Archiv für den Monat: Februar 2016

Links gegen das Schweigen XV

In den vergangenen zwei Wochen habe ich wieder mehrere Flüchtlingshilfe-Einrichtungen besucht. Und habe dort vor allem eines getroffen: Menschen.

Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen alles hinter sich gelassen haben. Menschen, die nicht mehr retten konnten, als ihr Leben. Menschen, die Dinge erlebt haben, die sich kaum in Worte fassen lassen. Menschen, die trauern um Freunde, Verwandte, ihr einfaches, aber gutes Leben mit einem Heim, Familie und Freunden. Menschen, die Heimweh haben und versuchen, in der neu gefundenen Sicherheit Fuß zu fassen, neue Hoffnung zu gewinnen und ein neues Leben aufzubauen.

Ich habe Menschen getroffen, die die Ärmel hochkrempeln. Die längst nicht mit allen politischen Entscheidungen einverstanden und erst recht nicht immer einer Meinung sind, die aber sehen, dass ihre Hilfe gebraucht wird. Und die dann genau das tun: Helfen."Refugees welcome" auf einer Betonmauer aufgesprüht

Umso unverständlicher ist für mich das, was ich unterwegs auch gehört habe und was in den vergangenen Tagen wieder stärker in die Schlagzeilen gerückt ist: Hass gegen Menschen. Wie kann man Menschen anspucken, ihnen tote Tiere vor die Wohnungstür legen? Wie kann man Hassparolen in Kindergesichter schreien? Wie kann man Brandanschläge planen und durchführen gegen die Wohnungen von Menschen?

Und wie können wir dafür sorgen, dass eben solche Dinge nicht mehr geschehen? Wie können wir, wie kann ich dazu beitragen, dass Menschen wieder als Mitmenschen gesehen werden, egal, woher sie kommen? Wie können wir Menschen klar machen, dass wir ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen – wenn sie diese sachlich äußern? Und dass Gewalt nicht akzeptabel ist. Keine Gewalt. Von niemanden. An niemandem.

Der sächsische Innenminister Tillich schießt jedenfalls weit über das Ziel hinaus, wenn er dem wütenden Mob in Clausnitz das Menschsein abspricht und sagt: „Das sind keine Menschen, die sowas tun. Das sind Verbrecher.“ Sie sind eben Menschen und wir müssen und mit ihnen auseinandersetzen. Sich gegenseitig zu dämonisieren hilft nicht. Im Gegenteil.

Einige wichtige Fragen zum Thema stellt sich auch das Nuf.

Karlo Tobler hat sich in #Clausnitz ein eigenes Bild gemacht.

Andere finden kreative Möglichkeiten, auf falsche Infos und Hass hinzuweisen.

Und Hass hilft macht die wütenden rassistischen Proteste unfreiwilliger Weise zu Spenden.

Murat Suner denkt klug und ausführlich nach über die Entmenschlichung und die antidemokratische Haltung, die hinter Protesten wie denen in Clausnitz steht.

Derweil kann der Innenminister – ganz im Gegensatz zu mir – verstehen, warum die Polizei die Flüchtlinge teilweise mit Gewalt in ihre Unterkunft brachte. Sich als Chef vor seine Mitarbeiter zu stellen, kann eine gute Sache sein. Hier verstehe ich die Haltung einfach nicht.

Tilmann Baumgärtel zeigt in der taz auf, wie normale Bürger zum Online-Lynchmob werden (und greift dabei spannender Weise auf Erkenntnisse von Gustave Le Bon aus dem Ende des 19. Jahrhunderts zurück).

Martin Gommel war in Griechenland und berichtet unter anderem über die „Hotspots“ und warum er sie für besorgniserregend hält.

Lucie Marshall lädt für Mittwoch zu einem Abend mit Annette Frier und Ivan Vrgoč ein. Was das mit unserem Thema hier zu tun hat? Erfahrt ihr dort.

Dass Rassismus und Hass sich auch hinter ganz anderen Fassaden als der des „besorgten Bürgers“ (ich halte den Hohn in dieser Formulierung an manchen Tagen kaum aus) verbergen kann, zeigt Volker König am Beispiel des Tierschutzes.

Schon aus dem Januar, aber immer noch aktuell: Ein Plädoyer für Solidarität und Miteinander.

Einblicke in die aktuelle Diskussion um Flüchtlingshilfe in Europa und weltweit – vor allem im Vorfeld des World Humanitarian Summit in Istanbul – gab das Expertengespräch im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe am vergangenen Mittwoch. Ich durfte dort meinen Arbeitgeber vertreten. Aber selbstverständlich lohnt es sich auch aus anderen Gründen, einiges nachzuhören und zu -lesen.

Navid Kermani und Alfred Grosser reden hingegen der Hoffnung das Wort. Das Buch steht auf meiner Leseliste jetzt weit oben.

Auch zum Hoffen: Kostenlose Online-Kurse für ehrenamtliche Deutschlehrerinnen und -lehrer.

Der höchste Leuchtturm Europas

Der Granitleuchtturm der Ile vierge und sein kleinerer Vorgänger im NebelGerade haben wir unseren Urlaub für den Herbst gebucht. Bretagne, wir kommen wieder. Juhu 🙂

Und – fast hättet ihr darauf wetten können – wir fahren wieder ins Nordfinistère. Warum es da so schön ist? Zum Beispiel wegen der Leuchttürme.

In Lilia, einem Ortsteil von Plougernau steht nicht nur einer der schönsten Leuchttürme, die ich kenne, sondern auch der höchste in Europa. Der Phare de l’Île vierge ist ganz aus Granit und 82,50 Meter hoch. Auf dem kleinen Inselchen, das ihm seinen Namen gab, steht auch noch sein deutlich kleinerer Vorgänger.

Man sieht den Turm von weitem, wenn es klar ist, kann man ihn sogar aus „unserer“ Bucht in Kerlouan erkennen. Auch wenn man um den Aber W’rach herumwandert, eröffnen sich immer wieder schöne Perspektiven auf den Leuchtturm. Dann wird mir immer besonders klar, welche Bedeutung die Türme hatten und haben für all die, die auf dem Meer keine andere Orientierung haben als solche Markierungszeichen.

Besonders beeindruckend ist der Phare de l’île vierge aber nicht bei purem Sonnenschein, sondern bei Nebel. Als wir zum ersten Mal dort waren, zogen dichte, dunkelgraue Nebelschwaden über das Wasser und hüllten den Turm zuerst komplett ein. Wir wanderten an der Küste entlang, vorbei an mehreren kleinen, sehr schön gelegenen Naturhäfen, an einer im Herbst nicht mehr so sehr belebten Strandpromenade, den Hügel hinauf und standen schließlich direkt gegenüber des Leuchtturms am Ufer in der Sonne und sahen – rein gar nichts.

Einige Minuten später hatte der Wind die Nebelschwaden etwas aufgelockert und die majestatätische Figur des Granitturms erhob sich vor uns. Das Spiel von Wind und Wolken, von ganzer oder teilweiser (Un-)Sichtbarkeit ist eines der schönsten Naturschauspiele, die ich in der Bretagne erlebt habe.

Der Leuchtturm in Lilia mit dem kleinen Naturhafen davorDer Phare bde l'île verge und einige Boote, die davor auf den Wellen schaukelnDer Phare de l'île vierge vom Aber w'rach aus gesehenBlick auf den Leuchtturm von Kerlouan aus, ein roter Pfeil markiert den Turm