotografieren.Blick auf die Rade de Brest vom Phare du Petit Minou in Plouzané aus

Wie das in der Bretagne so schnell geht, wenn man einige Worte französisch spricht, waren wir blitzschnell in ein angeregtes Gespräch über die Gegend vertieft. Unser freundlicher Gesprächspartner ist Rentner, wohnt um die Ecke, kommt quasi jeden Tag zum Phare, um die Landschaft zu genießen und Fotos der vorbeifahrenden Schiffe zu machen. Die meisten sind Marineschiffe auf dem Rückweg in den Hafen von Brest. Die französischen kennt er alle in- und auswendig, hat er doch mehr als dreißig Jahre auf der Marinebasis gearbeitet und die Flotte gewartet. Besonders gefallen im deutsche und amerikanische Schiffe, kürzlich sei die Fregatte Bayern vorbeigefahren und auch die „Hessen“, die zuletzt Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet hat, hat er schon fotografiert.Französische Fregatte fährt am Phare du Petit Minou vorbei in Richtung Brest

In seiner aktiven Zeit habe er solche Schiffe natürlich auch von innen kennengelernt. Gegen eine gute Flasche Wein (für die deutsche Besatzung) oder Mousseux (für die Amerikaner) habe man ihn gerne herumgeführt. Dabei habe man so manch sehr netten Abend zusammen verbracht.

Den Leuchtturmwärter des Minou kannte er noch persönlich. Ehrensache, war sein Großvater doch Leuchtturmwärter auf Ouessant, im berühmten Phare du Chréac’h. Und seinen Onkel habe ich vermutlich vor knapp 20 Jahren zumindest von ferne kennengelernt, als ich beim Salon du livre insulaire auf Ouessant war, denn dort ist er Fotograf und freier Journalist. Wie klein die Welt doch ist…

Übrigens kann man mit dem Auto auch direkt zum Fort du Minou fahren. Viel schöner ist es aber, auf dem Parkplatz am Plage du Minou eine Bucht weiter westlich zu parken und die Landspitze zu Fuß zu umrunden. Falls ihr also in der Nähe seid: Der Abstecher lohnt sich unbedingt.

Der kleine, abgeschiedene „Plage du Minou“.Kleiner abgeschiedener Sandstrand am "Plage du Minou"

Beim „Aufstieg“ auf die Klippen bieten sich faszinierende Ausblicke und nach einigen Metern kann man die Spitze des Leuchtturms schon sehen.Kleine Naturbrücke am Plage du Minou in Plouzané im Finistère

plage-du-minou-spitze-des-leuchtturms

Auf den Steinen sonnen sich dutzende Eidechsen.Eidechse sonnt sich auf den warmen Steinen am Leuchtturm Phare du Petit Minou

Die Spuren der deutschen Besatzung sind in der Landschaft noch deutlich sichtbar.Bunker aus der Zeit der Besatzung der Bretagne durch die Nazis

Deutscher Bunker in einen Hügel eingegraben

Und natürlich noch ein paar Ansichten des Phare du Petit Minou <3Der Phare du Petit Minou im Sonnenschein

Weg zum Leuchtturm und Leuchtturm Petit Minou in der Sonne

Die Küste des Finistère im Frühjahr, oder: éclats de rose

Im Frühjahr färben sich die Dünen des Finistère rosa. Grund dafür ist die gewöhnliche Grasnelke, auch Strand-Grasnelke genannt. Ihr französischer Name klingt natürlich viel poetischer: armerie maritime. In der Liste meiner Lieblingspflanzen hat sich dieses kleine Gewächs gerade ganz weit nach vorn geschoben.Strandgrasnelke mit Bucht und Felsen im Hintergrund

Strand-Grasnelke mit Felsen und Meer im Hintergrund

Büschel rosa blühender Strand-GrasnelkenHang einer Düne voller Büschel von rosa-blühenden Stand-GrasnelkenStand-Grasnelke vor dem Strand bei Ebbe

Conteurs de la nuit: An der Küste der Legenden

Hatte ich erwähnt, dass ich Märchen mag? Okay, das ist wohl eher eine rethorische Frage. Auch der Lieblingsmensch ist fantastischen Geschichten nicht abgeneigt und so klingt es irgendwie nur folgerichtig, dass wir uns ausgerechnet in die Côte des légendes, die Küste der Legenden, verliebt haben.

Hinweisschild für Wanderer mit der Aufschrift Pays de Lesneven, Côte des légendesHier gibt es quasi zu jedem Stein und jeder Kapelle, zu allen Brunnen und Wegkreuzen, zu Gebäuden, Brücken und Feldern, also quasi zu allem und noch viel mehr, mindestens eine Legende. Hier leben Korrigans (eigentlich bevorzugen sie die Wälder, aber in den vergangenen Jahren sollen sie immer öfter auch an der Küste gesehen worden sein), Feen und Meerjungfrauen. Hier treiben der Teufel und Ankou, der Tod, der mit der Kutsche fährt, ihr Unwesen. Hier haben sowohl mehr oder weniger anerkannte Heilige als auch verrückte Außenseiter die erstaunlichsten Wunder gewirkt und natürlich helfen sie auch weiterhin gegen alle möglichen und unmöglichen Krankheiten. Wenn man denn weiß, was man tun muss, um ihre Gunst zu gewinnen.

In einer kleinen Kapelle können zum Beispiel Kinder von Ohrenentzündungen geheilt werden, wenn ihre Eltern ein T-Shirt im Brunnen vor der Kapelle tränken und vor dem Altar ablegen. Natürlich wird nicht vergessen zu erwähnen, dass eine Heilung umso wahrscheinlicher wird, je größer die Münze ist, die die besorgten Eltern in das nasse Hemdchen wickeln.

Um Geschichten eines anderen Kalibers, nämlich um „echte“ Legenden, geht es, wenn die Conteurs de la nuit unterwegs sind. Marie-Pierre und Joël sind zwei Ehrenamtliche, die die jahrhundertealte Tradition der Erzähler wach halten. Und wie.

Joel und Marie-Pierre auf den Klippen vor Kerlouan, beide tragen dunkelblaue Mäntel und schwarze Hüte, die Kleidung der ConteursJeden Sommermontag-Abend spazieren sie mit begeistert lauschenden großen und kleinen Geschichtenfreunden über Dünen und Strand und erzählen Geschichten, die sich dort, und zwar genau dort, zugetragen haben. Mit dem Rauschen des Meers als musikalischer Untermalung und unschlagbarer Kulisse lassen sie alte Zeiten wieder lebendig werden. Allein mit ihren Stimmen, Händen und Augen versetzen sie ihr staunendes Publikum zurück in die Zeit, als die Feen noch in der Bucht von Kerlouan baden gingen und präsentieren bisher unbekannte, aber völlig überzeugende Erklärungen dafür, warum das einst so süße Wasser des Meeres irgendwann salzig geworden ist. Auch mutige Fischer und Meerjungfrauen dürfen nicht fehlen.

Die beiden Erzähler machen große Gesten, während sie die Geschichte eines Korrigans erzählenIch empfand eine kindliche Freude an den Erzählungen. Und ganz besonders an der alten Kunst des Erzählens. Es war, als schwängen rauchgetränkte Winterabende an bretonischen Feuern bei jeder Legende mit. Als würden mit jedem Satz Erinnerungen an Geschichten erzählende Großväter in Lehnstühlen und märchen-weise Großmütter in der guten Stube wieder lebendig. Als lockten die Worte Fabelwesen aus ihren alten Verstecken, damit sie uns ihre Geheimnisse verraten.

Marie-Pierre erzählt ein MärchenSo erzählt, bestehen die Geschichten aus viel mehr als nur den dazugehörigen Wörtern. Sie bringen Gerüche mit und Klänge und eine Ahnung von Honigwein und verbrannten Algen. So erzählt, sind Legenden mehr als Zeitvertreib; sie werden zum Hauch der Geschichte, vermitteln eine Ahnung des Lebens der Menschen an dieser Küste, geben Anteil an jahrhundertealten Träumen, Ängsten und Sehnsüchten.

Joel erzählt eine LegendeNatürlich beginnt der Abend mit einer Vorwarnung, denn wer sich ins Land der Abenteuer begibt, kommt nicht ohne Risiko aus. Aber mit solchen Führern an der Seite braucht man den Besuch bei den Fabelwesen nicht zu fürchten. Und auch nicht die Zeitreise in die Geschichte. Denn zum Abschluss des Abends führen die Conteurs ihre legendenhungrige Truppe im Schein der Laternen in eine alte, romantische Granitkapelle und erzählen – immer im Wechsel aus der Perspektive der Seeleute und aus der Sicht der halbverhungerten Strandräuber an der Küste – die Geschichte des Untergangs eines Lastkahns voll beladen mit Calvadosfässern. Nicht nur, wenn man sich vorher das Museum zum Untergang der „Indian“ im benachbarten Meneham angesehen hat, geht man mit einer dicken Gänsehaut nach Hause.

Il était une fois…cont